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Es ist die erste Passionszeit für den neuen Thomaskantor Andreas Reize. Bildrechte: imago images/foto-leipzig.de

Gespräch"Die Matthäus-Passion ist die emotionalste Passion, die ich kenne"

21. April 2023, 10:10 Uhr

Der Schweizer Andreas Reize ist der achtzehnte Thomaskantor nach Johann Sebastian Bach. Die Matthäus-Passion, die er mit dem Thomanerchor zu Ostern aufführen wird, ist der musikalische Mittelpunkt der Passionszeit und neben den Konzerten der Weihnachtszeit einer der Fixpunkte im Jahresablauf des Chors.

MDR KULTUR: Herr Reize, nachdem die Adventszeit coronabedingt wieder ziemlich turbulent für den Chor war, die Sänger digital proben mussten: Lernen Sie den Chor in der Passionszeit eigentlich – im hoffentlich normalisierten Probenbetrieb – nochmal richtig kennen?

Andreas Reize: Ich denke, einen Knabenchor, den lernt man jeden Tag neu kennen, weil die Jungs sich auch so schnell verändern. Ein Junge, der heute noch beim Sopran singt, ist vielleicht übermorgen schon nicht mehr da. Zum Glück habe ich den Chor wirklich gut kennengelernt als ich im September angefangen habe. Bis November konnten wir normal proben, dann ging es pandemiebedingt nicht mehr. Wir haben so gut es eben ging weiter geprobt und rund die Hälfte der Matthäus-Passion über das Internet geprobt, was eigentlich schrecklich ist. Aber wir haben es durchgezogen und die Jungs haben mitgemacht.

Nun gibt es von Bach auch ein Oster-Oratorium, nicht zu vergessen die Markus- oder Johannes-Passion. Die Matthäus-Passion aber ist das meistgespielte Passionswerk Bachs. Haben Sie eine Erklärung dafür?

Die Matthäus-Passion ist die emotionalste Passion, die ich kenne. In ihr ist das Menschliche stark zu spüren. Wir haben im Gegensatz zur Johannes-Passion am Ende den Auferstehungsgedanken. Das ist, als würde sich die ganze Gemeinde am Ende von dem Toten Jesus verabschieden. Und da kann man auch an einen geliebten Menschen denken. Alle rufen im letzten Chor in das Grab hinein und wünschen eine gute Ruhe. Das ist für mich emotional sehr aufwühlend bei der Matthäus-Passion.

Dazu kommt auch in diesem Jahr wieder internationales Publikum nach Leipzig. Für Sie ist es das erste Dirigat dieses Werkes mit dem Thomanerchor. Empfinden Sie da so ein wenig Druck? 

Der Druck kommt mit dem Werk an und für sich. Es ist eines der bedeutendsten Werke der Musikgeschichte. Ich habe es schon oft dirigiert und trotzdem ist es jedes Mal wieder eine Herausforderung. Ich habe mir viel Zeit genommen, um das Werk völlig neu anzugehen. Obwohl Bach keine Opern geschrieben hat, ist die Matthäus-Passion für mich die dramatischste geistige Oper, die es überhaupt gibt. Und so gehe ich das Stück an mit dem Gewandhausorchester und den Solisten. 

Wie gestaltet sich das gemeinsame Musizieren mit dem Gewandhausorchester? 

Das ist eine besondere Freude, weil sich in den letzten Monaten eine tolle Zusammenarbeit ergeben hat. Wir fühlen uns einander sehr verbunden. Ich fühle mich getragen vom Gewandhausorchester.

Sie sind als Thomaskantor in große Fußstapfen getreten. Wie sind Sie mit dem Erwartungsdruck umgegangen?

Der Fokus auf den Thomaskantor, auf das Thomaskantorat, das ist in Leipzig wirklich stark zu spüren. Das ist aber auch toll. In welcher anderen Stadt kommen Sie an und sehen am Bahnhof das Logo des Gewandhauses und das des Thomanerchors?

Das Gespräch führte für MDR KULTUR Annett Mautner.

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Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | MDR KULTUR am Nachmittag | 14. April 2022 | 17:10 Uhr