Alexander Smolenski Dunkle Geschäfte

12. März 2015, 09:01 Uhr

"Stützpfeiler des neuen Russland!", "Erbauer einer Demokratie des freien Marktes!" – mit diesen Worten feierte Anfang der 1990er-Jahre die "Washington Post" überschwänglich den Moskauer Privatbankier Alexander Smolenski, eine der schillerndsten Figuren in den Jahren des Systemwechsels in Russland. Der 1954 in Moskau geborene Smolenski  war Bauunternehmer, Bankier, Millionär und großzügiger Mäzen.

Wohin mit meinem Geld?

In der Zeit der Perestroika Mitte der 1980er-Jahre hatte Alexander Smolenski, der seit seiner Jugend Schwarzmarktgeschäfte betrieben und sich einige Male erfolglos als Unternehmer versucht hatte, eine Baufirma gegründet. Er errichtete unter anderem Datschas und Villen für hochgestellte Beamte und Parteikader mit teils aus staatlichen Betrieben abgezweigten Material. Er soll aber auch vor dubiosen Geschäften mit der Mafia nicht zurückgeschreckt haben. Smolenskis Firma jedenfalls muss enorme Gewinne erwirtschaftet haben, denn 1990 stellte sich für den Unternehmer die dringliche Frage: Wohin mit meinem Geld? Auf einer staatlichen Bank jedenfalls konnte er es nicht anlegen. Und so gründete Smolenski kurzerhand eine eigene Bank, die Stolichny-Bank, gewissermaßen um sein Geld zu waschen. Die Bank war eine der ersten Privatbanken in der UdSSR. Smolenski behauptet gar, es war die allererste überhaupt.

"Goldenes Zeitalter" für Privatbankiers

Smolenski aber blieb nicht lange allein im privaten Banksektor der UdSSR – schon bald gab es Dutzende privater Banken im zerbröselnden  kommunistischen Riesenreich, unter anderem auch Michail Chodorkowskis "Menatep-Bank". Diese Bankgründungen waren sichtbarster Ausdruck dafür, dass tatsächlich eine neue Zeit angebrochen war, ein "goldenes Zeitalter" für Spekulanten, Glücksritter und Finanzjongleure. Regeln gab es nicht mehr, das staatliche Bankenwesen lag großenteils darnieder und der Staat kümmerte sich nicht um die Einhaltung von Regeln.

Devisengeschäfte und Kredite mit horrenden Zinsen

Die neuen Banker waren allesamt Laien, die vor allem eines einte: Sie wollten möglichst rasch reich werden. Und so zeichneten sich die neuen Herren des Geldes auch durch große Dreistigkeit und erstaunlichen Trickreichtum aus. Sie gingen freilich auch Risiken ein, die professionelle Banker wohl abgeschreckt hätten. Freilich verlangten sie dafür horrende Zinsen. So vergab Alexander Smolenski einmal einen Kredit über eine Million Rubel an einen jungen Mann, der Melonen in Usbekistan anbauen wollte und dafür Startkapital brauchte. Sicherheiten hatte er keine zu bieten. Ein Jahr später zahlte der Melonenbauer Kredit und Zinsen zurück. Und noch etwas war den neuen Bankern eigen: "Geld haben wir alle auf die gleiche Weise verdient – wir befassten uns mit Devisenspekulationen und verdienten an Kursunterschieden. Ein riesiges Geschäft bei der gigantischen Inflation damals", verriet Alexander Smolenski viele Jahre später. "Anders hätten wir auch nicht überleben können. Es gab ja keine Industrieproduktion mehr in der UdSSR. Es war ja alles in Auflösung begriffen." Und die Privatbanker machten Millionen bei ihren teils illegalen und höchst komplizierten Devisenspekulationen, die sich aus dem ständig schwankenden Dollar-Rubel-Kurs ergaben.

Verspekuliert

Alexander Smolenski, der stets beste Kontakte zum Kreml hatte, mit Boris Jelzin gut befreundet war und sich als Mäzen gerierte (so spendete er unter anderem sage und schreibe 53 Kilogramm Gold für die Kuppel der Moskauer Kathedrale) verspekulierte sich 1998, während der internationalen Finanzkrise – und seine mittlerweile in "SBS-Agro" umbenannte Bank ging bankrott. Zehntausende Russen verloren ihre Ersparnisse, Smolenski selbst konnte sein Vermögen retten – geschätzte 200 Millionen Dollar, die er vorsichtshalber schon ins Ausland transferiert hatte. Und er selbst setzte sich dann auch schnell ab – die russische Staatsanwaltschaft war ihm nämlich auf den Fersen. 2000 einigte sich Smolenski mit seinen Gläubigern und kehrte reumütig nach Russland zurück. 2003 stieg er wieder ins Bankgeschäft ein. 

 

(Quelle: Mein Weg. Ein politisches Bekenntnis. Von Michail Chodorkowski und Natalja Geworkjan. DVA 2012)