Querschnitt: Kultur Wie diese Männer "des Kaisers Handy" in der Börde erhalten
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Die optische Telegrafie gab es nur 16 Jahre lang – von 1833 bis 1849. Doch die Spuren dieser Technik finden sich noch heute zwischen Berlin und Koblenz. In Neuwegersleben in der Börde versuchen zwei Männer mit einem Museum, die Geschichte der Telegrafie zu bewahren. Ehrenamtlich und mit viel Herzblut.

Es ist ein auf den ersten Blick unscheinbares Gebäude, das am Ortseingang zu Neuwegersleben in der Börde steht. Doch hinter dem Naturstein-Bau mit dem großen Mast auf dem Dach steckt ein wahrer historischer Schatz.
Optische Telegrafie zwischen Berlin und Koblenz
Denn das Gebäude ist eine von nur noch drei im Original erhaltenen Telegrafenstationen in Deutschland, die sich vor mehr als 170 Jahren auf der Strecke von Berlin bis nach Koblenz verteilten. Mit der damals neuen Technik konnte man Nachrichten zwischen den Städten innerhalb von 90 Minuten verschicken – mit Pferden brauchte man dafür zur damaligen Zeit noch knapp drei Tage. Heute beherbergt das Gebäude in Neuwegersleben ein Museum, das die Geschichte der optischen Telegrafie für die Nachwelt bewahren will.
Museumserhalt als Ehrenamt und mit Herzblut
Dass es das Museum in der Form heute gibt, hat viel mit der Familie Fuchs zu tun. Der Bibliothekar Peter Fuchs hatte die Idee, das Gebäude, das nach seiner Zeit als Telegrafenstation bis 1957 als Wohnhaus diente und danach leer stand und verfiel, wieder seiner ursprünglichen Funktion zuzuführen. "Du bist verrückt, aber wir sind Freunde. Ich helfe dir", hat man zu ihm gesagt, wie Henning Fuchs erzählt. Er ist der Bruder des Mannes, der es schaffte, genug Geld und Unterstützung für die Wiederinstandsetzung der Telegrafenstation Nr. 18 zu sammeln.
Die Telegrafenstation in Neuwegersleben in Zahlen
- Höhe des Mastes, an dem die Flügel für die Telegrafie montiert sind: 6,30 Meter
- Länge der sechs Flügel: jeweils 1,74 Meter
- Unterschiedliche mögliche Zeichenkombinationen: 4.096
- Durchschnittlicher Abstand zwischen den Telegrafen-Stationen: zehn Kilometer
- Vergrößerung des Fernrohrs, um die Zeichen anderer Stationen erkennen zu können: 50-fach
Von 1995 bis 2001 dauerten die Arbeiten daran. Dann wurde das Museum in seiner historisch korrekten Form wiedereröffnet. Henning Fuchs selbst interessierte sich zwar schon immer für Geschichte, doch erst ein tragisches Ereignis führte dazu, dass er sich aktiv und ehrenamtlich um das Museum kümmerte. 2011 starb sein Bruder – seitdem kümmert er sich gemeinsam mit Dietmar Hobohm um das Museum. "Ich wollte das Herzblut aus meiner Familie weiterführen", erklärt Fuchs. Und hängt sich seitdem in den Erhalt von des "Kaisers Handy", wie er die optische Telegrafie-Technik scherzhaft nennt.
Weniger Besuchende durch Corona
Jeden letzten Sonntag im Monat und zum Tag des offenen Denkmals öffnen die beiden die Station für Interessierte – oder auch, wenn sich z.B. Schulklassen im Vorfeld anmelden. Zwischen 200 und 300 Besuchende hatten sie durchschnittlich pro Jahr. Bis Corona kam. Seitdem seien auch hier die Zahlen spürbar zurückgegangen. Bei einem Eintrittspreis von zwei Euro kann man sich schnell ausrechnen, dass die beiden für den Erhalt auf weitere Hilfen angewiesen sind.
Diese erhalten sie durch die Gemeinde, erzählt Hobohm. Immer wieder unterstütze diese sie, wenn kleinere Arbeiten zu erledigen sind – zuletzt zum Beispiel, um die Folgen eines Einbruchs zu beseitigen, bei dem es Diebe auf das Buntmetall auf dem Dach des Museums abgesehen hatten. Für ein kleines Museum wie das in Neuwergersleben ist die Hilfe durch die Gemeinde existenziell, ergänzt Fuchs. Man ist eben kein Metropolen-Museum wie in Magdeburg oder Halle.
Mehr Tourismus durch Telegraphen-Radweg
Für die Zukunft steckt Henning Fuchs Hoffnung in den sogenannten Telegraphenradweg, der später einmal alle 62 historischen Telegrafie-Stationen von Berlin bis nach Koblenz verbinden soll. Das könnte auch den Besuchenden-Zahlen in Neuwegersleben wieder etwas Aufschwung geben.
Aber auch selbst habe man Pläne für die Zukunft: Fuchs und Hobohm könnten sich vorstellen, hier vor Ort auch Kulturveranstaltungen wie Lesungen stattfinden zu lassen. Und vor allem würde Fuchs gerne die Aufmerksamkeit von Kindern und Jugendlichen für das Museum erhöhen . "Es macht mir Spaß, das Wissen von hier weiterzugeben und ich sehe es als wichtiges Kulturgut an."
Er erlebe oft, dass Schulklassen gelangweilt in das Museum kommen, aber nach zehn Minuten die eine Hälfte in der oberen Etage Zeichen einstellen will, und die andere Hälfte im Ausstellungsraum erfragt, was sie hier machen. "Man kann junge Leute mit sowas begeistern. Man glaubt es nicht, aber da bleibt dann auch das Smartphone in der Tasche."
Reise geht weiter in Rotta
Am Donnerstag werden MDR KULTUR und MDR SACHSEN-ANHALT nach Rotta bei Kemberg fahren. Dort, im Landkreis Wittenberg, steht ein Besuch des Ferienhauses Kulturscheune Gassmühle an – einem ganz besonderen Kultur-Ort mitten in wunderschön idyllischer Natur. Dort sind die MDR-Reporter Florian Leue und Luca Deutschländer unter anderem mit Simone und Torsten Sielaff verabredet, die das Ferienhaus betreiben und in den letzten Vorbereitungen für ihr Kulturfest am 29. Juli stecken.
Außerdem ist ein Treffen mit Ortsbürgermeister Edelfried Schimmel geplant, der den Reportern erzählen wird, wie wichtig dieser kleine Kultur-Ort für den ebenso kleinen Ort Rotta ist.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 25. Juli 2022 | 07:10 Uhr