Alte Börse am Naschmarkt in Leipzig: ein historisches Gebäude mit gelb-weißer Fassade, Treppenaufgängen rechts und links und detailreicher Verzierung.
Vor 345 Jahren wurde der Grundstein für die Alte Börse in Leipzig gelegt. Bildrechte: IMAGO / Val Thoermer

Geschichte Wie die Alte Börse die Leipziger Messe modernisiert hat

30. Mai 2023, 04:00 Uhr

Vor 345 Jahren, am 30. Mai 1678, wurde auf dem Naschmarkt hinter dem Alten Rathaus in Leipzig der Grundstein für die Handelsbörse gelegt. Sie war der erste Barockbau der Stadt und ist bis heute eines der markantesten Gebäude.

Die Kaufleute sind unzufrieden. Die einheimischen und, schlimmer noch für eine Messestadt, die auswärtigen Kaufleute. Geschäfte bei Wind und Wetter unter freiem Himmel abzuschließen, ist nicht mehr zeitgemäß. Doch Geld ist nach dem 30-jährigen Krieg in Leipzig knapp, und so beschließt der Rat, erstmal eine Bretterbude vor der Waage auf dem Markt zu errichten. Nicht sehr komfortabel, aber die Händler können wenigstens im Trockenen ihre Geschäfte per Handschlag besiegeln. Nach den Messen wird die Hütte abgebaut.

Van der Beurze erfindet die Börse

Der Brauch, Geschäfte in trockene Tücher zu bringen, während man selbst im Trockenen steht, kommt Mitte des 13. Jahrhunderts auf. Im Hause der Familie van der Beurze in der flandrischen Hafenstadt Brügge treffen sich nach der Überlieferung erstmals Kaufleute, um Geschäfte zu tätigen. Von da aus verbreiten sich der Name, die Idee und später eigens errichtete Gebäude durch ganz Europa. Leipzig ist da ein Nachzügler, als der Rat am 6. Mai 1678 beschließt, auch eine Börse zu errichten.

Alte Börse am Naschmarkt in Leipzig 4 min
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Die Geschäfte der Leipziger Messe gehen vor

Ein Bauplatz ist schnell gefunden: der Obst- oder Naschmarkt hinter dem Rathaus. Allerdings in einer ganz ungewöhnlichen Form: Der Saal soll im Obergeschoss liegen und nicht wie bei allen bis dato gebauten Börsen im Erdgeschoss. Es regt sich Widerspruch, zu finden in einem Protokoll der Ratssitzung vom 6. Mai 1678: "Da sonsten in keiner vornehmen Handelsstadt die Börse in der Höhe, sondern allerorten auf der Erde zu finden ist."

Auch die Außentreppe sei viel zu gefährlich, warnen die Bedenkenträger im Rat. Schließlich würden auf der Börse meist ältere Männer handeln, und denen sei nicht zuzumuten, bei Schnee und Regen die Stufen emporzusteigen. Es kommt zu einem ungewöhnlichen Kompromiss: Man vergrößert das Baugrundstück auf dem Naschmarkt hinter dem Rathaus, um so noch einen kleinen Vorplatz zu schaffen. Als Teil der Börse können dort all jene Kaufleute ihre Geschäfte besiegeln, denen das Treppensteigen schwerfällt. Den Saal ins Erdgeschoss zu verlegen, kommt für die Leipziger nicht infrage: Den Platz will man teuer als Messgewölbe vermieten.

Die Alte Handelsbörse ist Leipzigs erster Barockbau                       

Nachdem die Entscheidung für einen Börsenbau gefallen ist, geht alles ganz schnell, so Chronist Johann Jakob Vogel: "Hierzu ward den 30. Mai des 1678sten Jahres der Grundstein geleget. Anno 1679, den 13. October ward die Börse zuerst eröffnet und anno 1680 vollendet." Was so nicht stimmt. Die Händler stehen in einem Rohbau. Die vier Skulpturen der griechischen Gottheiten Pallas Athene, Venus, Apollo und Merkur werden erst 1683 auf das Dach gehievt. Den Innenstuck soll der berühmteste Stukkateur jener Jahre, der Schweizer Giovanni Simonetti, fertigen. Der vielbeschäftigte Mann wird erst 1678 fertig. 

Mit der Börse beginnt das Zeitalter des Barock in Leipzig. Wer den neuen Baustil in die Messestadt gebracht hat, ist ungeklärt. Ist es der Leipziger Ratsbaumeister Christian Richter oder der Dresdner Oberlandbaumeister Johann Georg Starcke? Von ersterem gibt es eine Zeichnung der Börse, für letzteren spricht, dass er mit dem Lusthaus im Italienischen Garten einen sehr ähnlichen Bau in Dresden entworfen hat.

Selbst wenn es ein Dresdner Vorbild gibt, die Leipziger setzen selbstbewusst ihr Stadtwappen über das Eingangsportal. Dass jedermann sogleich sieht, die Börse ist ein städtisches Gebäude. Mit der Börse hat Leipzig eines seiner schönsten Gebäude bekommen. Das sogar erhalten bleibt, als die Leipziger 200 Jahre später eine neue, größere Börse bauen und die Börse am Naschmarkt zur Alten Börse wird. Ihren Saal nutzen nun die Stadtverordneten für Sitzungen.   

Kunst statt Geschäfte

Im Zweiten Weltkrieg brennt auch die Börse aus. Die Bilder und kunstvollen Stuckornamente des Saales sind unwiederbringlich verloren. Im Gegensatz zu anderen historischen Bauten wird die Börse ab 1955 wieder aufgebaut. Statt Kaufleuten soll sie Heimstätte von Gelehrten werden. Allerdings erwiesen sich die Handelsgewölbe im Erdgeschoss als ungeeignet für Archive und Büros der Sächsischen Akademie der Wissenschaften. Und so wird aus dem Geldtempel ein Musentempel. Seit 1962 finden in der Alten Börse Lesungen und Konzerte statt.

Redaktionelle Bearbeitung: Hendrik Kirchhof

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 30. Mai 2023 | 06:40 Uhr