Architektur-Mythen des Bauhauses So hell, so transparent: Der Bauhaus-Mythos vom Glashaus
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Vor 100 Jahren wurde das Bauhaus gegründet, die berühmteste Kunst-Schule der Moderne. Viele verbinden die Architektur des Bauhauses mit Helligkeit und Transparenz – mit dem Einsatz von Glasfassaden. Doch wie praktisch ist dieses Schaufenster der Moderne? Wie rationell war die Produktion in einer Zeit, die noch nicht reif war für die Gestaltung großer Glasflächen? Und wieviel Transparenz steckt generell in der Bauhaus-Architektur, jenseits der ikonischen Gebäude?
Wer an das Bauhaus denkt, der sieht das Dessauer Gebäude vor sich mit der wunderbaren Glasfassade von Walter Gropius. Hier wurde die Architektur mit einem Mal zum Schaufenster. Und die Transparenz – sie wurde zum Markenzeichen des Bauhauses, sagt der Architekturhistoriker Werner Möller vom Bauhaus Dessau. Man erlebe sie direkt, wenn man in das Gebäude hereintrete.
Sie gucken auf einmal auf ein großes ungeteiltes Fenster, also wie ein Schaufenster oder einen Landschaftsausblick, und sehen wiederholt den Werkstattflügel mit seiner großen Glasfassade. Diese Durchsicht wird zum Programm: dass Sie eine Verschaltung von Innen- und Außenraum haben.
Der große Durchblick
Wer im Glashaus sitzt, kann hinausschauen – und er kann von außen gesehen werden. Diese wechselseitige Durchdringung gehört zu den Prinzipien der Moderne. Für das Bauhaus war die Transparenz deswegen auch ein politisches Statement. Die Auflösung von Architektur und Raum sei mit Begriffen wie "Demokratisierung der Architektur" in Verbindung gebracht worden, so Möller. So wurde das Glas zum Symbol für eine transparente Demokratie, die nichts zu verbergen hat – und zum Mythos der modernen Architektur.
Gleichzeitig war die Transparenz auch ein Mittel der Inszenierung, um das Bauhaus als gläserne Fabrik zu inszenieren. Hier sei es nicht nur um die Optik, sondern auch um das akustische Design gegangen, erklärt der Architekturhistoriker. Wenn man die Fenster im Dessauer Bauhausgebäude mit dem Kettenmechanismus öffne, in einem Haus also ohne Polsterung oder Teppichboden, sondern mit Steinholzestrich – dann spüre man das.
Da gehen diese Geräusche unreflektiert eins zu eins durch. Und das war natürlich auch eine Begeisterung der Zeit.
Im Alltag nicht praktisch
Doch so schön das alles war – die Glasfassade hatte einen gewaltigen Nachteil: Sie war überhaupt nicht funktional. Philipp Oswalt, Architekturprofessor in Kassel und früherer Direktor des Bauhauses Dessau erzählt, die Einfachverglasung habe dafür gesorgt, dass es "schweineheiß im Sommer, saukalt im Winter" gewesen sei.
Soviel Glas braucht man aus Gebrauchsgründen gar nicht, es ist sogar zu viel Licht.
Zu hell, zu heiß oder zu kalt – das waren die Nachteile. Doch das Gebäude sollte maximal transparent sein – und deshalb bestand Gropius auf eine Einfachverglasung.
Nicht überall war Glas
Der Dessauer Werkstattflügel beflügelte den Mythos vom gläsernen Bauhaus. Doch das gilt nur sehr eingeschränkt für die 1920er-Jahre. Damals war die Herstellung von großen Glasflächen extrem schwierig und außerdem sehr teuer. Deshalb gab es auch keine großen Fensterflächen – wie beispielsweise bei den Siedlungshäusern in Törten. Und auch bei den Meisterhäusern ging man eher spärlich um mit dem Glas.
Doch im Gedächtnis bleiben eben die lichtdurchfluteten Bauten, die später errichtet wurden. Wie der berühmte Barcelona-Pavillon von Mies van der Rohe oder seine Villa Tugendhat im tschechischen Brünn. Denn dort sitzen Bewohner und Gäste tatsächlich fast wie im Glashaus.
Kulturtipp:
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 14. Januar 2019 | 08:40 Uhr