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Räuchermännchen, Schwibbogen und SterneWie Traditionen aus Sachsen und Thüringen Weihnachten prägen

19. November 2023, 17:31 Uhr

Ob Christbaumschmuck aus Lauscha, Weihnachtslieder wie "O Tannenbaum", Leckereien wie Klöße, Pulsnitzer Lebkuchen oder Dresdner Stollen und auch Kunsthandwerk wie Schwibbögen und Räuchermännchen aus dem Erzgebirge oder die beliebten Herrnhuter Sterne: Ohne diese Dinge wäre Weihnachten kein richtiges Weihnachten. Wussten Sie, dass diese "Erfindungen" aus Sachsen und Thüringen kommen? Hier finden Sie wissenswerte Informationen.

1. Weihnachtsbaumkugeln aus Lauscha

Weihnachtsbaumschmuck aus Glas: Das ist eine Thüringer Erfindung. So behaupten es zumindest die Lauschaer Glasbläser. Seit 190 Jahren werden im Süden Thüringens mundgeblasene Weihnachtsbaumkugeln hergestellt. Seit diesem Jahr gehören sie sogar zum immateriellen Weltkulturerbe der Unesco. Laut Überlieferung kamen arme Glasbläser auf die Idee, Baumschmuck aus Glas herzustellen, weil sie sich echte Früchte und Nüsse nicht leisten konnten.

In einer Werkstatt in Lauscha werden Weihnachtsbaumkugeln hergestellt. Bildrechte: MDR/Isabelle Fleck

Zu DDR-Zeiten war der Baumschmuck vor allem ein Exportgut in die Schweiz, in die USA und viele andere Länder. Für die DDR-Bürger waren die Glaskugeln deshalb nur schwer zu ergattern. So dienten sie den Lauschaer Kunsthandwerkern als Tauschmittel, um beispielsweise an Baumaterial heranzukommen. Nach der Wende mussten sich die Familienbetriebe wieder Schritt für Schritt auf ihre alten Traditionen zurückbesinnen. Inzwischen gibt es in Lauscha wieder 80 Manufakturen, die die kleinen Glaskunstwerke zaubern.

2. Herrnhuter Sterne

Sie sind ein absoluter Exportschlager: 700.000 Herrnhuter Sterne werden pro Jahr in der Oberlausitz hergestellt und leuchten nicht nur im Berliner Dom und im Bundeskanzleramt, sondern auch in aller Welt – in Grönland, in einem Flüchtlingscamp in Malawi, im US-amerikanischen Betlehem und auf dem Sternberg in Palästina.

Den ersten Stern hat der Legende nach ein Mathelehrer aus Niesky entwickelt. Damit wollte er seinen Schülerinnen und Schülern geometrische Formen beibringen: Der erste Herrnhuter Stern bestand aus 25 Spitzen, 17 viereckigen und acht dreieckigen Zacken und soll am 6. Januar 1821 zum ersten Mal geleuchtet haben. Die ersten Herrnhuter Sterne waren weiß und rot, als Symbol für die Reinheit und das Blut Christi. In Serie produziert wurden die Sterne dann ab dem Ende des 19. Jahrhunderts: 1897 begann der ortsansässige Buchbinder Pieter Hendrik Verbeek mit dem Vertrieb der Herrnhuter Sterne und ließ sich eine robustere Version als Patent eintragen.

Seinen Namen verdankt der Stern der Herrnhuter Brüdergemeine, deren Mitglieder vor rund 300 Jahren als protestantische Glaubensflüchtlinge in die sächsische Provinz kamen. Die Herrnhuter Missionare, meist Handwerker, nahmen ihre Sterne dann mit und verbreiteten sie so in der Welt. Ein Original Herrnhuter Stern ist an seinen 25 Zacken zu erkennen, er muss traditionsgemäß von seinem Besitzer selbst zusammengebaut werden.

In der Schauwerkstatt der Herrnhuter Sterne GmbH in Herrnhut bei Zittau fertigt Kerstin Herzmann einen Stern. Bildrechte: IMAGO / epd

3. Liedgut wie "O Tannenbaum" oder "Alle Jahre wieder"

In Sachsen und Thüringen wurden ein paar der berühmtesten deutschen Weihnachtslieder geschrieben oder zumindest gedichtet. So schrieb der Kantor der Leipziger Neukirche im Jahr 1824 den Klassiker "O Tannenbaum". Dafür änderte er ein Liebeslied mit demselben Titel zu einem Weihnachtslied um. Es wurde in Deutschland allerdings erst nach dem Zweiten Weltkrieg populär. Heute ist das Lied weltweit bekannt. Auf Englisch wird "O Christmas Tree" gesungen und im Französischen "Mon beau sapin".

Auch "O Du Fröhliche" gehört zu den bekanntesten Weihnachtsliedern der Welt und stammt aus Weimar: Johannes Daniel Falk hat es um 1815 für die Waisenkinder geschrieben, um die er sich nach dem Krieg gegen Napoleon kümmerte. Als Melodie nutzte er eine alte sizilianische Melodie, die Johann Gottfried Herder in seine Sammlung "Stimmen der Völker in Liedern" aufgenommen hatte.

Im Thüringischen Ichtershausen entstand im Winter 1836 ein weiterer Weihnachtsklassiker: Wilhelm Hey schrieb für seine Gemeinde das Gedicht "Alle Jahre wieder", um ihr nach einem verheerenden Feuer und in einem harten Winter, in einer Zeit, in der manche alles verloren hatten und hungerten, Trost zu spenden. In "Alle Jahre wieder" geht es darum, dass das Christkind in jedes Haus einkehrt und allen den Segen bringt. Die heute bekannte Melodie für "Alle Jahre wieder" wurde erst Jahre später vom Musikpädagogen Friedrich Silcher geschrieben.

Das Weihnachtslied "O Tannenbaum" wurde von einem Leipziger gedichtet und "Alle Jahre wieder" stammt aus Weimar. Bildrechte: Colourbox.de

4. Schwibbogen

In Johanngeorgenstadt weiß jeder, dass der Schwibbogen von hier stammt: Erfunden von einem Herrn Teller, sein Vorname ist nicht sicher überliefert, weil es im Ort 1740 viele Männer mit diesem Namen gab. Der Bergschmied war in jenem Jahr zu einer Mettenfeier eingeladen, der traditionellen Weihnachtsfeier einer Grubenbelegschaft. Für diesen Anlass fertigte er den ersten "Urschwibbogen" aus Metall an. Insgesamt gibt es davon drei, weil Herr Teller zu drei Weihnachtsfeiern eingeladen war: einer davon steht heute noch in Johanngeorgenstadt, einer in Freiberg und der dritte in Chemnitz.

Schwibbögen lassen Fenster in dunklen Winternächten erstrahlen. Erfunden wurde der Schwibbogen in Johanngeorgenstadt im Erzgebirge. Bildrechte: imago images/Shotshop

Der Schwibbogen heißt Schwibbogen, weil man so den Teil eines Bauwerks zwischen zwei Stützpfeilern nennt. Darüber, warum sich der Handwerker für die Bogenform entschieden hat, gibt es jedoch verschiedene Meinungen: In den Schaubergwerken wird erzählt, dass es den Grubeneingang darstellt. Aber die Form könnte sich auch vom Himmelsbogen ableiten oder vom wiedergeöffneten Tor zum Garten Eden, denn in den ersten Schwibbögen sind Adam und Eva zu sehen.

Heute gehört der Schwibbogen fest zur Weihnachtstradition im Erzgebirge und darüber hinaus und erleuchtet Fenster in dunklen Winternächten.

4. Ältester Weihnachtsmarkt Deutschlands

Wer erfand den Weihnachtsmarkt? Das ist nicht genau überliefert. Sowohl der Weihnachtsmarkt in Bautzen als auch der Dresdner Striezelmarkt haben eine lange Tradition, und in München gab es schon 1310 einen Nikolausmarkt. Als erster in einer Chronik erwähnter Weihnachtsmarkt Deutschlands darf sich heute der Bautzner Wenzelsmarkt bezeichnen, als erster beurkundeter Weihnachtsmarkt Deutschlands gilt der Dresdner Striezelmarkt.

Erstmals fand der Striezelmarkt im Jahr 1434 statt und dauerte nur einen Tag. Er wurde offiziell von Kurfürst Friedrich II. und seinem Bruder Herzog Sigismund "am Tage vor dem Heiligen Christabend" auf dem Altmarkt genehmigt. Seinen Namen verdankt der Striezelmarkt dem traditionellen Dresdner Weihnachtsgebäck, dem Striezel, ein anderes Wort für den Christstollen.

Der Dresdner Striezelmarkt fand erstmals im Jahr 1434 statt. Bildrechte: IMAGO / Sylvio Dittrich

5. Dresdner Christstollen

Der Original Dresdner Christstollen ist deutschlandweit beliebt: Allein 2018 wurden 4,6 Millionen Stück verkauft. Er darf nur von etwa 130 Bäckerein in Sachsen nach bestimmten Vorgaben gebacken werden: im Großraum Dresden, von Hand und nur unter vom Schutzverband Dresdner Stollen e.V. genannten Zutaten. Verboten sind beispielsweise künstliche Aromen. Ihr goldenes Stollensiegel müssen sich die Bäckerinnen und Bäcker jedes Jahr neu verdienen.

Den Dresdner Stollen gibt es mindestens seit dem Jahr 1474: Damals tauchte er erstmals auf einer Rechnung des christlichen Bartolomai-Hospitals auf. Damals war der Stollen noch ein Fastengebäck und bestand nur aus Mehl, Hefe und Wasser. Zutaten wie Butter oder Milch waren vonseiten der katholischen Kirche während der Fastenzeit verboten. Kurfürst Ernst von Sachsen und sein Bruder Albrecht baten deshalb den Papst darum, das Butterverbot aufzuheben. Mit dem sogenannten "Butterbrief" erlaubte der Papst den Dresdnern 1491, ihren Stollen mit Butter zu backen. So wie wir den Stollen heute kennen – mit Rosinen, Mandeln und Orangeat – gibt es ihn erst seit dem 20. Jahrhundert.

Der Dresdner Christstollen wird jährlich Millionenfach verkauft. Echt ist er nur mit dem goldenen Stollensiegel. Bildrechte: IMAGO / Panthermedia

Auf dem Striezelmarkt wurde der Christstollen ab dem 16. Jahrhundert verkauft, ab 1560 wurde dem König jährlich ein Stollen zu Weihnachten geschenkt. Besonders August der Starke liebte ihn. Anlässlich des Zeithainer Lustlagers 1730, einer Truppenschau mit 20.000 Menschen, bestellte er sich einen tonnenschweren Riesenstollen, der von 100 Bäckern gebacken wurde. Die Tradition des Riesenstollens wurde 1994 wieder aufgegeriffen: Am zweiten Adventswochenende wird ein Riesenstollen auf dem Striezelmarkt angeschnitten. Seit 1996 ist der Dresdner Stollen marken- und patentrechtlich geschützt.

6. Pulsnitzer Lebkuchen

Von gefüllten Spitzen und Printen bis hin zu Lebkuchenherzen: Leckereien aus Pulsnitz gehören in der Weihnachtszeit einfach mit auf den Tisch. Gegründet wurde die Pfefferküchlerei 1884 von Erich Ritter. Bis heute wird der Großteil der Lebkuchen in Handarbeit hergestellt – anders als die Nürnberger Lebkuchen; der schwere Teig wird allerdings von Maschinen umgerührt. Der Grundteig wird mehrere Wochen gelagert, bevor eine spezielle Gewürzmischung dazukommt, u.a. aus Zimt, Koriander, Fenchel, Macisblüte und etwas Ingwer. Mehr wird nicht verraten, Pulsnitzer Geheimnis.

Souvenirs aus der Pfefferkuchenstadt Pulsnitz Bildrechte: imago/NBL Bildarchiv

7. Kunsthandwerk aus dem Erzgebirge

Aufgrund des Erzvorkommens siedelten sich ab dem 12. Jahrhundert immer mehr Menschen im später sogenannten Erzgebirge an. Als der Rohstoff knapp wurde, suchten sich viele eine neue Erwerbsgrundlage in der Holzverarbeitung. Denn Bäume gab es im Erzgebirge reichlich. Es entstanden Drechselwerkstätten und Spielzeugmanufakturen. Zu den Klassikern aus den Handwerksstuben in Seiffen oder Grünhainichen gehören Engel, Bergmänner, Nussknacker, Pyramiden, Schwibbögen und vor allem die Räuchermännchen – ein Symbol der Gemütlichkeit.

Die hölzernen "Raachermannl" wurden im Erzgebirge erfunden, als Schöpfer gilt Ferdinand Frohs, der um 1850 bei Olbernhau lebte. Schon zuvor war es Tradition gewesen, Kräuter, Hölzer oder Harze auf den Ofen zu legen, um einen angenehmen Geruch in die Wohnstube zu bekommen und böse Geister zu vertreiben. Als zunehmend Männer rauchten, wurde das Bild auch von den Spielzeugbauern des Erzgebirges nachgestaltet – die Idee der Räuchermänner war geboren.

Beliebt zur Weihnachtszeit sind u.a. die Erzgebirger Raachermannl. Deshalb werden die Kunsthandwerker im Erzgebirger auch als "Männlmacher" bezeichnet. Bildrechte: picture-alliance/ dpa | Heiko Wolfraum

8. Thüringer Klöße

Zum Festtagsessen wie an den Weihnachtsfeiertagen dürfen bei vielen die Klöße nicht fehlen. Berühmt sind vor allem die Thüringer dafür. Das mutmaßlich erste Rezept dafür befindet sich in einer Pfarrei bei Sonneberg. Es soll von einer Hausfrau stammen, die kurz nach 1800 auf die Idee kam, rohe Kartoffeln mit heißem Kartoffelbrei zu Klößen zu formen und im Wasser zu kochen. Der Name der Erfinderin ist jedoch nicht überliefert.

Wie sie zu der Idee kam? Es mangelte Ende des 18. Jahrhunderts an Mehl zum Brotbacken, also nutzte man Kartoffelstärke. Die rohe Kartoffelmasse war sozusagen ein Abfallprodukt der Stärkegewinnung und wurde anfangs ans Vieh verfüttert – das machte die Hausfrauen erfinderisch. Anfangs waren die Thüringer Klöße ein Arme-Leute-Essen. Sie mauserten sich erst im Laufe der Zeit zum Festtagsessen. Das Wort Kloß kommt vom Althochdeutschen "Klöz", was soviel bedeutet wie Klumpen, Knolle oder Kugel.

Ein teller voller Klöße: In das Innere eines Thüringer Kloßes gehören übrigens Semmelstückchen. Bildrechte: picture alliance / dpa | Peter Kneffel

9. Seiffener Kirche als Postkartenmotiv

Seiffen gilt als Weihnachtsdorf: Das ganze Jahr über können Besucherinnen und Besucher hier in den Weihnachtszauber eintauchen und den Künstlern in den Schauwerkstätten beim Schnitzen, Drechseln und Figuren bemalen zuschauen. Die evangelisch-lutherische Bergkirche in Seiffen gilt als Wahrzeichen dieser Weihnachtstradition und wird besonders gern als Motiv genutzt: In Schwibbögen, als Figur umgeben von Sternensingern oder auch auf Weihnachtskarten. So gehört sie heute fest zum Bild von Weihnachten in Sachsen.

Die Seiffener Kirche fällt durch ihre besondere achteckige Form auf. Ihr Architekt orientierte sich beim Entwurf an der Dresdner Frauenkirche. Bildrechte: IMAGO / Sylvio Dittrich

10. Lichtertürke aus dem Erzgebirge

Für viele ist er wohl ein großer Unbekannter, und das obwohl er neben Bergmann und Engel die drittbekannteste Figur des Erzgebirges ist: der Lichtertürke. Der klassische Lichtertürke trägt einen Turban sowie ein rotes Gewand und einen blauen oder grünen Unterrock und kann unter Umständen zweierlei: räuchern und lichteln – so zeigen es antike Exemplare von der Biedermeierzeit bis zur Weimarer Republik. Dieser Räuchermann und Kerzenträger blickt in Sachsen auf eine lange Tradition zurück. Seinen Impuls hat der Lichtertürke – wie vieles in Sachsen – am sächsischen Hof bei August dem Starken.

Ist neben Bergmann und Engel die drittbekannteste Figur des Erzgebirges: der Lichtertürke Bildrechte: picture alliance/dpa | Hendrik Schmidt

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Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 22. Dezember 2021 | 06:15 Uhr