Dmitrij Androsow ist Mitglied der oppositionellen PARNAS-Partei.
Dmitrij Androsow ist Mitglied der oppositionellen PARNAS-Partei. Bildrechte: Körber-Stiftung/Marc Darchinger

"Der Kreml hat sich vom Westen distanziert"

07. März 2018, 11:32 Uhr

Dmitrij Androsow ist Mitglied der oppositionellen PARNAS-Partei.  Seiner Meinung nach hat sich der Kreml vom Westen distanziert durch seine aggressive Außenpolitik.

Zwischen Deutschland und Russland kriselt es. Moskaus Vorgehen in der Ukraine ist zum Dauerärgernis für Berlin geworden. Sanktionen, Sticheleien von beiden Seiten, frostige Treffen prägen seit 2014 die Beziehungen. Wie man die wieder erwärmen könnte, dazu gibt es von russischer Seite verschiedene Ansätze und verschiedene Wünsche. Dmitrij Androsow, Mitglied der oppositionellen PARNAS-Partei, etwa meint, dass Deutschland sich für die Aufhebung der Visa-Pflicht einsetzen sollte. Das würde die Skepsis der russischen Bevölkerung gegenüber der EU lindern.

Was war Ihrer Ansicht nach der größte Fehler der deutschen Regierung in letzter Zeit im Bezug auf die Beziehungen zu Russland?

Dmitrij Androsow: Deutschland hat immer eine aktive wirtschaftliche und politische Rolle für Russland gespielt. Nichtsdestotrotz hat die deutsche Regierung die Gelegenheiten verpasst, die hätten helfen können, die Unterstützung für Deutschland und die Europäische Union in der russischen Gesellschaft zu stärken. Das Scheitern, Visa zwischen Russland und der EU abzuschaffen, ist ein gutes Beispiel. Ein großer Teil der Russen hätte das Visa-freie Reisen sehr begrüßt.

Gleichzeitig sollte Deutschland aber auch nicht fälschlicherweise annehmen, dass die überwiegende Mehrheit der Russen die Außenpolitik ihrer Regierung gutheißt. Zwar konnte Präsident Putin seine Popularität in den vergangenen Jahren zweifelsohne steigern, das ist aber hauptsächlich ein Ergebnis der staatlichen Propaganda und falscher Berichterstattung, wie das bei allen autoritären Regimen der Fall ist.

Daher bin ich mir sicher, dass der demokratische Wandel von einem Stimmungswandel in der Gesellschaft begleitet sein wird. Die Sanktionen, die eine Folge der Krim-Annexion und des Konflikts in der Ost-Ukraine sind, sind ein weiteres Beispiel. Unsere Partei PARNAS glaubt, dass Sanktionen die für politische Entscheidungen Verantwortlichen treffen sollte. Sonst wird Putin die sich verschlechternde ökonomische Situation ausnutzen, um seine antiwestliche Politik voranzutreiben und weiterhin antieuropäische Hysterie unter der Bevölkerung zu streuen.

Können Sie sich auch vorstellen, dass die russische Regierung vielleicht Fehler im Umgang mit Deutschland gemacht hat?

Der Kreml hat sich vom Westen distanziert in den letzten Jahren durch seine aggressive Außenpolitik. Der Kreml demonstriert militärische Stärke gegenüber seinen Nachbarn, die Prozesse der Demokratisierung durchlaufen, und beschwört ideologische Differenzen mit dem Westen herauf.

So lange der Vorwand eines Clashes der Ideologien mit der EU und den USA den russischen Interessen dient und hilft, sein personelles Macht-Monopol aufrechtzuerhalten, werden verbesserte Beziehungen zum Westen nicht Putins strategisches Interesse sein.

Welche Schritte müssten Deutschland und Russland in den nächsten Jahren unternehmen, um die bilateralen Beziehungen zu verbessern?

Russland müsste zunächst seine Truppen aus der Ukraine abziehen, die Unterstützung der Separatisten beenden und die Verhandlungen über den Status der Krim bei den Vereinten Nationen fördern. Deutschland müsste sich seiner Rolle als Vermittler bewusst bleiben und sicherstellen, dass es die Kommunikationskanäle mit Moskau offenhält.

Meine Vision ist, dass Russland, Deutschland und andere europäische Länder in eine einheitliche, weitreichende Allianz eingebunden werden, die auch den militärischen Sektor umfasst. Dies würde militärische Streitigkeiten unmöglich machen, aber es würde erfordern, dass die NATO aufgelöst oder zumindest wesentlich reformiert wird.

Das Interview Die Fragen stellten Luise Voget und Liana Fix für "THE BERLIN PULSE" eine Publikation der Körber-Stiftung. Die ursprünglichen Interviews wurden auf Englisch und Deutsch geführt.

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