Rumänien Rumänien: Staatsanwälte sollen an die kurze Leine

21. Dezember 2017, 22:36 Uhr

Kurz vor der Weihnachtspause hat der rumänische Senat seine umstrittene Justizreform gebilligt. Kritiker befürchten, dass damit Staatsanwälte und Richter politisch eingeschüchtert werden sollen, um heikle Ermittlungen zu umgehen oder gefällige Urteile zu liefern. In den vergangenen Wochen hatte das Tausende Menschen zum Protest auf die Straße getrieben.

Trotz zahlreicher Straßenproteste hat der rumänische Senat am Mittwoch seine umstritten Justizreform gebilligt. Die regierenden Sozialdemokraten (PSD) und Liberalen (ALDE) halten in der Kammer die Mehrheit. In der vorigen Woche hatte die Abgeordnetenkammer den Entwürfen bereits grünes Licht gegeben - trotz heftiger Kritik von Richtern und Staatsanwälten, der EU sowie der US-Botschaft in Bukarest. Die befürchten, dass Ermittlungen gegen korrupte Politiker wieder verschleppt und der Rechtsstaat damit geschwächtt wird.

Was steckt im Gesetzespaket?

Rumänien - Rumänisches Parlament
Blick aufs rumänische Parlament in Bukarest, das aus Senat und Abgeordnetenkammer besteht. Bildrechte: MDR/Annett Müller

Neu geregelt wird unter anderem die Rechtsstellung der Richter und Staatsanwälte. Staatsanwälten wird in ihrem Statut bislang explizit die Unabhängigkeit garantiert - ein Passus, der nun gestrichen wurde. Im Statut steht nunmehr, dass sie den Prinzipien der Unparteilichkeit zu dienen haben und unter der Aufsicht des Justizministeriums arbeiten sollen. Kritiker befürchten damit politische Einflussnahme bei heiklen Fällen - eine gängige Praxis in Rumänien, bevor das Land in die EU kam. Zudem sollen Vorgesetzte die Ermittlungen ihrer Staatsanwälte annullieren können, wenn sie diese für "unsolide" oder null und nichtig halten. Rechtsexperten kritisieren, das öffne der Willkür Tür und Tor.

Auch sollen Richter und Staatsanwälte künftig mit ihrem persönlichen Vermögen für Justizirrtümer zur Haftung verpflichtet werden. Dies wird als Einschüchterung der Strafverfolger und der Gerichte gewertet. Bislang haftet der Staat in diesen Fällen. Wer von beiden - ob der Richter oder der Staatsanwalt zur Kasse gebeten werden - lässt eine Kann-Regelung offen.

Auch Änderungen im Strafrecht geplant

In der Diskussion sind im Parlament derzeit auch Änderungen des Strafrechts. So sollen Staatsanwälte künftig nicht mehr über laufende Verfahren informieren dürfen, selbst wenn damit Tatverdächtige schneller gefunden werden könnten. Beschuldigte sollen künftig bei jeder Anhörung von Zeugen teilnehmen dürfen, was diese einschüchtern könnte. Die Chefin der Antikorruptionsbehörde DNA, Laura Kövesi, kritisierte dieser Tage scharf, dass Tatverdächtige künftig auch über Ermittlungen werden sollen. Ein Überführen korrupter Politiker auf frischer Tat wäre damit völlig unmöglich.

Federführung hat zurückgetretener Justizminister

Die geplante Justizreform ist nicht nur inhaltlich umstritten, sondern auch formell. Sie wurde in Windeseile durch den zuständigen Parlamentsausschuss gepeitscht. Änderungsanträge der Opposition hörte die Mehrheit von sozialdemokratischer PSD und liberaler ALDE erst gar nicht an.

Hinzu kommt, dass der zuständige Ausschuss vom früheren Justizminister Florin Iordache geleitet wurde, der im Februar mit einem umstrittenen Dringlichkeitserlass für einen riesigen Vertrauensverlust in Rumänien sorgte. Die Regelung sah vor, Politiker, die in ihrem Amt bis zu 45.000 Euro veruntreut haben, straffrei zu lassen, eine hohe Summe für das osteuropäische Land, wo der Brutto-Durchschnittslohn bei 720 Euro liegt. Der Erlass wurde nach wochenlangen Massenprotesten zurückgenommen, Iordache trat als Justizminister zurück. Nun werfen ihm Kritiker vor, sich bei der neuen Reform erneut profilieren zu wollen.

Proteste fallen kleiner aus als zu Jahresbeginn

Die Reformpläne trieben in den vergangenen Wochen Tausende Menschen auf die Straße. Massenproteste mit Hunderttausenden Menschen wie im Februar blieben aber bislang aus - auch wenn die Vorstöße der Parlamentarier jetzt viel weitreichender sind als der Dringlichkeitserlass am Anfang des Jahres. Doch für viele Rumänen ist das Thema zu abstrakt und vielschichtig. Die Folgen - eine deutliche Schwächung des Rechtsstaates und des Anti-Korruptionskampfes - werden nach Meinung rumänischer Rechtsexperten nicht umgehend spürbar sein, aber könnten langfristig gesehen mehr Schaden anrichten.

Präsident kann Gesetz nur verzögern

Das am Donnerstag verabschiedete Gesetzespaket tritt nicht umgehend in Kraft. Präsident Klaus Johannis, der es unterzeichnen muss, wird es mit großer Wahrscheinlichkeit zur Überarbeitung ans Parlament zurückschicken. Johannis sagte in dieser Woche, mit der Verabschiedung der umstrittenen Reform riskiere Rumänien ein ähnliches Sanktionsverfahren, wie es die EU-Kommission am Mittwoch gegen Polen aktiviert hat.

Johannis kann das Reformpaket jedoch nur einmal ans Parlament zurückweisen. Ihm bleibt dann nur noch die Prüfung des Gesetzespaketes vor dem Verfassungsgericht. Bekommt es dort grünes Licht, muss auch der Staatschef die Neuregelungen absegnen.

Europarat prüft Pläne

Die umstritte Justizreform ist derzeit auch ein Thema für den Europarat. Die von ihm gegründete Staatengruppe gegen Korruption (Greco) leitete Mitte Dezember ein außerordentliches Eilverfahren ein, mit dem die Reform bewertet werden soll. Die Greco-Staatengruppe kann lediglich Kritik üben und Empfehlungen aussprechen. Dennoch hat die Gruppe in der Vergangenheit auch Gesetzesänderungen in Rumänien bewegt.

(am/hotnews/KAS/dpa)

Über dieses Thema berichtet MDR AKTUELL auch im: Radio | 12.12.2017 | 04:00 Uhr