Jiří Ovčáček, der Sprecher des tschechischen Präsidenten Milos Zeman auf einer Landstraße. Im Hintergrund der Landsitz des Präsidenten nahe Prag.
Jiří Ovčáček, der Sprecher des tschechischen Präsidenten Milos Zeman auf einer Landstraße. Im Hintergrund der Landsitz des Präsidenten nahe Prag. Bildrechte: MDR/Alexander Hertel

"Zeman ist keine Marionette Russlands"

15. März 2018, 16:55 Uhr

Tschechiens Präsident Miloš Zeman wird häufig für seine vermeintliche Nähe zu Putin und dem Kreml kritisiert. Wie stehen er und Tschechien zu Russland? Das haben wir den Präsidentensprecher Jiří Ovčáček gefragt.

Heute im Osten: Wie ist das Verhältnis zu Russland? Ist Russland Tschechiens Freund oder Feind?

Jiří Ovčáček: Ich denke nicht, dass Russland zurzeit eine Bedrohung für Tschechien darstellt. Russland will die Tschechische Republik nicht besetzen, Russland will Tschechien auch nicht in seine Einflusssphäre ziehen. Das ist auch gar nicht möglich, weil wir Teil der NATO sind - unsere Verbündeten würden uns verteidigen. Zudem sind wir Teil der EU.

Russland ist für uns vor allem ein Geschäftspartner und in einer einzigen, wichtigen Sache ist es auch ein Verbündeter: im Kampf gegen Terror. Ich glaube, wir sollten mit Russland reden und einen Dialog führen, anstatt die Tür zu verschließen.

Präsident Zeman wird in westlichen Medien oft als Kreml-Vertrauter und Putin-Freund dargestellt. Wie bewerten Sie Beschreibungen dieser Art?

Eine freundschaftliche Beziehung ist zum Beispiel dadurch gekennzeichnet, dass sich die Personen duzen. Und so eine Beziehung gibt es zwischen Präsident Zeman und Wladimir Putin nicht. Wenn es jemanden gibt, den der Präsident duzt, dann ist das der slowakische Präsident Andrej Kiska, der Zeman als erster von allen Politikern zur Wiederwahl gratuliert hat.

Ich glaube, es wäre gut, sich zum Beispiel mal die Lebensgeschichte von Miloš Zeman anzusehen. Er ist ein Mensch, der nach dem Prager Frühling 1968 seine Arbeit verloren hat. Er wurde aus der Hochschule, in der er unterrichtet hat, herausgeschmissen. Und danach wurde er unter dem kommunistischen Regime noch zweimal rausgeworfen. Zu sagen, dass Zeman pro-russisch sei, ist geschmacklos.

Vor den Wahlen waren in den westlichen Medien aber nur Klischees über ihn zu lesen. Vielleicht hat auch das einige Menschen in Tschechien motiviert, Miloš Zeman zu wählen - weil sie wussten, dass das einfach nicht stimmt.

Wie ist Zemans Beziehung zu Russland also wirklich?

Jiří Ovčáček, der Sprecher des tschechischen Präsidenten Milos Zeman, im Gespräch mit Ostbloggerin Helena Sulcova auf einer Landstraße nahe des Landsitzes des Präsidenten außerhalb Prags
Jiří Ovčáček im Gespräch mit Ostbloggerin Helena Šulcová während des Drehs zur MDR-Reportage "Wir und Russland". Bildrechte: Alexander Hertel

Sehr pragmatisch. Miloš Zeman ist kein Kreml-Entsandter und auch niemand, der dem nachgeben würde, was sich der Kreml oder Wladimir Putin wünschen. Es ist eine pragmatische Beziehung. Zeman bemüht sich um eine wirtschaftliche Diplomatie, darum, tschechischen Unternehmen neue Märkte zu öffnen. Und er bemüht sich um einen Dialog. Damit ist er nicht allein.

Auch in Deutschland gibt es Stimmen, die sagen, dass man mit einer sprechen sollte, damit entstandene Hürden und einige Dinge, die sehr unangenehm sind, überwunden werden können - wie zum Beispiel die Krim-Annexion, die eine Annexion war. Das sagt auch der Präsident.

Es ist also ein Pragmatismus zugunsten der Tschechischen Republik. Wir sind in der EU und in der NATO verankert. Miloš Zeman hat uns in diese beiden Organisationen geführt. Er ist ein Europa-Föderalist und ein Verfechter der europäischen Integration.

Viele in Tschechien haben Angst vor zu viel russischem Einfluss. Der tschechische Geheimdienst warnt vor der zunehmenden Aktivität russischer Geheimdienste in Tschechien. Das Innenministerium hat sogar eine Behörde eingerichtet, die sich mit diesem Problem beschäftigt. Wie stehen Sie zu dazu?

Es ist kein Geheimnis, dass große Länder und Großmächte so einer Tätigkeit nachgehen. Das heißt, sie versuchen gewissermaßen, andere Länder zu beeinflussen. Aber das ist nichts Neues. Das ist schon oft in der Geschichte passiert. Wichtig ist, dass wir selbstbewusst sind, dass wir keine Angst haben. Wenn wir Angst haben und nicht selbstbewusst sind, dann verlieren wir nicht nur unsere Freiheit, sondern auch unsere Demokratie.

Das heißt: die Tschechische Republik muss ein stolzes Land sein, das fähig ist, zu kommunizieren und Dialoge zu führen. Es geht nicht darum, dass Tschechien Teil eines russischen Imperiums oder Einflussgebietes wird. Solange Miloš Zeman Präsident der Tschechischen Republik ist, wird das nicht passieren.

Aber diese ganzen pro-russischen Medien, die in Tschechien von vielen gelesen werden und also Einfluss auf die Meinungsbildung der Tschechen ausüben könnten - wollen Sie abstreiten, dass es diese Versuche der Einflussnahme gibt?

Ich glaube, die Sache wird überbewertet. Die tschechischen Bürger haben ihren eigenen Kopf. Und ich mache auf eine wichtige Sache aufmerksam: Sie haben 40 Jahre Kommunismus hinter sich, wo ideologisch auf sie eingewirkt wurde, wo ihnen etwas in den Kopf gepflanzt wurde. Die Menschen haben das damals auch nicht geglaubt. Die Tschechen sind solchen Dingen gegenüber also sehr immun. Also wir dürfen da nicht in eine Hysterie verfallen.

So eine Hysterie würde auf Grundlage von Desinformation zur Einschränkung unserer Freiheit führen. Das ist ganz dünnes Eis. Also ja, wir müssen diese Sache verfolgen, beobachten und wahrnehmen. Aber wir dürfen keine Angst haben. Es sieht oft so aus, als hätte die westliche Welt Angst vor Russland und das macht Russland nur stärker. Außerdem stärkt das auch die Position von Wladimir Putin, wenn wir jeden Tag darüber reden, welche Wahlen und Ereignisse Russland beeinflusst habe. Das erzeugt das Bild, dass Russland ein allmächtiges Land ist, das alles kontrolliert. Aber das stimmt nicht.

Russische, Ungarische, Tschechische und Ukrainische Flagge 2 min
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Wie steht es um die Beziehungen Russlands zu seinen osteuropäischen Nachbarn? Dieser Frage sind wir in Teil I der Reportage in Ungarn, Tschechien und der Ukraine nachgegangen.

Mi 28.02.2018 17:53Uhr 01:31 min

https://www.mdr.de/heute-im-osten/projekte/wir-und-russland/video-179062.html

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Über dieses Thema berichtete der MDR auch im TV: HEUTE IM OSTEN: Reportage | 10.03.2018 | 18:00 Uhr