AusstellungskritikMit dem "Großmeister des Kopfkinos" in Jena durchs Abendland
Geboren im thüringischen Schnellbach, wurde Harald Reiner Gratz in Halle, Dresden und später New York zum Maler von Welt. Bekannt als "Großmeister des Kopfkinos" und als einer der besten Maler in Thüringen, lädt er jetzt mit der Kunstsammlung Jena zur Ausstellung "Abendland". Mit einem großen Reigen farbgewaltiger Bilder bietet Graz einen Ritt durch die Kulturgeschichte, bei der er immer wieder seine eigene Bindung zum sogenannten Abendland überprüft.
Harald Rainer Gratz wurde 1962 in Schnellbach geboren. Ein kleines Dorf in einem tiefen Thüringer Tal, durch das ein Bächlein namens Floh fließt und über das sich der Kaiserkopf, der Mönchstein und der Kohlberg erheben. Hier, jenseits des Rennsteigs, schlägt der Puls des grünen Herzens Deutschlands in einem ganz eigenen Rhythmus. Von hier zog es ihn hinaus in die weite Welt im Allgemeinen und die der Kunst im Besonderen.
Thüringer Maler von Welt
Über Schmalkalden, wo er sein Abitur machte, ging es zum Studium an die Burg Giebichenstein nach Halle, später nach Dresden und von dort, als das möglich war, bis nach New York. Ohne dass der solcherart zum Mann und Maler von Welt Gewordene, seine Heimat je aus den Augen und dem Sinn verloren hätte. Beim Stichwort Heimat landet man bei einem Begriff, der ihn in den letzten Jahren seines Schaffens intensiv beschäftigt hat: das Abendland. Das hat ihn geprägt, das zieht ihn in Bann. Das stellt ihm Fragen, auf die er mit seinen Bildern Antworten geben will. Er sei ein "Großmeister des Kopfkinos" war einmal über ihn zu lesen.
Großes Kino auf Leinwand und Papier
Die Bilder von Harald Rainer Gratz kann man jetzt in großer Zahl und beeindruckender Intensität in den Kunstsammlungen Jena besichtigen. Ein Feuerwerk der Farben, Formen und Fiktionen. Erik Stephan, der Direktor der städtischen Museen und Chef der dazugehörigen Kunstsammlung, schwärmt:
Harald ist ein profilierter Maler, einer der besten, den wir in Mitteldeutschland haben.
Erik Stephan, Direktor der städtischen Museen Jena
Die Themen, die er aufgreift seien groß. Es seien Formen und Figuren, die man im Alltag nicht findet, aber, wenn man den Alltag weiterdenkt, dann schon. Auch der Begriff Abendland sei spannend. Kein Wunder also, das auch die große, fast schon retrospektive Ausstellung in Jena dieses Wort als Titel trägt.
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Unterwegs im Abendland
Für das Publikum bietet sich die Möglichkeit eines wilden Ritts durch die Menschheitsgeschichte. Von deren Anfängen bis in unsere Gegenwart, beginnend im Garten Eden. Oder auch nicht, denn auf dem Titel neben diesem weitausladenden Gemälde mit einem gleich doppelten Jesus im Zentrum ist zu lesen, dass es sich um keinen Garten Eden handelt. Auch bei diesem Thema bleibt der gläubige Christ Gratz voller Fragen.
Beim Weitergehen blicken wir starken Frauen ins Gesicht und auch immer wieder auf die Körperpartien, die männliche Maler von jeher am meisten an ihnen interessieren. Auch in eine sehr modern wirkende Abendmahlsszenerie scheint sich eine Frau geschmuggelt zu haben.
Einladung zur Interpretation
Gratz hat in diesem Bild aber nicht nur die These von der Begleiterin Christi verarbeitet, sondern auch eine Art Kommentar zur Kommunikationskultur ins Bild gesetzt. Oder ist das schon eine individuelle Überinterpretation? Der Maler selbst meint: "Man kann nichts überinterpretieren, man kann höchstens unbeteiligt bleiben. In der Interpretationslinie nach oben gibt es keinen Deckel, keinen Cut." Gratz lädt das Publikum ein, sich sein ganz eigenes Bild von diesem Abendland zu machen. Es lohnt sich.
Angaben zur AusstellungVernissage Harald Reiner Gratz: Abendland
25. März bis 18. Juni 2023
Adresse:
Kunstsammlung Jena
Markt 7
07743 Jena
Öffnungszeiten:
Dienstag bis Sonntag, 10 bis 17 Uhr
Montag geschlossen
Eintritt:
5 Euro, ermäßigt 3 Euro
Redaktionelle Bearbeitung: Mandy Schalast-Peitz
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Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 25. März 2023 | 08:10 Uhr