Polen | Russland Polen will Sowjet-Denkmale schleifen
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06. Oktober 2017, 19:50 Uhr
Über 200 Sowjet-Ehrenmale will die polnische Regierung von Oktober an entfernen lassen, um damit den Kommunismus symbolisch zu begraben. Die geplante Entfernung sorgt für Unmut in Moskau. Dort droht man mit Sanktionen.
Das polnische 3.000-Seelen-Städtchen Pieniezno sorgte 2015 für Schlagzeilen, als die Rathausverwaltung ein Sowjetdenkmal entfernen ließ. Das Datum für den Abbau der Büste eines sowjetischen Armeegenerals hatte der Bürgermeister geheim gehalten. Man habe Auseinandersetzungen vermeiden wollen, begründete Rathauschef Krzysztof Kiejdo. Er spielte damit wohl auf die russische Seite an, denn die zuständigen polnischen Institutionen hatten der Aktion alle ausnahmslos zugestimmt.
Unterschiedliches Geschichtsverständnis
Kritik am Abbau kam dagegen aus der russischen Oblast Kalingrad, die Grenze liegt rund 40 Kilometer entfernt von Pieniezno. Dort wird der in Polen entfernte Armeegeneral Iwan Tschernjachowski als Held des Großen Vaterländischen Krieges gefeiert. In Polen fanden Historiker hingegen heraus, dass er im Zweiten Weltkrieg für die Tötung tausender polnischer Untergrundkämpfern verantwortlich sein soll. Auch deshalb hatte man die Büste im polnischen Pieniężno entfernt - sie fristet nun ihr Dasein in der Asservatenkammer der Stadt.
Über 200 Monumente im Land
Wie in Pieniężno wurden in Polen in den vergangenen Jahren Hunderte Sowjetdenkmale entfernt – vor allem in Kleinstädten und Dörfern. Dort waren sie nach dem Zweiten Weltkrieg aufgestellt worden, um der Roten Armee für die Befreiung von der NS-Besatzung zu danken. Identifiziert hatten sich aber nur wenige Dorfgemeinschaften damit. Nun will die PiS-Regierung die übrigen 230 Monumente schleifen lassen, um damit symbolisch den Kommunismus zu begraben. Ein entsprechendes Gesetz wurde Mitte Juli von Staatspräsident Andrzej Duda unterzeichnet.
Restaurierung mit Spendengeldern
Bereits im vorigen Jahr hatte die polnische Regierungschefin Beata Szydlo erklärt, dass die Symbole des Kommunismus aus dem öffentlichen Raum verschwinden müssten. Doch nicht überall trifft die PiS-Politikerin damit den Nerv ihrer eigenen Landsleute. In den vergangenen Jahren wurden Denkmale nicht nur abgerissen, sondern vereinzelt auch renoviert, so auch im polnischen Dorf Mikolin. Ein polnischer Verein hatte dafür Spendengelder aus Polen und Russland gesammelt. Zur Wieder-Einweihung im Juni reisten neben polnischen auch russische Kriegsveteranen an. Zwei russische TV-Sender sollen das festliche Ereignis live übertragen haben. Nun droht dem frisch herausgeputzen Denkmal der Abriss.
Russische Kriegsgräber bleiben erhalten
Eigentlich hatte Polen 1994 in einem Vertrag mit der Russischen Föderation den Erhalt von Gedenkorten und letzten Ruhestätten vereinbart. Im Artikel 3 wurde wörtlich versprochen, den "Schutz der Gräber, Grabsteine, Denkmäler und anderer Gedenkobjekte sowie die Begrünung und den Erhalt“ sicherzustellen. Doch die PiS-Regierung liest daraus nur noch die Pflege der russischen Kriegsgräber, die es auf vielen Friedhöfen polnischer Kommunen gibt. Die sollen von der Aktion unberührt bleiben.
Wirtschaftsembargo im Gespräch
Dass die Sowjet-Monumente hingegen verschwinden sollen, stößt in Russland auf scharfe Kritik. Das russische Außenministerium warnte unlängst die polnische Regierung davor, "dass ihre feindseligen Aktivitäten im Bereich der Gedenkorte nicht folgenlos bleiben würden". Man würde mit adäquaten Mitteln antworten. Die Oberkammer des russischen Parlaments forderte von Kremlchef Wladimir Putin eine deutliche Reaktion. Einzelne Abgeordnete schlugen vor ein Wirtschaftsembargo auf polnische Produkte zu verhängen sowie Einreiseverbote gegen polnische Politiker, die an der Vorbereitung des entsprechenden Gesetzes beteiligt waren.
Rund 600.000 Soldaten gefallen
Der Vorsitzende des Ausschusses für internationale Angelegenheiten im russischen Föderationsrat Konstantin Kossatschow appellierte in einem Gespräch mit dem Internetportal onet.pl an die polnischen User, dass die Denkmäler Zeugnis der gemeinsamen Geschichte seien, in der Hunderttausende russische Soldaten fielen, um Polen und das polnische Volk zu retten. Wörtlich sagte er: "Eure Armee war, bei allem Respekt, nicht stark genug, um sich dem deutschen Nationalsozialismus entgegenzustellen." Rund 600.000 sowjetische Soldaten waren nach russischen Angaben bei der Befreiung Polens von der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg gefallen.
Allergisch gegen kommunistisches Regime
Doch viele Polen reagieren in der Regel allergisch auf solche Argumente. Schließlich folgte der Befreiung durch die Rote Armee die Errichtung eines kommunistischen Regimes und die ungewollte Einbindung in den Ostblock als Satellitenstaat der Sowjetunion. Auch erinnern viele an den geheimen Zusatz zum Hitler-Stalin-Pakt von 1939, in dem eine Teilung Polens vereinbart worden war. Truppen der Roten Armee waren am 17. September 1939 selbst in Polen einmarschiert, um den östlichen Teil des Landes zu erobern.
Länderstreit international beraten?
Dass ein Kompromiss im polnisch-russischen Denkmalstreit gefunden werden kann, scheint derzeit aussichtlos. Denn bislang halten die politischen Führungen beider Länder erbittert an ihren Positionen fest. Wer könnte hier vermitteln, im Streit schlichten? Russische Diplomaten kündigten an, die Aktion auf internationaler Ebene zu thematisieren – etwa bei der UNO, in der Parlamentarischen Versammlung der OSZE oder bei den Beratungen der GUS-Staaten. Polens ehemaliger stellvertretender Außenminister Pawel Kowal weiß, was das bedeutet: Dass der polnische-russische Denkmalstreit ein Fall für internationale Instanzen werden könnte.
Über dieses Thema berichtet HEUTE IM OSTEN auch im TV: MDR Aktuell | 06.10.2017 | 17:45 Uhr