Autogrammstunde für den rumänischen Ex-Profi-Fußballer Gica Popescu
Bildrechte: MDR/Annett Müller-Heinze

Balkanländer als Gastgeber Balkan liebäugelt mit Fußball-WM 2030

24. Februar 2019, 18:46 Uhr

Griechenland, Rumänien, Serbien und Bulgarien wollen die Fußball-WM 2030 austragen. Noch hat die FIFA das Bewerbungsverfahren nicht eröffnet, dennoch feilen die vier Staaten schon jetzt an ihrer Bewerbung. Die Sportminister der vier Länder treffen sich dafür derzeit in Sofia.

Despina Jilava schwärmt für Fußball. In ihrem Copy-Shop, den sie in Bukarest betreibt, liegt ein Rasenstück vom Stadion ihres Lieblings-Clubs "Steaua Bukarest". Die 50-Jährige spricht von dem Stadion wie von einem Heiligtum, sie nennt es "einen Tempel". Seit vorigem Sommer wird das über 40 Jahre alte Ghencea-Stadion abgerissen, um einem Neubau Platz zu machen. In einer bewegenden Abschiedszeremonie bekamen die Fans zur Erinnerung ein Stück Rasen. ängst ist er vertrocknet, doch Jilava denkt nicht dran, ihn zu entsorgen.

Rasenstück aus dem einstigen Steaua-Stadion im Bukarester Stadtteil Ghencea
Rasen als Erinnerungsstück. Despina Jilava will im Bild lieber im Hintergrund bleiben. Bildrechte: MDR/Annett Müller-Heinze

Die Vorstellung, dass ihr Land eines Tages möglicherweise die Weltmeisterschaft austragen könnte, müsste die Fußball-Anhängerin ins Schwärmen bringen. Doch so sehr sich die Bukarester Unternehmerin für Fußball begeistert, so sehr misstraut sie auch ihrer sozialliberalen Regierung, die die WM-Kandidatur derzeit eifrig vorantreibt. "Unsere Regierung hat viel versprochen: Autobahnen, Krankenhäuser und jetzt Fußballstadien. Doch passiert ist wenig", sagt Jilava enttäuscht.

Balkanquartett plant WM-Kandidatur

Die rumänische Regierung treibt die Kandidatur für die Fußball-WM 2030 derzeit sehr euphorisch voran. Die Idee, die Austragung nach Bulgarien, Serbien, Griechenland und Rumänien zu holen, wurde im vorigen November erstmals öffentlich - bei einem Treffen der Regierungschefs der vier Länder.


Das sogenannte Balkanquartett kommt seit Oktober 2017 regelmäßig zusammen, um über Wirtschafts- und Energiefragen ebenso über Sicherheitsfragen zu beraten. Serbien findet in Griechenland, Bulgarien und Rumänien zudem wichtige Partner, die seinen EU-Beitritt vorantreiben wollen. Seit neuestem geht es bei den Vierer-Gesprächen aber auch um eine gemeinsame Kandidatur für die Fußball-WM. Sie wüde bei der Modernisierung der Infrastruktur und der Stadien helfen, begründete Serbiens Präsident Aleksandar Vucic vor Monaten den Vorstoß.


Kein Stadion fürs Eröffnungsspiel

Angesichts der unzulänglichen Infrastruktur der Balkanländer wirkt das Projekt äußerst wagemutig. Denn keines der vier hat bislang ein passendes Stadion, um das WM-Eröffnungsspiel oder das Finale auszutragen. Der Weltfußballverband FIFA verlangt hier eine Größe von 80.000 Plätzen. Das bisher größte Stadion der potentiellen Kandidaten steht im griechischen Athen - wegen der Olympischen Spiele war die Anlage kurz vor 2004 saniert worden. Die Sportstätte kann rund 69.000 Fußballfans fassen, für die Highlight-Spiele einer WM sind das jedoch zu wenig Plätze.

Nationalstadion teurer als geplant

Mit der Modernisierung der Stadien kämen auf die vier Länder millionenschwere Ausgaben zu. Der rumänische Steuerzahler hat mit solchen Projekten leidvolle Erfahrungen gemacht. Das größte Stadion des Landes - die Bukarester Nationalarena mit rund 55.000 Plätzen - wurde deutlich teurer als geplant: Statt der veranschlagten 146 Millionen Euro kostete die Anlage schlussendlich 90 Millionen Euro mehr. Warum die Finanzierung aus dem Ruder lief, konnte bis heute nicht geklärt werden. Dank der modernen Nationalarena wird Rumänien aber im kommenden Sommer zu den zwölf Austragungsorten der Fußball-EM gehören. "Das wird die wichtigste Sportveranstaltung in der Geschichte des Landes", sagt Florin Sari vom Rumänischen Fußballverband (FRF), der für die Organisation in Bukarest mit zuständig ist. "Wir werden bei der EM als einziges Land das Lebensgefühl des Balkan einbringen," meint Sari.

Bukarester Nationalarena, das größte Fußballstadion Rumäniens
Das größte Stadion Rumäniens – die Bukarester Nationalarena. Die 55.000 Plätze sind in den Nationalfarben rot-gelb-blau gehalten. Bildrechte: MDR/Annett Müller-Heinze

Fußballverband sieht WM-Idee skeptisch

Pressekonferenz, 500 Tage vor der Fußball-EM 2020, V.l.n.r.: Razvan Burleanu, Chef des Rumänischen Fußballverbandes (RFR); Florin Sari, RFF-Manager für die EM 2020; Diana Pirciu, Manager für Freiwillige Helfer der EM
Razvan Burleanu, Chef des Rumänischen Fußballverbandes, auf einer Pressekonferenz zur Fußball-EM 2020. Bildrechte: Rumänischer Fußballverband (FRF)

Während man beim Rumänischen Fußballverband derzeit viel über die anstehende EM spricht, ist man hingegen beim Thema einer möglichen WM-Kandidatur verhalten. Im Dezember legte der Verband eine Liste der vorhandenen Stadien vor. Die Revision ergab: Von den für eine WM-Austragung benötigten 16 Anlagen haben die vier Balkanstaaten bislang gerade mal vier geeignete Stadien.

Wie der Rest zu bewältigen sei, will FRF-Chef Razvan Burleanu derzeit nicht beantworten. Dem MDR sagt er: "Fest steht, unser Land erfüllt derzeit die Bedingungen nicht. Die sportliche Infrastruktur bleibt eine offene Frage. Wir werden sehen, welchen Standpunkt hier die anderen beteiligten Länder einnehmen." Bis Montag beraten dazu die Sportminister der vier Länder bei einem Treffen in Sofia.

Es mangelt an Verkehrsverbindungen

Doch nicht nur die Größe und Anzahl der Stadien ist entscheidend, ob ein Land oder ein Länder-Quartett die Fußball-WM austragen darf oder nicht. Wichtiger Punkt bei der Bewerbung ist auch, wie mühelos die vielen Fußball-Anhänger zu den Spielen reisen könnten. Bei einer gemeinsamen Bewerbung würden die Fans zwischen den Balkan-Staaten pendeln.

Noch im vergangenen Sommer beklagte der bulgarische Premier Boris Borrisov, dass es gar keine Autobahn zwischen Bulgarien und Serbien gebe. Wer auf die Idee kommt, mit dem Zug vom rumänischen Bukarest ins rund 380 Kilometer entfernte bulgarische Sofia zu reisen, muss sich derzeit auf eine 17-stündige Fahrtzeit einstellen. Auch mit einem Auto braucht man in Rumänien viel Zeit, denn das Land ist nicht gerade mit Autobahnen gesegnet. Von den geplanten 1.700 Kilometern sind bis heute nur die Hälfte fertig - die Kosten pro Kilometer sind jedoch deutlich teurer als in Westeuropa.

Rumänen sehen die WM-Bewerbung skeptisch

Viele Rumänen sind resigniert, was die Infrastruktur angeht. In sozialen Netzwerken kommentiert man die mögliche WM-Kandidatur wohl auch deshalb zurückhaltend. Der Sportjournalist Theodor Jumatate von der Sportzeitung "Gazeta Sporturilor“ kann die Reaktion nur allzu gut verstehen, selbst wenn sein Land äußerst fußballbegeistert ist. "Die Leute befürchten, dass eine WM die Korruption im Land befeuern wird", meint Jumatate auf MDR-Anfrage, "jedes Infrastruktur-Projekt dauert schon jetzt doppelt so lang wie versprochen und kostet mindestens dreimal so viel wie ursprünglich veranschlagt."

Über dieses Thema berichtet MDR AKTUELL RADIO MDR | 23.02.2019 | 07:40 Uhr