Wie ein Lied in Ungarn für Gelächter sorgt Olle Kamelle zu Ehren des Volksaufstands

15. September 2016, 15:00 Uhr

Für die Feiern zum 60. Jahrestag des Volksaufstands von 1956 orderte Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán beim berühmten amerikanischen Songwriter Desmond Child für 50 Millionen Forint einen schmissigen Song. Und bekam - eine olle Kamelle.

Er hätte den Jubiläumsfeierlichkeiten für den Ungarn-Aufstand von 1956 das gewisse Extra verleihen sollen: Ein Song, komponiert von einem weltberühmten Songwriter, der die Helden von damals ehrt und die Herzen der Ungarn von heute vereint. Das oder ähnliches mag sich Ministerpräsident Viktor Orbán gedacht haben, als er höchstpersönlich während einer USA-Reise den ungarisch-stämmigen Komponisten und Musik-Produzenten Desmond Child mit einem Lied zu Ehren des blutig niedergeschlagenen Aufstands von 1956 beauftragte.

Großer Aufwand für die Jubiläumsfeierlichkeiten

Das Gedenken an den Aufstand, der vor 60 Jahren blutig von sowjetischen Truppen niedergeschlagen wurde, ist für die Ungarn ein wichtiges Jubiläum. Mit dementsprechend viel Aufwand werden derzeit die Vorbereitungen für den Jahrestag betrieben: Insgesamt 13.5 Milliarden Forint (knapp 44 Millionen Euro) hat die Regierung für die Feierlichkeiten, die ein Jahr andauern sollen, zur Verfügung gestellt. Nur das Beste ist gut genug.

"Ungarn riecht nach Fisch"

Desmond Child schien daher wie gemacht für den Job. Schließlich hat er in seiner langen Karriere als Komponist und Produzent mehr als 400 Songs geschrieben -  unter anderen für Cher, Robbie Williams, Aerosmith, Bon Jovi und Tokio Hotel. Zwar lebt er in den USA, aber er besitzt einen ungarischen Vater und seit Februar 2016 auch einen ungarischen Pass. Da Child kein Ungarisch kann, steuerte der Songwriter Tamás Orbán – in Ungarn vor allem bekannt für die ungarische Fassung des "Schlumpf"-Liedes - den Text zum Revolutionssong bei. Das Ganze schien ein echter Coup zu sein.

Doch es kam anders. Erste Irritationen gab es bei der Vorstellung des Revolutionssongs vor Pressevertretern in Budapest. Der Titel des Liedes lautet sinnigerweise: "Für ein freies Land" (Egy szabad országért). Der Refrain des Songs beginnt mit den Worten: "Ungarn, höre unsere Stimmen" (Magarország, halld szavunk). Doch nahezu alle anwesenden Journalisten meinten verstanden zu haben: "Ungarn riecht nach Fisch" (Magyarország halszagú). "Ungarn, höre unsere Stimme" und "Ungarn riecht nach Fisch" klingt im Ungarischen ganz ähnlich. Vielen Ungarn ging es genauso wie den Journalisten, als sie das Lied später im Radio hörten. Es gab unzählige hämische Kommentare in Internetforen und die patriotische Stimmung war jedenfalls dahin.    

Einen alten Song recycelt

Der eigentliche Ärger begann aber, als das Internetportal "444.hu" aufdeckte, dass Child die Hymne keineswegs eigens für diesen Anlass komponiert hatte, sondern schlicht einen seiner alten Songs genommen und einfach neu orchestriert hatte. "Steps of Champions" hieß das Stück in der Originalfassung von 2007 und pries damals den Erfolg von Studenten der Universität von Miami in einem Wettkampf amerikanischer Universitäten. Die Empörung darüber, zur Feier des Ungarn-Aufstandes und seiner Helden ein recyceltes Lied für eine amerikanische Universität vorgesetzt zu bekommen, schlug hohe Wellen, viele Ungarn forderten, den Song sofort zurückzuziehen.

Wieviel Honorar wurde an Child gezahlt?

Und auch die Frage, warum der ungarische Steuerzahler dafür auch noch 50 Millionen Forint (knapp 162.000 Euro) berappen soll, wurde gestellt. 50 Millionen Forint - das ist zumindest die Summe, die die zuständige Regierungsstelle als Honorar an Desmond Child bezahlt haben will. Desmond Child dagegen bestreitet, für die Lizensierung des Songs überhaupt Geld genommen zu haben. Der ungarische Staat hätte lediglich für die direkten Produktionskosten aufkommen müssen. Da drängt sich natürlich schnell die Frage auf, wo genau die 50 Millionen Forint hingekommen sind. Viktor Orbáns Pressechef, Bertalan Havasi, hatte "444.hu" gegenüber für die peinliche Angelegenheit nur einen recht schmallippigen Kommentar übrig: "Der Ministerpräsident befasst sich nicht mit künstlerischen Konzepten oder Geschmacksfragen, sondern spornt jeden zur kreativen Arbeit an." Und so mutmaßen viele der korruptionsgeplagten Ungarn, dass in diesem Fall wohl auch die Buchführung kreativ war.