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Große VergangenheitWann wird die Stadthalle Görlitz wieder öffnen?

20. Juli 2020, 04:00 Uhr

Große Chöre und Orchester unter Leitung berühmter Dirigenten wie Furtwängler haben in der Görlitzer Stadthalle gespielt. Zu DDR-Zeiten gab es darin Bälle, Tanz- und Sportwettkämpfe, Ausstellungen und politische Versammlungen. Ende 2004 wurde die Stadthalle geschlossen, aus finanziellen Gründen. Seit Jahren kämpft ein Bürgerverein für die Wiedereröffnung, eigentlich bis zum Stadtjubiläum 2021. Daraus wird nichts, aber 40 Millionen Euro sollen investiert werden und einen neuen Termin gibt es auch.

von Birgit Fritz, MDR KULTUR-Landesredakteurin Sachsen

"Stadthalle-Eröffnung bis zur 950-Jahr-Feier!" Der Termin ist nicht zu halten, denn das Jubiläum ist schon im nächsten Jahr. Aber es ist auch kein Versprechen, das der Förderverein auf dem großen Plakat an der Bahnhofstrasse abgibt, eher eine Forderung, wie der Vorsitzende des Vereins mit über 300 Mitgliedern, Thomas Leder, erklärt: "Man hatte viele Erlebnisse in der Stadthalle, es ist der einzige große Saal in der Stadt." Er ist empört:

Das muss man sich mal vorstellen: Wir haben keinen großen Saal mehr, wo die Stadtgemeinschaft sich treffen kann. Sie hätten in Dresden niemals den Kulturpalast abreißen können. Man kann doch hier nicht auf Dauer die Konzerthalle nicht zunageln!

Thomas Leder, Vereinsvorsitzender

Der Verein fordert aber nicht nur, sondern sammelt unermüdlich Spenden.

Geboren aus Bürger-Engagement in einer prosperierenden Stadt

Ende 2004 musste die Stadthalle  geschlossen werden. Nicht in erster Linie wegen Bauschäden, die es auch gab; ihr Betrieb riss ein zu großes Loch in die Stadtkasse. Die geplante schnelle Wiedereröffnung gelang nicht, das Projekt stand auch schon ganz vor dem Aus.

Die  von dem bekannten Theaterarchitekten Bernhard Sehring entworfene Halle wurde 1910 eingeweiht und steht auf der Denkmalliste des Freistaates. Alf Furkert, der oberste sächsische Denkmalpfleger, erläutert die Gründe: "Die Stadthalle Görlitz ist ein sehr schönes Zeugnis ihrer Zeit, mit jugendstiligen Einflüssen." Dass es sie überhaupt gibt, liegt am starken bürgerschaftlichen Engagement, wie Furkert weiß. Dienen sollte die Stadthalle auch als dauerhafte Spielstätte für die Schlesischen Musiktage.  

Görlitz war damals eine prosperierende Stadt: ungeteilt, der Stadtpark mit Stadthalle auf der einen Neißeseite setzte sich mit der Oberlausitzer Gedenkhalle, heute Dom Kultury, auf der anderen Neißeseite fort. Die Flussaue war das Zentrum bürgerlicher Kultur, Bildung und des Vergnügens.

Es gibt Fotos mit einem Chor von mehreren Hundert Sängern auf der Bühne und 2.000 Menschen hier im Saal in den zwei Rängen nach oben. Es ist auch verständlich, dass die Görlitzer sagen: 'Wir wollen diesen Ort zurückhaben.'

Michael Wieler | Bürgermeister für Kultur, Bauen und Stadtentwicklung

Außen intakt, innen Baustelle

Wenn man heute die Stadtbrücke überquert, fährt man direkt am oberen Eingang vorbei. Baufällig sieht das große kompakte Haus nicht aus. Die Dächer sind dicht, die Strebepfeiler statisch ertüchtigt, die Fenster nach historischen Vorbildern erneuert. 

Aber innen: Der ganze Bühnenbereich ist aufgerissen, Stahlträger liegen bloß, hinter einer Schutzwand verbirgt sich die große Orgel von Wilhelm Sauer, berühmt für ihre spätromantische Klangfarbe. Michael Wieler, der Bürgermeister für Kultur, Bauen und Stadtentwicklung hat schon oft hier gestanden.  

Einen Saal, der wegen seiner Akustik und seiner Größe weit über die Stadt hinaus berühmt war. Rund 200 Gäste finden im Kleinen Saal, der heute schon genutzt werden kann, Platz. Von der feinen Konzertmuschel  im zugehörigen Garten, den Statuen und Beetanlagen ist nicht viel übrig geblieben, sozialistischer Pragmatismus hat aber immerhin eine kleine Bühne errichtet. Die wiederaufgenommenen Planungen sehen eine Revitalisierung des ganzen Gebäudes und seiner Umgebung vor.

40 Millionen sollen investiert werden

Auf 40 Millionen Euro wird der Aufwand geschätzt, gefördert von Bund und Land soll die Summe aufgebracht werden, auch die Denkmalpflege beteiligt sich. Landeskonservator Alf Furkert gibt sich optimistisch: "Das ist doch eine erkleckliche Summe, mit der die Sanierung möglich sein sollte."

40 Millionen – das klingt gut, aber es ist auch viel zu tun. So riesig die Stadthalle wirkt, fehlt es im Gebäude z.B. an Künstlergarderoben und an multifunktionalen Flächen für Tagungen und Ausstellungen.

Die sollen in einem Anbau mit Aussicht auf die Neiße und das historische Haus entstehen.

Wiedereröffnung 2025 anvisiert

Ein neues Eröffnungsdatum lässt sich Bau- und Kulturbürgermeister Michael Wieler auch entlocken.

In der aktuellen Planung gehen wir davon aus, dass wir die Stadthalle 2025 wieder eröffnen können. Wenn nichts dazwischen kommt, was momentan nicht absehbar ist, dann wird das auch geschehen.

Michael Wieler | Bürgermeister für Kultur, Bauen und Stadtentwicklung

Langsam wird es Zeit für ein neues Plakat am Bahnhof!

Sichwort: Stadthalle GörlitzIn Görlitz hatte der Stadtrat im Mai 2019 entschieden, die Stadthalle zu einem multifunktionalen Veranstaltungsgebäude umzubauen. Eine Tochtergestellschaft der Stadt soll die Halle künftig betreiben. Doch nicht alle Räte sind sich sicher, ob die Kulturservicegesellschaft mbH dieser Aufgabe gewachsen ist. 2025 soll das Jugendstilgebäude wieder eröffnet werden. Damit wird die Sanierung nicht bis zur 950-Jahr-Feier der Stadt beendet sein.

Die Stadthalle in Görlitz war 2005 aus wirtschaftlichen Gründen von der Stadt aufgegeben worden. Doch das wollten viele Görlitzer, Schlesier und Oberlausitzer nicht hinnehmen.

Der Freistaat bot mehrfach Hilfe aus verschiedenen Fördertöpfen an. Auch private Betreiber oder Investoren bekundeten Interesse. Doch alle Vorhaben, Projekte und Ideen scheiterten entweder am Geld oder an Querelen im Rathaus.

Seit Juli 2015 ließ die Stadt die denkmalgeschützte Halle sichern. Eine Stiftung macht sich seit 2018 für die Sanierung des Gebäudes stark und wirbt Geld dafür ein.

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Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 22. Juli 2020 | 13:10 Uhr