Andrej Babis
Der Chef der ANO-Partei Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Andrej Babis strebt in Tschechien eine Minderheitsregierung an

27. Oktober 2017, 15:35 Uhr

Andrej Babis versucht eine Minderheitsregierung zu bilden. Das hat der tschechische Wahlsieger am Freitag dem Internetportal idnes.cz gesagt. "Da wir überall auf Ablehnung stoßen, versuchen wir es mit einer Minderheitsregierung", sagte Babis. Die Ministerposten sollen nicht nur aus den Reihen der ANO-Partei, sondern auch mit parteilosen Fachleuten besetzt werden. "Zudem werden wir ein Programm auflegen, das teilweise auch die Programme anderer Parteien erfüllt", sagte Babis.

Vorerst ist noch unklar, wer eine solchen Regierung tolerieren könnte. Allerdings verwies der Milliardär darauf, dass es in mehreren Parteien aufgrund des sehr schlechten Wahlergebnisses gärt und Bewegung möglich ist. "Sie haben ihre Probleme. Sie haben bei den Wahlen schlecht abgeschnitten und die Basis verlangt zu Recht, dass Köpfe rollen", so Babis.

Zustimmung vom Präsidenten

Staatspräsident Milos Zeman hat bereits am Donnerstag seine Unterstützung für eine Minderheitsregierung signalisiert. In einem Interview mit dem Fernsehsender Barrandov sagte er: "Ich nehme an, dass Andrej Babis zwischen zwei Varianten schwankt: einer Minderheitsregierung und einer Koalition. Ich kann lediglich garantieren, dass ich ihn in beiden Fällen unterstützen werde, und zwar aus dem einfachen Grund, dass er der Sieger der Wahlen ist".

Offiziell wird Zeman Babis mit den Verhandlungen zur Bildung einer Regierung erst am Dienstag beauftragen. Babis hat aber schon jetzt die erste Verhandlungsrunde mit Vertretern aller Parteien, die es ins Abgeordnetenhaus geschafft haben, hinter sich. Es hagelte Absagen. Lediglich Tomio Okamura von der rechtspopulistischen, EU- und Migrationskritischen SPD sagte, dass eine Regierungsbeteiligung sinnvoll sei.

Gerüchte um Okamura seien Unsinn

Für den Fall einer Koalitionsregierung hatte Okamura in einer Fernsehdebatte am Donnerstag Interesse am Posten des Außenministers angemeldet. Babis ließ sich darauf vorerst nicht ein. "Die Gerüchte, dass wir Okamura bevorzugen, sind Unsinn" sagte der ANO-Chef. "Am Dienstag verhandeln wir mit der ODS, KdU-CSL, KSCM und der SPD", sagte Babis dem Portal idnes.cz. Dabei soll es allerdings nicht um eine Regierungsbildung gehen, sondern nur um die wichtigsten Funktionen innerhalb des neu gewählten Abgeordnetenhauses: den Vorsitzenden, seine Stellvertreter und Ausschusschefs.

Ein Korb von den bürgerlichen Demokraten

Ursprünglich wollte Babis eine Koalition mit der ODS bilden, den bürgerlichen Demokraten. Diese Partei hat er nach eigenem Bekunden früher selbst gewählt. Von dem Chef der ODS, Petr Fiala, bekam er jedoch einen Korb. Auch bei den anderen Parteien war ihm kein Erfolg beschieden. Alle Parteien geben an, sich nicht an einer Regierung beteiligen zu wollen, an deren Spitze ein Mann stehe, der von der Polizei wegen Subventionsbetrugs belangt werde. Damit zielen sie auf die Vorwürfe rund um die Causa "Storchennest" ab. Das neu gewählte Abgeordnetenhaus wird vermutlich erneut darüber abstimmen, ob Babis seine Immunität verlieren soll.

Pokern um die Macht

Die konstituierende Parlamentssitzung soll nach dem Willen von Staatspräsident Zeman am 20. November stattfinden. Erst nachdem die Führungsposten innerhalb des Abgeordnetenhauses besetzt sind, kann die noch amtierende Regierung von Bohuslav Sobotka zurücktreten. Erst dann kann Präsident Zeman Babis zum Ministerpräsidenten ernennen. Sollte es Babis danach nicht gelingen, das Vertrauensvotum zu bekommen, gibt es einen zweiten Anlauf, bei dem erneut der Präsident den Regierungschef benennt. Bei einem eventuellen dritten Anlauf geht dieses Recht auf den Vorsitzenden des Abgeordnetenhauses über. Aus diesem Grund ist es wichtig, wer dieses Amt bekleiden wird. Zwei Kandidaten sind derzeit im Gespräch: Radek Vondráček von der ANO-Partei und der Chef der bürgerlichen ODS, Fiala.

Über dieses Thema berichtet MDR AKTUELL auch im TV: MDR | 27.10.2017 | 17:45 Uhr