Hintergrund: Kampf um Solidarność-Erbe

von Alexander Hertel

05. März 2019, 10:26 Uhr

Die polnische Regierung hat versucht, das unabhängige Solidarność-Zentrum in Danzig unter seine Kontrolle zu bringen. Der Versuch scheiterte. Die Auseinandersetzung zeigt die tiefen Gräben in der polnischen Gesellschaft. Die haben eine lange Vorgeschichte, wie ein Blick in die Historie der Solidarność zeigt.

Polen lieben große historische Bezüge. Egal, ob vor Spielen der Nationalmannschaft, in Familiendiskussionen oder politischen Debatten. Lustvoll schlagen sie den ganz großen historischen Bogen in die in ihren Augen ruhmreiche Geschichte der polnischen Nation.

Aufruf zur Verteidigung der Demokratie

Und so war es kein Wunder, dass ein kleiner Text des bekannten polnischen Autors Krzysztof Łoziński im November 2015 riesige Wellen schlug. Łoziński war einer der Vordenker der polnischen antikommunistischen Bewegungen zu Zeiten der Volksrepublik Polen. "Wir müssen ein KOD gründen", lautete der knackige Titel seines Kommentars und drehte damit schon am ganz großen historischen Rad. Denn die Abkürzung KOD steht für "komitet obrony demokracji", auf Deutsch: Komitee zur Verteidigung der Demokratie.

In dem kurzen Text umriss Lozinski eine neue außerparlamentarische Opposition gegen die gerade gewählte PiS-Regierung. Doch die Kernaussage steckte bereits in den drei Buchstaben des Titels: KOD. Denn jeder Pole dachte hier unwillkürlich an das KOR, das Komitee zur Verteidigung der Arbeiter. Die Oppositionsbewegung wurde 1976 unter anderem von Łoziński gegründet. Sie war die Keimzelle der späteren Solidarność-Bewegung. Die wiederum mündete 1989 in den ersten freien Wahlen und der Unabhängigkeit Polens, dem Fall der Mauer und dem Sturz des Kommunismus samt Sowjetunion. Große historische Bögen eben.

Aktivisten gründeten daraufhin in der Tat eine Facebook-Seite unter dem Namen KOD, die innerhalb weniger Tage 30.000 Unterstützer hatte. Anfang Dezember wurde das Komitee zur Verteidigung der Demokratie als offizielle Bürgerbewegung gegründet. Am 12. Dezember 2015 veranstaltete KOD in mehreren Städten Demonstrationen gegen den geplanten Umbau des Verfassungsgerichts und der staatlichen Medien. An der größten Veranstaltung in Warschau nahmen mehr als 50.000 Menschen teil. Tags darauf demonstrierten Regierungsunterstützer für die Politik der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS).