Inklusion Wie Agnes Kunze dem Winckelmann-Museum in Stendal zur Barrierefreiheit verhilft

Seit zehn Jahren leitet Agnes Kunze die Bibliothek im Winckelmann-Museum in Stendal, die weltweit einzige Forschungsbibliothek zu Johann Joachim Winckelmann. Das Museum soll für alle Menschen zugänglich sein, seit 2018 ist es weitestgehend barrierefrei. Das ist auch Agnes Kunze zu verdanken, denn sie hat eine angeborene Gehbehinderung und weiß, wie wichtig Inklusion in öffentlichen Kunst- und Kultureinrichtungen ist. Im Interview erklärt sie, welche Herausforderungen bestanden und wo es noch Nachholbedarf gibt.

Eine Frau mit Hut hält ein Glas mit einem Getränk in der Hand.
Agnes Kunze ist die Leiterin der Bibliothek Winckelmann-Gesellschaft im Winckelmann-Museum in Stendal. Sie weiß, wie wichtig Barrierefreiheit in allen ihren Facetten ist. Bildrechte: MDR / Privat

MDR KULTUR: Sie sind Leiterin der Winckelmanm-Bibliothek in Stendal. Als sie dort 2012 als wissenschaftliche Mitarbeiterin angefangen haben, wie sah es da aus mit der Barrierefreiheit?

Agnes Kunze: Da war unser Museum noch im alten Zustand. Wir hatten zum Beispiel keinen Fahrstuhl, der das Kindermuseum erreicht hätte. Die Bibliothek selber war barrierefrei, da gab es nur eine Stufe, das war für mich kein Problem. Aber es gab an der Museumshaustür drei Stufen, und da wurde schon im Vorfeld ein Treppengeländer angebracht, damit ich die drei Stufen schaffe. Da gab es anfangs auch ein bisschen Schwierigkeiten, weil ich die Kollegen öfter darauf hinweisen musste, dass man nicht unmittelbar vor diesen Treppen auch noch ein Plakat als Werbung aufstellt. Sie waren dankbar, dass man sie erinnert und haben auch sofort reagiert, aber es ist eben nicht einfach, in die Köpfe reinzubekommen, darauf zu achten. Man muss den Blick schulen. Man denkt ja nun auch nicht die ganze Zeit darüber nach, was kann der eine und was kann der andere nicht? Das ist ganz selbstverständlich.

Das Winckelmann-Museum in Stendal vor der Neueröffnung 36 min
Bildrechte: Winckelmann-Museum Stendal

Nun ist das Winckelmann-Museum seit 2018 weitestgehend barrierefrei. Barrierefrei ist ein Wort, das für viele gar nicht in all den Facetten richtig begreifbar ist. Was heißt denn eigentlich barrierefrei?

Barrierefreiheit ist nicht nur, dass es für Rollstuhlfahrer oder Stützenläufer barrierefrei ist, sondern dass auch Blinde und jede Art von Behinderung Zugang hat, durch entsprechende Hilfsmittel und Wege, Leitsysteme oder Audioguides. Aber auch, dass wir zum Beispiel unsere Tafeln für die ständige Ausstellung in leichter Sprache geschrieben haben. Audioguides müssen auch in dieser Form sein, dass das wirklich jeder versteht. Man versucht auch alle, die nicht der deutschen Sprache mächtig sind, einzubinden – meistens wird da Englisch genommen. Die Vielfalt ist so groß, dass man immer sagen muss weitestgehend barrierefrei, weil man leider nicht alles abdecken kann.

Wie wird das angenommen?

Von den Kindern oder von den Schulen wird es ausgesprochen gut angenommen. Das war auch unser großes Ziel, dass gerade das Kinder- und Familienmuseum frei zugänglich ist, gerade in Zeiten von Inklusion, damit nicht die Kinder mit Rollstuhl unten stehen und draußen warten müssen. Oder auch nicht die Mitarbeiter die Kinder mit Mühe hochtragen müssten, sondern dass sie einfach frei durchfahren können. Ich glaube, es gibt schon sehr viele positive Reaktionen. Man sieht auch immer wieder Ältere im Rollstuhl, die sich freuen, dass sie mit einem Rollstuhl reinkommen können und sich keine Sorgen machen müssen.

Beispiele für Inklusion in Kunst und Kultur

Außenaufnahme vom Deutschen Hygienemuseum 4 min
Außenaufnahme vom Deutschen Hygienemuseum Bildrechte: MDR/Oliver Killig
Ein Schild weist darauf hin, dass Fußgänger links eine Treppe und Rollstuhlfahrer rechts eine Auffahrt benutzen können. 8 min
Bildrechte: dpa
8 min

Inklusiv im Museum: Die Klassik Stiftung Weimar engagiert sich im Museumsverbund Inklusion. Mit Florentine Holte ist Thomas Bille dazu im Gespräch.

MDR KULTUR - Das Radio Di 08.11.2022 12:00Uhr 08:28 min

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Audio
Breaking Festival 4 min
Bildrechte: The Saxonz

Was würden Sie sagen zu Inklusion im Museum insgesamt? Was sind die Punkte, wo Sie sagen, da müssen wir nochmal nachholen?

Was mir persönlich wichtig ist, dass die Technik möglichst immer funktioniert. Das ist ein großes Problem. Man hat die Technik und die muss einfach auch einsatzfähig sein, der Fahrstuhl oder die Audioguides zum Beispiel. Die Dinge werden vielleicht nicht täglich gebraucht, da muss man daran denken, dass sie regelmäßig kontrolliert werden. Das ist eine große Aufgabe, die manchmal im Alltag in Vergessenheit gerätt. Und auch ein Problem, an was man immer denken muss, dass man die Mitarbeiter schult, dass diese wissen, wie sie reagieren müssen, wenn wirklich etwas passiert und dass sie nicht überfordert sind.

Das Interview führte Moderatorin Julia Hemmerling für MDR KULTUR.
Redaktionelle Bearbeitung: Cornelia Winkler

Mehr zum Thema Inklusion in der Kultur

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | MDR KULTUR trifft ... | 13. November 2022 | 11:00 Uhr

Mehr MDR KULTUR