Preissteigerungen und Lieferstopps Wie die Glasbläserstadt Lauscha mit der Gaskrise umgeht
Hauptinhalt
Der Lauschaer Christbaumschmuck steht auf der Liste des Immateriellen Kulturerbes. Doch nun bringt der explodierende Gaspreis viele Kunsthandwerker in Schwierigkeiten. Mögliche Lieferstopps von russischer Seite könnten für weitere Probleme sorgen.

Lauscha und das Glas, das ist nicht auseinander zu denken. Auf der Straße des Friedens, die sich quer durchs Städtchen zieht, reiht sich ein Glasgeschäft ans Nächste. In einem sitzt Andreas Tresselt an der Werkbank, vor sich ein Brenner mit weiß-blauer Flamme. Der Glasbläsermeister hält eine Art Trinkhalm aus rotem Glas drüber und bläst in das Stäbchen hinein, bis sich langsam eine Kugel bildet: "Man sieht es sofort, neben dem Glas sind Gas, Luft und Sauerstoff für uns die wichtigsten Arbeitsstoffe. Sprich – ohne Gas geht bei uns hier gar nichts."
Seit über 30 Jahren arbeitet Tresselt als Glasbläser in Lauscha, er formt kunstvolle Christbaumkugeln, Glasinsekten, Glasvasen, und Trinkgläser. Ein Job zum Reichwerden war das nie – so hart wie heute war es aber auch nie. Der Gasabschlag hat sich seit Jahresbeginn verdoppelt, da noch schwarze Zahlen zu schreiben, ist kompliziert. Mürbe macht ihn auch, dass völlig unklar ist, was in den kommenden Wochen und Monaten passieren wird: "Stellen die jetzt den Gashahn ab, oder stellen sie ihn nicht ab? Kann man es noch bezahlen, oder kann man es nicht mehr bezahlen? Da ist halt eine große Unsicherheit. Und niemand kann klare Auskunft dazu geben."
Ohne Gas gehen die Öfen aus
So ähnlich geht es vielen in Lauscha. 7.000 Menschen in der Region hängen direkt vom Glas ab, sei es in der Industrie, oder im Kunsthandwerk. Auch in der benachbarten Farbglashütte, wo unter anderem Rohware für Glasbläser wie Tresselt hergestellt wird, ist die Unsicherheit groß. Der Glasofen des Mittelstandsbetriebs wurde vorzeitig in die Sommerpause versetzt, um Kosten zu sparen, denn hier haben sich die Gaspreise verfünffacht. Wann der Ofen wieder angefahren wird, ist noch offen.
Es müsse vor allem sicher gestellt werden, dass die Gasversorgung stabil bleibe, sagt Vertriebsleiter René Seifferth: "Für uns dreht sich alles um den Notfallplan Gas. Offiziell stand in den Medien, dass die Glaskeramikindustrie auch zum geschützten Bereich gehört und nur in letzter Konsequenz abgeschaltet werden soll. Wie das aber mit uns als Glashersteller für Kulturtradition ist, der keine lebensnotwendigen Produkte macht, weiß ich gar nicht zu sagen."
Suche nach Alternativen zum Gas
Die Glasherstellung ist ein langwieriger Prozess, ein Ofen braucht mehrere Tage, bis er die richtige Temperatur zum Produzieren erreicht hat. Bleibt nach dem Anheizen plötzlich das Gas weg, bleibt der Betrieb auf Tausenden Euro Energiekosten sitzen. So wartet man bei der Farbglashütte derzeit lieber ab, in der Hoffnung, dass sich die Situation doch wieder bessert. Größere Betriebe aus dem Industriebereich versuchen dagegen, vom Gas wegzukommen, das Stichwort heißt "Dekarbonisierung".
"Auf der Bauplanungsebene werden wir gerade mit ersten Überlegungen von Glasherstellern konfrontiert, die versuchen, ihre energetische Situation zu verbessern, in dem sie andere Energieträger ins Spiel bringen", erzählt Lauschas Bürgermeister Norbert Zitzmann. "Wir stehen dem sehr offen gegenüber und wollen versuchen, soweit es in unserer Macht steht, Planungsverfahren hier so schnell als möglich abzuschließen."
Unzufrieden mit der Politik
Welche Ideen genau im Raum stehen, darf Zitzmann noch nichts sagen. Einfach ist es definitiv nicht, das Erdgas zu ersetzen, Einzelkämpfer wie Andreas Tresselt werden vermutlich noch lange auf diesen Energieträger angewiesen sein. So fragt der Glasbläsermeister sich eher, wieso die Politik nicht anders an das Thema herangeht: "Ich kann überhaupt nicht nachvollziehen, warum man das soweit kommen lässt. In der DDR hat es früher immer geheißen – Frieden schaffen ohne Waffen. Warum man jetzt alles auf den Ukrainekrieg schiebt, ist mir ein Rätsel."
Mit dieser Haltung ist Tresselt nicht allein in Lauscha. Einige Menschen fragen sich, wieso man es nicht wieder so macht wie im Kalten Krieg, als die politischen Fronten verhärtet waren, das Gas aber dennoch durch die Leitungen floss. Wenn die Energiepreise noch weiter steigen, so kann es sein, dass der kleine Glasladen im Ortszentrum schließen muss – und mit ihm noch weitere Geschäfte an der Straße des Friedens.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 12. Juli 2022 | 07:10 Uhr