Polen Parlamentsblockade und Massendemos

06. Januar 2017, 10:22 Uhr

Abgeordnete der Opposition halten seit dem 16. Dezember den Plenarsaal des Sejm besetzt. Kurz Beginn der Besetzung gingen mehrere Tausend Bürger auf die Straße – sowohl Anhänger der Opposition als auch der PiS-Regierung. Staatspräsident Duda will nun vermitteln und hat erste Gespräche mit den Chefs der größten Parteien geführt.

Auslöser des Protests waren Pläne, die Arbeit von Journalisten im Parlament zu beschränken. Nach dem Willen der nationalkonservativen PiS-Mehrheit im Parlament, dem Sejm, sollen Film- und Tonaufnahmen fast ganz verboten werden. Nur fünf ausgewählten Fernsehsendern wird das Privileg eingeräumt, live zu berichten, allerdings müssen die Reporter in einem speziell ausgewiesenen Bereich bleiben. Auch Interviews mit Abgeordneten können künftig nur noch in einem besonderen Bereich geführt werden.

Die Opposition sieht darin einen Angriff auf die Pressefreiheit. Aus Protest dagegen blockierten Dutzende Abgeordnete am Freitagabend das Rednerpult und hielten Zettel mit dem Schriftzug "Freie Medien" in die Höhe. Seitdem bleibt dieser Bereich im Sitzungssaal besetzt, die Abgeordneten wechseln einander ab.

Belagerungsähnliche Zustände

Die Blockade des Rednerpults löste eine politische Lawine aus, die Lage spitzte sich kontinuierlich zu. Die unterbrochene Sitzung wurde in einem anderen Raum, fast ausschließlich mit Abgeordneten der PiS-Partei, fortgesetzt. Mehreren Parlamentariern der Opposition wurde nach eigenen Angaben der Zutritt dazu verweigert. Bei den ausgelagerten Abstimmungen, unter anderem über den Staatshaushalt 2017, soll es zudem Unregelmäßigkeiten gegeben haben. Die Opposition betrachtet sie daher als illegal.

Von solchen Nachrichten alarmiert, versammelten sich noch in der Nacht zum Samstag Hunderte Demonstranten rund um das Parlament und blockierten die Ausgänge. Regierungschefin Beata Szydło und PiS-Vorsitzender Jarosław Kaczyński sowie Hunderte PiS-Abgeordnete saßen stundenlang fest. Erst als Polizisten die Blockade mit Gewalt auflösten, konnten sie das Gebäude verlassen.

Tausende Bürger auf der Straße

Nach der nächtlichen Parlamentsblockade gingen am Samstag, den 17. Dezember, Tausende Regierungsgegner in Warschau auf die Straße. Sie zogen mit den Fahnen Polens und der EU vom Präsidentenpalast zu der inzwischen von der Polizei abgeriegelten Volksvertretung. Dabei riefen sie "Schande", "Medienfreiheit" und "Stoppt die Zerstörung Polens". Auch in anderen polnischen Städten gab es Proteste.

Beata Szydlo Ministerpräsidentin Polen
Polens Regierungschefin Szydlo verurteilte die Proteste der Regierungsgegner in einer Fernsehansprache. Bildrechte: Verfügbar für Kunden mit Rechnungsadresse in Deutschland.

Die konservative Regierungschefin Beata Szydło reagierte mit einer Fernsehansprache an die Nation. Darin verurteilte sie die Proteste scharf, drehte den Spieß um und warf der Opposition Demokratieverstöße vor. "Man darf Polen nicht gegeneinander hetzen", sagte sie. Andere Politiker der regierenden Mehrheit gingen noch weiter und warfen der Opposition einen versuchten Staatsstreich vor. Innenminister Mariusz Błaszczak sprach von langfristig vorbereiteten Provokationen und lobte die Polizeibeamten, die gegen die Demonstranten vorgegangen waren.

Am 18. Dezember veranstalteten Anhänger der Regierung eine Gegendemonstration. Sie versammelten sich mit Nationalfahnen vor dem Präsidentenpalast und skandierten "Ganz Polen steht hinter der Regierung". Der stellvertretende Ministerpräsident Piotr Gliński sagte, "die Demokratie in unserem Land entwickelt sich völlig normal". Er kritisierte die Opposition, die seiner Meinung nach Zwietracht säe und es den Polen verwehre, sich in Ruhe auf die Weihnachtsfeiertage vorzubereiten.

Präsident Duda will vermitteln

Inzwischen bot Staatspräsident Andrzej Duda an, zwischen der Opposition und der Regierung zu vermitteln. Er hat bereits am Sonntag Gespräche mit den Chefs der Oppositionsparteien geführt und am Montag mit dem PiS-Vorsitzenden Kaczyński und dem Parlamentspräsidenten Marek Kuchciński. Den letzteren bat er um eine schriftliche Stellungnahme. Außerdem wollte er die Meinung von Verfassungsrechtlern zu den umstrittenen Abstimmungen einholen. Die Abgeordneten der Opposition setzen ihren Protest unterdessen fort, obwohl von der Sejmverwaltung Strom und Heizung im Sitzungssaal abgeschaltet wurden. Sie wollen am Dienstag entscheiden, ob der Protest fortgesetzt wird.