Autobauer-Nation zwischen EU und Visegrád

07. Februar 2019, 11:38 Uhr

Die Slowakei – amtlich: Slowakische Republik – in ihrer heutigen Gestalt gibt es seit dem 1. Januar 1993. Die föderative Tschechoslowakei wurde aufgelöst, Tschechien und die Slowakei wurden eigenständige Staaten.

Slowaken und Tschechen gegensätzlich orientiert

Die Auflösung des gemeinsamen Staates hatten die beiden Ministerpräsidenten Vladimir Mečiar und Vaclav Havel im August 1992 in Brünn beschlossen, nachdem sich ihre Delegationen nicht auf eine gemeinsame Bundesregierung hatten einigen können. Die Trennung erfolgte friedlich. Unblutig war zuvor auch der Sturz des kommunistischen Regimes der ČSSR im November 1989 verlaufen. Die Samtene Revolution deckte aber auch schnell die unterschiedliche Ausrichtung der beiden Teilstaaten auf.

Während die Slowaken nach Selbstbestimmung strebten, hielten die Tschechen am Zentralismus fest. Bis zu den Parlamentswahlen 1998 schottete sich die Slowakei unter der Regierung von Vladimir Mečiar in der Wirtschaft und Außenpolitik zunehmend ab. Der Wahlsieger von 1998 und 2002, Mikuláš Dzurinda, öffnete das kleine Land und verordnete den Slowaken dabei zugleich zwei harte Sparprogramme, um es bereit für eine Mitgliedschaft in der EU zu machen.

Anschluss an EU, NATO, Schengen und Euro

Die Slowakei und Tschechien fanden dann 2004 über ihre Mitgliedschaften in der Europäischen Union und der NATO wieder näher zueinander, bauten zum Beispiel die Kontrollposten an ihrer gemeinsamen Grenze wieder ab. 2007 traten sie dem Schengener Abkommen bei. Doch nur die Slowaken führten 2009 auch den Euro als Währung ein. Die Slowaken, die nach der Auflösung der Tschechoslowakei eine Deindustrialisierung ihres Landes erlebten, verbinden mit der EU den inzwischen wieder wachsenden Wohlstand und sehen größere Vorteile durch die Mitgliedschaft als die Tschechen.

Zugleich ein Visegrád-Staat

Gleichzeitig gehört die Slowakei – mit Tschechien, Ungarn und Polen – zu den so genannten Visegrád-Staaten. Das lockere Staatenbündnis hatte sich in den letzten Jahren vor allem mit der Ablehnung einer EU-weiten Verteilung von Flüchtlingen hervorgetan. Seine Spitzenpolitiker stehen der Europäischen Union sehr kritisch gegenüber, pflegen regelmäßig nationalistische und populistische Töne anzuschlagen.

Automobilindustrie dominiert Wirtschaft

Wirtschaftlich ist die Slowakei von der Automobilindustrie geprägt. Die Branche mit rund 80.000 Beschäftigten macht fast die Hälfte der slowakischen Wirtschaft aus. Der Boom begann 2003, als der Volkswagen-Konzern einen Teil seiner Produktion nach Bratislava auslagerte. Es folgten PSA mit Peugeot und Citroën in Trnava, Hyundai-Kia in Žilina und zuletzt, im Oktober 2018, Jaguar-Landrover mit einem Werk in Nitra. Die Slowakei profitiert von ihrer langen Industrietradition, gut ausgebildeten Arbeitskräften und einem im EU-Vergleich geringen Lohnniveau. Die Arbeitslosigkeit liegt bei rund fünf Prozent. Bei nur 5,5 Millionen Einwohnern ist die Nachfrage auf dem Binnenmarkt allerdings schwach. Größter Handelspartner der Slowakei ist Deutschland – sowohl bei Export als auch Import.

EU genießt mehr Vertrauen als Regierung und Parlament

Zufrieden mit der Entwicklung ihres Landes und der Arbeit der Regierung sind die Slowaken aber offenbar dennoch nicht. Vor allem junge Menschen gingen in den letzten Jahren wiederholt gegen die verbreitete Korruption im Land auf die Straße. Eine große Protestewelle löste der mutmaßliche Auftragsmord am Investigativjournalisten Ján Kuciak aus. Durch den Fall wurden zweifelhafte Verbindungen zwischen slowakischen Politikern und kriminellen Geschäftsleuten und organisierter Kriminalität aufgedeckt. Nach den folgenden Massenprotesten traten Ministerpräsident Robert Fico, der Innenminister und der Polizeichef zurück. Kein Wunder, dass die meisten Slowaken, ihrer Regierung misstrauen. Die von den Regierungen der Visegrád-Staaten so oft gescholtene Europäische Union dagegen genießt dagegen bei 43 Prozent der Slowaken Vertrauen.

Über dieses Thema berichtete HEUTE IM OSTEN auch im TV: MDR Aktuell | 09.11.2018 | 17:45 Uhr