Grausamer Fürst Uni Gießen forscht über Dracula

14. Oktober 2018, 14:22 Uhr

Hunderte Filme handeln vom blutsaugenden Vampir Dracula - einer weltberühmten Phantasiefigur. In der Realität aber war Dracula ein walachischer Fürst, der im 15. Jahrhundert versuchte, eine autoritäre Herrschaft zu etablieren. Ein Gespräch mit Historiker Thomas Bohn von der Justus-Liebig-Unversität Gießen über die grausame Abschreckungspolitik des Fürsten und warum Dracula 540 Jahre nach seinem Tod noch immer die Wissenschaft beschäftigt.

Vielen Deutschen fällt bei Rumänien vor allem Dracula ein. Wie erklären Sie sich diesen großen Bekanntheitsgrad?

Dracula ist ein Mythos und viele Deutsche denken an den Vampir-Grafen, der in Transsylvanien sein Unwesen trieb und der vom irischen Schriftsteller Bram Stoker erfunden wurde. Auch glauben die meisten, Transsylvanien sei ein fiktiver Ort, obwohl es sich hier um die historische Landschaft Siebenbürgen handelt. Sie war zu Stokers Lebenszeit als Teil der Karpaten ein mythenumrankter Ort, der für die Exotik des Ostens stand.

Warum erzeugt Dracula aber heute noch so viel Interesse?

Weil der Roman von Stoker gut gemacht ist. Er war der Stoff für zahlreiche Kinofilme, darunter für "Bram Stoker's Dracula" – einem Streifen des weltbekannten US-Regisseurs Francis Ford Coppola. Doch wer heute von Dracula spricht, meint den Vampir-Grafen und kommt gar nicht auf die Idee, dass damit auch die historische Figur von Vlad Tepes - auf deutsch "Vlad dem Pfähler" - gemeint ist.

Vlad Tepes war ein walachischer Fürst, der im 15. Jahrhundert herrschte und vor allem durch seine Grausamkeit bekannt war. Was hat er konkret gemacht?

Sein Fürstentum - die Walachei (heute südliche Region Rumäniens) - war lange die Pufferzone zwischen Ost und West. In der Herrscherzeit von Vlad Tepes drängten osmanische Truppen nach Europa vor, denen er Paroli bieten wollte. Er war durchaus ein talentierter Feldherr und ein geschickter Diplomat, der den ungarischen Hof und die lateinische Welt überzeugen wollte, ihm Beistand gegen die Osmanen zu leisten. Er war allerdings zu unbedeutend, um im Mächtegerangel der damaligen Zeit Gehör zu finden.

Was machte ihn aber so grausam?

Der Fürst betrieb eine drastische Abschreckungspolitik, er war in dieser Hinsicht radikaler als andere Militärführer. Er hat Überlebende besiegter Truppen öffentlich hinrichten lassen und ihre Köpfe auf Pfählen aufgespießt zur Schau gestellt. Wegen dieser Hinrichtungsmethode wurde er "Vlad der Pfähler" genannt. Diese Methode hatte er sich übrigens von den Osmanen abgesehen, bei denen er als Jugendlicher lange in Geiselhaft war.

War der walachische Aristokrat in seiner Grausamkeit beispiellos in Europa?

Grausamkeit war im 15. Jahrhundert ein weit verbreitetes Mittel der Politik. Vlad der Pfähler hat die Dinge aber sprichwörtlich auf die Spitze getrieben. Bekannt wurde er in Europa, weil damals gerade der Buchdruck entstand und Erzählungen oder Anekdoten über Flugblätter schnell unter die Massen gebrachten werden konnten. Der walachische Fürst war im wahrsten Sinne des Wortes ein Medienereignis. Er wurde aber als Sadist präsentiert, der der christlichen Gesinnung nicht entsprach. Es gab schon damals viele Horrorgeschichten über ihn, die gewissermaßen den Grusel-Roman von Bram Stoker vorweggenommen haben.

Fürst Vlad Tepes Der walachische Aristokrat wollte nach orientalischem Vorbild eine autoritäre Herrschaft etablieren und einen Kreuzzug gegen das Osmanische Reich führen. Vlad Tepes lebte von 1431-1476. Als Vorlage für Bram Stokers blutrünstigen Vampir "Dracula" erlangte er weltweite Berühmtheit.

Der walachische Fürst trug den Spitznamen Dracula, den Bram Stoker später auch für seinen Horrorroman nutzte. Wie kam der Aristokrat dazu?

Durch seinen Vater Vlad Dracul, von dem man annimmt, dass er Ritter im Drachenorden Kaiser Sigismunds war – einem katholischen Adelsorden im 15. Jahrhundert, der sich zuerst gegen die Hussiten und dann gegen die Osmanen richtete. Der Beiname Dracul (deutsch: Drache) war zwar ein Synonym für das Böse, stand aber auch für einen leistungsstarken Herrscher.

"Dracula" kann man hingegen mit "kleiner Drache" übersetzen - einen Titel, der für den Junior gedacht war. Sohn Vlad Tepes hat diesen Namen in seinem Schriftverkehr mit dem Ausland genutzt, um klarzustellen, dass er zum lateinischen Abendland gehört und den Osmanen Paroli bieten will. Der schillernde Klang des Wortes "Dracula" inspirierte übrigens den irischen Autor Bram Stoker, seinen Vampir-Grafen so zu nennen. Wie genau Stoker aber die historische Figur kannte, ist fraglich.

Wäre Vlad Tepes ohne den Roman von Bram Stoker heute noch ein Thema für uns?

Der irische Schriftsteller hat dem Fürsten tatsächlich zu Weltruhm verholfen, wenngleich Vlad Tepes bei ihm nur am Rande als Türkenkrieger auftaucht. Unser interdisziplinäres Forscherteam hat jetzt eine Dokumentation des Regionalherrschers vorgelegt, aus der eine historische Biographie erwachsen soll. Vlad Dracula ist übrigens ein attraktives Uni-Thema, um Studierende zu ermuntern, über den Tellerrand der deutschen Geschichte hinauszuschauen. Das östliche Europa bietet hier viele Spannungsmomente.

Historiker Thomas Bohn von der Justus-Liebig-Universität Gießen
Wissenschaftler Thomas Bohn Bildrechte: Justus-Liebig-Universität Gießen

Der Historiker Thomas Bohn lehrt seit 2009 als Professor für Osteuropäische Geschichte an der Universität Gießen. Zuletzt leitete er ein Forschungsprojekt, dass das Leben von Vlad dem Pfähler aufarbeitete. In der Dokumentation "Corpus Draculianum" sind alle Quellen über den Fürsten aus knapp zwei Jahrhunderten vereint.

So mancher Rumäne verehrt den finsteren Fürsten bis heute als Architekt eines starken Staates. Was halten Sie davon?

Absolut nichts. Es gibt in Rumänien rechte Splittergruppen, die sich auf Vlad Dracula berufen. Sie wollen ihn als Figur wieder flott machen und als starken Mann in den Vordergrund rücken. Solche Verzerrungen sind absolut fragwürdig, genauso wie die Stilisierung seiner Person als Vampir für die Tourismusbranche.

(amü)

Über dieses Thema berichtete der MDR auch im Fernsehen: Lexi TV | 15.03.2018 | 15:00 Uhr