Schwarzes Meer Rumänien will mehr Nato-Präsenz

12. Juli 2018, 10:33 Uhr

Rumänien will noch in diesem Jahr zu den sieben Nato-Ländern gehören, die zwei Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes für Verteidigung ausgeben. Bukarest hofft, für diesen Schritt auf dem Brüsseler Nato-Gipfel belohnt zu werden. Dort will es die Sicherheitslage am Schwarzen Meer besprechen.

Der neue Leiter der Abteilung für europäische und eurasische Angelegenheiten im US-Außenministerium, Wess Mitchell, reiste Ende Juni durch halb Europa. Bei seinem Auftritt in Bukarest warnte er vor der Gefahr durch Russland und China, auf die die USA schon längst reagieren würden.

So hätte sein Land mit 4.800 Militärs das größte Kontingent aller Nato-Mitglieder in Osteuropa. Rund ein Viertel davon sei in Rumänien stationiert, sagte Mitchell. Zudem finanzierte Washington vor Jahren im südlich gelegenen Deveselu ein Raketenabwehrsystem, das seit 2016 betriebsbereit ist. US-Diplomat Mitchell forderte bei seinem Auftritt in Bukarest, dass Westeuropa die wachsende Gefahr durch seine Rivalen endlich ernst nehmen müsse.

Bukarest drängt auf mehr Nato-Präsenz

Eine Botschaft, die in Bukarest längst auf offene Ohren stößt. Doch die derzeitige große US-Militärpräsenz reicht der Bukarester Führung allein nicht aus, sie will noch mehr Nato-Soldaten im Land. Auch forderte sie in der Vergangenheit einen Nato-Flottenverband auf dem Schwarzen Meer. Staatschef Klaus Johannis und Verteidigungsminister Mihai Fifor wollen beim Nato-Gipfel in Brüssel entsprechend werben.

Unterstützung werden sie dabei von Polen und den baltischen Staaten – Estland, Litauen, Lettland - bekommen. Vor zwei Jahren wurde diesen Ländern auf dem Nato-Gipfel in Warschau die Stationierung von Kampfbataillonen zugesagt – in einer Stärke von rund 1.000 Soldaten, die von verschiedenen Nato-Ländern rotierend gestellt werden. Es ist das größte Nato-Aufrüstungsprogramm seit Ende des Kalten Krieges.

Bukarest-9-Initiative - osteuropäische Lobbygruppe

Staatsoberhäupter Rumäniens: Klaus Iohannis (Rumänien, links) und Andrzej Duda (Polen) bei einem bilateralen Treffen in Warschau Anfang Juni
Staatschef Klaus Johannis (Rumänien, links) und sein polnischer Amtskolle Andrzej Duda bei einem Treffen in Warschau im Juni. Bildrechte: Administratia Prezidentiala/Rumänisches Präsidialamt

Nach Ansicht der Bukarester Führung müssten auf diesem Gipfel nun weitere Kampfbataillone in Rumänien und Bulgarien folgen, um "eine kohärente Nato-Präsenz an der Ostflanke des Bündnisses zu haben". So heißt in der Abschlusserklärung der Bukarest-9-Initiative, die sich zuletzt im Juni in Warschau traf, um sich auf das Nato-Treffen in Brüssel einzuschwören.
Die Initiative war 2015 vom rumänischen Präsidenten Klaus Johannis und seinem polnischen Amtskollegen Andrzej Duda ins Leben gerufen worden, inzwischen umfasst sie neun osteuropäische Länder – vom Baltikum bis Bulgarien. Sie wollen bei verschiedenen Sicherheitsthemen mit einer Stimme sprechen und durch gemeinsame Lobbyarbeit mehr erreichen.

Minister: Fast täglich russische Provokationen

Rumänischer Verteidigungsminister Mihai Fifor passiert ein Ehrenspalier auf dem Flughafen Tegel.
Der rumänische Verteidigungsminister Fifor Anfang Juli in Berlin Bildrechte: Rumänisches Verteidigungsministerium

Bukarest treibt bei der Initiative vor allem die Furcht vor Russland. Auch deshalb drängt das Land auf mehr Nato-Präsenz – insbesondere auf dem Schwarzen Meer, "genau dort, wo 2014 mit der Übernahme der Krim das jüngste Epizentrum des russischen Revisionismus stattgefunden hat", sagt der Bukarester Journalist und Außenpolitik-Experte Octavian Manea. So müsse man Moskau und seiner Schwarzmeer-Flotte zeigen, dass es dort ein Gegengewicht von der Nato bekomme, meint Manea.

Weitere Gründe lieferte kürzlich der rumänische Verteidigungsminister Fifor in einem Interview mit der US-Nachrichtenagentur Associated Press: So vergehe fast kein Tag, an dem man keine russischen Provokationen in der Schwarz-Meer-Region erlebe, sei es im Luftraum oder auf See, sagte Fifor.

Zwei Prozent für Verteidigung

Treffen des Obersten Verteidigungsrates Rumäniens (CSAT) in Bukarest
Sitzung des Obersten Verteidigungsrates Rumäniens, geführt von Staatschef Johannis (Stirnseite) Bildrechte: Administratia Prezidentiala/Rumänisches Präsidialamt

Im Gegenzug für seine Forderungen nach mehr Nato-Präsenz hat Bukarest konkrete Angebote im Gepäck. Erst kürzlich beschloss der Oberste Verteidigungsrates des Landes (CSAT), die Zahl rumänischer Soldaten an internationalen Militärmissionen um elf Prozent aufzustocken. Zudem gehört Rumänien zu den sieben einzigen Nato-Mitgliedsstaaten, die in diesem Jahr zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes für den Verteidigungsetat ausgeben wollen - neben Griechenland, Estland, Großbritannien, Lettland, Polen und allen voran den USA.

Stiftung: Nato wird zögerlich bleiben

Ein US-Luftüberlegenheitsjäger Raptor landet am 25. April 2016 auf dem US-Militärfliegerstützpunkt Mihail Kogalniceanu, nahe des Schwarzen Meeres.
Militärflughafen nahe des Schwarzen Meeres, den die USA als Stützpunkt nutzen. Bildrechte: Verfügbar für Kunden mit Rechnungsadresse in Deutschland. | Robert Ghement

Ob das Engagenment die anderen, vor allem westlichen Mitgliedsstaaten überzeugen wird, mehr Präsenz in Rumänien zu zeigen? Alina Inaveh glaubt das nicht. Die Leiterin der Bukarester Filiale der US-Stiftung "German Marshall Fund of the United States" schrieb Ende Juni in einem Aufsatz, dass eine verstärkte Militär-Präsenz im Schwarzen Meer von den Nato-Ländern als zu provozierend für Moskau angesehen würde.

Auch könnten möglicherweise die USA oder konkreter gesagt US-Präsident Donald Trump, seine Beziehungen zu Russland neu ausrichten. Trump trifft seinen russischen Amtskollegen Wladimir Putin am kommenden Montag in Helsinki – wenige Tage nach dem Nato-Gipfel. Eine Annäherung zwischen beiden Erzfeinden wäre für Bukarest ein Horrorszenario, heißt es hinter den Kulissen.

Graphik zur Ostflanke der Nato
Die Ostflanke des westlichen Militärbündnisses Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Schnellere Reaktionsfähigkeit geplant

Von einem Beschluss aber wird Rumänien auf jeden Fall bei diesem Gipfel profitieren: So will die Nato ihre Reaktionsfähigkeit in den nächsten zwei Jahren erheblich ausbauen will. Ziel ist, insgesamt 90 Verbände aus allen drei Teilstreitkräften so aufzurüsten, dass man sie im Fall der Fälle binnen 30 Tagen ins Gefecht schicken kann.

Die Botschaft von Brüssel - nicht nur für Rumänien, sondern die gesamte Ostflanke - ist damit klar: Das Militärbündnis will weniger in neue permanente Militärstützpunkte investieren, sondern vielmehr eine größere Reaktionsfähigkeit, um in Krisensituationen schneller vor Ort zu sein.  

(am)

Über dieses Thema berichtet MDR AKTUELL auch im: FERNSEHEN | 11.07.2018 | 19:30 Uhr