Tschechien Premier Babiš ohne Rückhalt

05. Januar 2018, 14:46 Uhr

Der neue tschechische Ministerpräsident Andrej Babis hat die Vertrauensabstimmung im Parlament verloren. Für das Minderheitskabinett seiner populistischen ANO-Bewegung stimmten nur 78 Abgeordnete. 117 waren dagegen. Es war eine Niederlage mit Ansage, denn dem Regierungschef droht ein Strafverfahren wegen Subventionsbetrugs.

Eigentlich ist die Vertrauensabstimmung eine Routineveranstaltung. Das tschechische Parlament muss jeder neu zusammengesetzten Regierung ihr Vertrauen aussprechen. Bei Babiš entwickelte sich die gesamte Regierungsbidung zu einem lang andauernden und langwierigen Polit-Spektakel, das das Land monatelang beschäftigt.

Der erfolgreiche Geschäftsmann und Politik-Aufsteiger hat bei den Wahlen im Oktober ein überraschend gutes Ergebnis erreicht. Für eine klare Regierungsmehrheit reichten die eroberten 78 der 200 Parlamentssitze allerdings nicht aus. Da die etablierten Parteien sich weigerten, eine Koalition einzugehen, bildete Babiš ein Minderheitskabinett mit der Hoffnung, wenigstens eine Duldung der etablierten Kräfte zu erreichen.

Niederlage mit Ansage

Die entsprechenden Gespräche scheiterten jedoch ebenso schnell wie die Koalitionssondierungen. Betrugsvorwürfe und ein drohendes Ermittlungsverfahren gegen den neu ernannten Regierungschef vergifteten von Anfang an die Atmosphäre. So war am Ende wenig überraschend, dass die neue Regierung kein Vertrauensvotum vom Parlament bekam.

Staatspräsident Zeman will Babiš zweite Chance geben

Ein Ende für Babiš' Regierungspläne bedeutet das allerdings noch nicht. Zwar ist er laut Verfassung nun verpflichtet, zurückzutreten. Staatspräsident Zeman hat allerdings angekündigt, Babiš kommissarisch weiterregieren zu lassen und ihm eine zweite Chance zur Mehrheitsfindung zu geben. Beide Politiker pflegen ein enges Verhältnis zueinander.

EU-Behörde: Babiš soll zurückzahlen

Seit Längerem steht Babiš wegen Betrugsvorwürfen unter Druck. Dabei geht es um das Wellness-Zentrum "Storchennest" bei Prag, das Babiš einst gehörte. Es wurde mit EU-Fördermitteln errichtet. Nach Angaben des tschechischen Finanzministeriums hat das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) "Unregelmäßigkeiten" ermittelt. Der Untersuchungsbericht war bereits im Dezember an die Prager Behörde gegangen, sie hat ihn aber erst kürzlich in Teilen veröffentlicht.

Die europäischen Antikorruptionskämpfer empfehlen darin dem Finanzministerium, die gezahlten Fördermittel in Höhe von umgerechnet knapp 1,7 Millionen Euro zurückzufordern. Das Prager Finanzministerium will die Empfehlung nach eigenen Angaben auch umsetzen. Weitere Details zu den Ermittlungsergebnissen wollte die OLAF-Behörde auf Anfrage von HEUTE IM OSTEN nicht nennen.  

OLAF Die Abkürzung steht für "Office Européen de Lutte Anti-Fraude", übersetzt "Europäisches Amt für Betrugsbekämpfung". Die Behörde in Brüssel hat als einzige in der EU den Auftrag, Betrug bei der Verwendung von EU-Mitteln aufzudecken. Das Amt darf bei Ergebnissen lediglich Maßnahmen empfehlen, hat aber keine Befugnis, Straf- oder Disziplinarverfahren einzuleiten.

Babiš versteht Vorwürfe nicht

Regierungschef Babiš wiegelte die Ermittlungsergebnisse bereits ab. Im tschechischen öffentlich-rechtlichen Fernsehen sagte er, er verstünde nicht, warum ihn alle nach der EU-Antikorruptionsbehörde OLAF fragten. Er sei von den Ermittlern bislang nicht persönlich befragt worden und sei sich sicher, dass sein Name im Untersuchungsbericht gar nicht erwähnt sei.

EU-Förderung nicht für Konzern gedacht

Das Wellness-Areal "Storchennest" knapp 50 Kilometer südlich von Prag ist mit EU-Subventionen gebaut worden, die an kleine und mittlere Unternehmen ausgezahlt werden durften. Doch hinter dem "Storchennest" stand in der Vergangenheit keine mittelständische Firma, sondern der Agrofert-Konzern des mehrfachen Milliardärs. Babiš hat die Geschäftsführung des Konzerns im Februar 2017 an zwei Trusts abgegeben. Tschechischen Medienberichten zufolge sitzt im Vorstand seine Ehefrau.

Ob es gegen Babiš zu einem Prozess in der Sache kommen wird, ist unklar. Die Polizei hat beim Parlament eine entsprechende Aufhebung der Immunität beantragt. Darüber berät derzeit ein Parlamentsausschuss, der von Babiš‘ Partei geleitet wird.

(dpa/baz)

Über dieses Thema berichtete der MDR auch im: Hörfunk | 05.01.2018 | 17:45 Uhr