Europakarte mit Riss zwischen Russland und EU
Europa und Russland - welches Verhältnis haben sie zueinander? Dieser Frage gehen zwei MDR-Reportagen am 10. und 17. März im MDR-Fernsehen nach, ab jeweils 18 Uhr. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

"Wir und Russland" Ein Annäherungsversuch in schwierigen Zeiten

15. März 2018, 16:40 Uhr

Unberechenbarer Akteur oder verlässlicher Partner? Die Meinungen über Russland gehen in Europa weit auseinander. Im MDR-Fernsehen beleuchten wir die Beziehungsgeflechte näher. Den Anfang machte eine Diskussionsrunde.

Auf die Frage, wie die Russen auf den Westen schauen, weiß Maxim Kireev, Ostblogger in St. Petersburg, eine Anekdote zu erzählen: "Neulich haben wir ein neues Auto gekauft. Wir hatten uns für eine französische Marke entschieden, die aber auch in Russland produziert. Der Händler versicherte uns jedoch wiederholt, dass es sich wirklich um ein französisches Auto, also um Qualität handele. Wir bräuchten keine Angst zu haben, da sei nichts Russisches drin."

Ostblogger Monika Sieradzka, Maxim Kireev (Russland) und Helena Sulcova (Tschechien) (v.r.n.l.)
Von links nach rechts: Ostblogger Monika Sieradzka (Polen), Maxim Kireev (Russland) und Helena Sulcova (Tschechien) Bildrechte: MDR/Katharina Nagler

Der Glaube an westliche Marken sei ungebrochen in Russland. Geht es jedoch um die politische Sicht der Dinge "machen uns die russischen Medien ständig weis, dass der westliche Feind nur 100 Kilometer entfernt im Schützengraben liegt." Es existierten also zwei Welten nebeneinander und die Beziehungen zwischen den beiden Völkern könnten sich daher relativ schnell wieder erholen, wenn der politische Wille dazu bestehe, so Kireevs Hoffnung.

"Es ist wichtig, Brücken zu bauen"

Ein optimistischer Auftakt zu einem schwierigen Projekt: "Wir und Russland" soll kurz vor der dortigen Präsidentschaftswahl online, in zwei TV-Reportagen und einer öffentlichen Redaktionskonferenz beleuchten, wie Europas Beziehungen zu Russland im Moment aussehen. Was ist schiefgelaufen und was kann man besser machen in Zukunft?

Zur Konferenz - organisiert von der MDR-Redaktion Geschichte, Dokumentationen und Osteuropa (GDO) - waren unter anderem Ostblogger aus sieben Ländern geladen, ebenso Redakteure des Nachrichtenmagazins MDR AKTUELL, Wissenschaftler, die über Osteuropa forschen, und MDR-Intendantin Karola Wille.

Die MDR-Intendantin war auch schon vor 15 Monaten dabei, als das Ostblogger-Netzwerk aus der Taufe gehoben wurde, und erinnert sich an einen bemerkenswerten Satz von damals. Die nationalkonservative Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) war damals schon an der Macht in Polen und hatte große Umgestaltungen beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk vollzogen.

Intendantin Karola Wille; Ulrich Brochhagen, Redaktionsleiter Geschichte, Dokumentationen und Osteuropa und Daniela Adomat, Chefin vom Dienst Geschichte, Dokumentationen und Osteuropa
MDR-Intendantin Karola Wille, Redaktionsleiter Ulrich Brochhagen und Redakteurin Daniela Adomat (v.r.n.l.) Bildrechte: MDR/Katharina Nagler

Auf die Frage der Intendantin, wie so etwas denn in einem Land wie Polen, das so lange für Demokratie gekämpft habe, geschehen könne, sagte Monika Sieradzka, Ostbloggerin aus Warschau, damals: "Auch das ist Demokratie." Diesen Satz noch in Ohren, sagte Intendantin Karola Wille am Donnerstag, Demokratie sei im heutigen Europa nicht mehr selbstverständlich, überhaupt sei Europa nicht mehr selbstverständlich und es sei wichtig, Brücken zu bauen. "Eine dieser Brücken ist das Ostblogger-Netzwerk."

Russische, Ungarische, Tschechische und Ukrainische Flagge 2 min
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Wie wichtig ist Europa für Russland?

In 187 Artikeln, 57 Videos und 117 Fotos versuchten die Journalisten aus Serbien, Ungarn, Litauen, Polen, Tschechien, der Ukraine und Russland den MDR-Nutzern ihre Welt näherzubringen - mit persönlichen Analysen, aber auch mit kleinen Geschichten über Menschen des Alltags. Und gerade die seien wichtig, um eine Gesellschaft zu verstehen, merkte Matthias Middell an. Er ist Professor für Kulturgeschichte an der Universität Leipzig.

"Ein Effekt der Medienberichterstattung ist die Dehumanisierung", sagte Middell. "Mein Gegenüber wird nicht mehr als Mensch wahrgenommen, wenn zum Beispiel von 'den Flüchtlingen' oder 'den Russen' die Rede ist." Midell ging zudem noch auf einen Punkt ein, der in der Berichterstattung in den deutschen Medien seiner Ansicht nach zu kurz komme: Die außenpolitischen Interessen Russlands hätten sich verschoben, vor allem in Richtung Asien. Nur Europa wolle das noch nicht so richtig wahrhaben.

Umfrage: Annäherung zwischen Ländern ist wichtig

Historikerin Gabriele Woidelko von der Körber-Stiftung in Hamburg versuchte, einen versöhnlichen Akzent zu setzen. Sie hat eine Umfrage betreut, die unter dem Titel "Russland in Europa" lief. Das "in" sei wörtlich zu verstehen, betonte Woidelko. Befragt wurden Russen, Polen und Deutsche zu ihren Ansichten über den jeweils anderen, aber auch zum Thema Sanktionen oder Geschichtspolitik.

Bei allen Unterschieden, etwa bei der Frage, ob die Sanktionen gegen Russland aufgehoben werden sollten, gebe es auch Lichtblicke. "Die Mehrheit der Befragten in allen drei Ländern hält eine Annäherung an den jeweils anderen für wichtig oder sogar sehr wichtig." Und das gehe eben nur über den Dialog.

Über dieses Thema berichtet MDR auch im: Fernsehen | 10. und 17.03.2018 | jeweils ab 18:00 Uhr