Russlands Politik abseits der WM Fünf Dinge, die Sie nicht mitbekommen haben

19. Juli 2018, 10:03 Uhr

Die Welt war begeistert von Russlands Gastfreundschaft während der Fußball-WM. Doch im Schatten der Flutlichtspiele betrieb Präsident Wladimir Putin weiter Innen- und Außenpolitik mit teils schwerwiegenden Folgen, wie ein Rückblick auf den WM-Monat zeigt. Die umstrittene Erhöhung des Renteneintrittsalters ist heute Thema in der Duma.

1. Hungerstreik gegen politische Inhaftierungen

Auf eine Folge der Politik Putins wurden die Zuschauer sogar im Finale aufmerksam. Da stürmten Aktivisten des Künstlerkollektivs "Pussy Riot" kurzzeitig den Rasen, um auf das Schicksal einer fast vergessenen Menschengruppe aufmerksam zu machen: der politischen Gefangenen. Sie sollen freigelassen werden, so die Forderung der Künstler.

Der derzeit wohl bekannteste Häftling Russlands ist der ukrainische Filmemacher und Kremlkritiker Oleh Senzow. Im Mai 2014 wurde er wegen der angeblichen Planung eines Terroranschlags auf der annektierten ukrainischen Halbinsel Krim zu 20 Jahren Haft verurteilt. Seit zwei Monaten befindet sich Senzow im Hungerstreik und will so die Freilassung anderer ukrainischer und russischer Gefangener erzwingen, deren Inhaftierung politisch motiviert ist.

2. Umstrittene Änderungen bei Rente und Mehrwertsteuer

Bereits während die WM im Juni mit großem Pomp eröffnet wurde, kündigte die russische Regierung eine Anhebung der Mehrwertsteuer um zwei Prozentpunkte auf 20 Prozent an. Außerdem soll das Renteneintrittsalter bereits ab 2019 von jetzt 55 auf 63 Jahre für Frauen, und bei Männern von jetzt 60 auf 65 Jahre angehoben werden. Schon jetzt ist die Rente in Russland nur ein mageres Zubrot. Fast jeder ältere Mensch muss sich etwas dazuverdienen. Die Pläne der Regierung ließen Putins Umfragewerte innerhalb einer Woche von 62 auf 54 Prozent sinken und lösten landesweite Proteste aus.

Die Rentenreform wird bereits in der Duma, dem russischen Parlament, verhandelt.

3. Dauerkonflikt in der Ukraine

Im Osten der Ukraine gilt zwar seit mehr als drei Jahren offiziell ein Waffenstillstand, eingehalten wird dieser jedoch weder von den von Russland unterstützen Separatisten, noch von ukrainischer Seite. Allein seit Jahresbeginn wurden in der Region mehr als 8.000 Menschen durch den Einsatz von Waffen verletzt, erklärte die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) Anfang Juli. Insgesamt 140.000 Mal hätten die Konfliktparteien in diesem Jahr zur Waffe gegriffen.

Währenddessen tut sich ein neuer Konfliktherd zwischen der Ukraine und Russland auf. Seit der Annexion der Krim im Frühjahr 2014 kontrolliert Russland den Seeweg aus dem Schwarzen ins Assowsche Meer, wo mehrere wichtige ukrainische Häfen liegen. In den vergangenen Monaten hat die russische Marine dort begonnen, ukrainische Schiffe zu kontrollieren und aufzuhalten und schadet damit der ukrainischen Wirtschaft. Kiew wirft Moskau auch vor, von der Krim aus einen militärischen Vorstoß auf ukrainisches Territorium vorzubereiten und kündigte an, selbst seine Streitkräfte aufzurüsten.

4. Syrien: Bomben während der Vorrunde

Heißer als in der Ukraine ist der Konflikt in Syrien. Dort starteten Truppen des Machthabers Baschar al Assad mit Unterstützung der russischen Luftwaffe während der Vorrunde der Fußball-WM eine großangelegt Offensive  in der südsyrischen Provinz Daraa. Mehr als 200 Zivilisten sollen dabei bislang ums Leben gekommen sein, teilten lokale Gesundheitsbehörden mit.

Nach Angaben der Vereinten Nationen mussten außerdem 270.000 Menschen vor den Angriffen fliehen und sitzen nun zwischen den Regimetruppen und der geschlossenen Grenze zu Jordanien und Israel fest. Die Situation sei "herzzerreißend", erklärte UN-Sprecher Jan Egeland Ende Juni. Einige Tage später trat eine vorrübergehende Waffenruhe in Kraft. Egeland appeliert derweil unter anderem an Russland und die USA, ihren Einfluss zu nutzen, um die eingeschlossenen Menschen aus der Einkesselung zu lassen.

5. Erwartungen und Befürchtungen nach Trump-Putin-Gipfel

Die Staatschefs der beiden Großmächte trafen einen Tag nach dem WM-Finale zu einem ersten Zweiertreffen seit dem Amtsantritt des US-Präsidenten Trump im Januar 2017 zusammen. In der finnischen Hauptstadt Helsinki sprachen sie Präsidenten mehr als 90 Minuten unter vier Augen miteinander. "Die Welt möchte, dass wir miteinander auskommen", sagte Trump am Montag in Helsinki vor dem Treffen mit Putin im Beisein des Kremlchefs.

Genau davor graut es aber den direkten Nachbarn Russlands, etwa Polen und Litauen. Dort befürchtet man, dass die USA und Russland über ihre Köpfe hinweg Entscheidungen treffen würden. In beiden ehemals unter sowjetischen Einfluss stehenden Ländern werden auch immer wieder Szenarien heraufbeschworen, in denen Russland einen militärischen Konflikt beginnen könnte.  

(zuerst veröffentlicht am 16.07.2018)

Über dieses Thema berichtete MDR AKTUELL auch im: TV | 16.07.2018 | 19:30 Uhr