Osteuropäische Arbeiter in Deutschland Ausbeutung in der Fleischindustrie?

02. Februar 2018, 18:00 Uhr

Es sind vor allem Menschen aus Osteuropa, die in deutschen Schlachthöfen über Subunternehmen angestellt sind. Es seien mehr als je zuvor und viele befinden sich in einem "sklavenähnlichen Beschäftigungsverhältnis", kritisiert die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten.

Bolzenschuss setzen, Därme entfernen, in Einzelteile zerlegen, – und das am Fließband: Die Arbeit in der Fleischindustrie ist ein Knochenjob. Nicht nur wegen der Tätigkeit selbst – Mitarbeiter beklagen seit Jahren auch die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung. Das hat dazu geführt, dass kaum noch Deutsche diesen Job übernehmen wollen. So erledigen inzwischen vor allem Rumänen und Bulgaren diese Arbeit – und das in einem "sklavenähnlichen Beschäftigungsverhältnis", sagt ein Gewerkschafter.

Denn nur ein Teil der Belegschaft ist noch bei den großen Fleischproduzenten selbst angestellt. Der Rest: bei Subunternehmern. "Diese Zahl ist heute auf einem Höchststand", sagt Thomas Bernhard. Der Referatsleiter Fleisch in der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) schätzt, dass in den industriellen Betrieben rund 80 Prozent der Schlachter und Zerleger so beschäftigt werden. Und das betrifft vor allem Nicht-Deutsche. So sei es etwa bei einem der größten in der Branche: Tönnies.

Zwar erhalten die Arbeiter – Stand heute – einen Mindestlohn von 8,75 Euro, doch vielen wird noch Geld für Arbeitsmittel und einigen sogar für die Unterkunft abgezogen. Der Auszahlungsbetrag minimiert sich so. Doch wie ist es in dem früher gut bezahlten Handwerk dazu gekommen?

Teilweise katastrophale Arbeitsbedingungen

So genannte Kontingentarbeiter hat es auch früher gegeben – sowohl in der DDR als auch in der alten Bundesrepublik. Doch das heutige Ausmaß neu.

Schweinehälften auf einem Fliesband.
Die Arbeit in einem Schlachthof ist ein Knochenjob. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

So richtig begonnen hat diese Praxis dann Mitte der Neunziger Jahre, als viele osteuropäische Länder Beitrittskandidaten für die Europäische Union (EU) wurden. Seitdem war es über ein kompliziertes Zulassungsverfahren möglich, Arbeiter für bestimmte Tätigkeiten und  für eine bestimmte Zeit nach Deutschland zu holen, erklärt Bernhard von der NGG. Für die Unternehmen waren die Arbeiter günstig. Die Arbeiter konnten, gemessen an den Durchschnittslöhnen ihrer Herkunftsländer, gutes Geld verdienen.

Wenige Jahre später, mit dem Beitritt dieser Länder in die EU, wurden diese Regeln gelockert. Schließlich wurden die Türen für die Arbeiter mit der Neuregelung der Arbeitnehmerfreizügigkeit im Jahr 2004 endgültig geöffnet. 

Offizielle Anstellung in der Heimat, Arbeit in Deutschland

Seitdem seien in einigen Ländern "jeder Depp mit dem Lasso" unterwegs gewesen, um die Menschen für die Arbeit in Deutschland einzufangen, sagt NGG-Mitarbeiter Bernhard. Diese Subunternehmen waren fast alle in den Heimatländern der Arbeiter ansässig.

Die Menschen wurden offiziell etwa in Rumänen angestellt und dann zur Arbeit nach Deutschland geschickt. Da die Entsendearbeiter offiziell in Deutschland nicht in einem arbeitsvertraglichen Verhältnis standen, entfielen auch die Sozialabgaben, heißt es in einem Bericht des Fleischatlas 2016 der Heinrich-Böll-Stiftung. Löhne um die 5 Euro seien normal gewesen. Die Arbeitsbedingungen waren teilweise katastrophal.

Arbeiter haben ständig Angst vor Kündigung

Diese Situation hat erst angefangen sich zu verbessern, als die Unternehmen der Fleischindustrie im Oktober 2015 eine Selbstverpflichtung unterschrieben. Seitdem haben fast alle Mitarbeiter deutsche Arbeitsverträge und zahlen auch hier Sozialabgaben. Teilweise arbeiten sie bei deutschen Firmen, teilweise haben die ursprünglichen Arbeitgeber einfach Zweigstellen in Deutschland gegründet.

Doch damit ist noch längst nicht alles gut. "Viele sind auch heute noch in einem sklavenähnlichen Beschäftigungsverhältnis", sagt Bernhard. Unbezahlte Überstunden, fehlende Zuschläge für Nacht- oder Sonntagsdienste, miese Unterkünfte sind Realität. Dazu komme die ständige Angst der Rumänen, Bulgaren, Polen oder Ungarn vor einer Kündigung.

Wie die Arbeiter mit dieser Situation umgehen, darüber berichtet MDR exakt auch im: Fernsehen | 12.07.2017 | 20:15 Uhr

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