Ein vierstöckiges Industriegebäude mit großen Fenstern
Im von Egon Eiermann entworfenen Eiermannbau wurden einst Feuerlöscher montiert. Nun findet hier die IBA-Abschlussausstellung statt. Bildrechte: IBA Thüringen/Thomas Müller

5. Mai bis 29. Oktober 2023 IBA Thüringen: Große Abschlussschau startet in Apolda

05. Mai 2023, 04:00 Uhr

Die Internationale Bauausstellung Thüringen hat in den vergangenen zehn Jahren ein ganzes Bundesland zum Forschungslabor für besseres Bauen, Umbauen und Leben gemacht. Im Fokus standen unter anderem Klimaschutz und demografischer Wandel: Bahnhöfe wurden neu gedacht, leere Fabriken wiederbelebt und eine Schule der Zukunft konzipiert. Einen Überblick über die verschiedenen Projekte kann man sich nun in Apolda verschaffen.

Diese Schau findet vor einer ganz besonderen Kulisse statt: Der Eiermannbau von Apolda gilt als bedeutendes Industriedenkmal, gleichzeitig machte er sich über Jahre aber vor allem einen Namen als Problemimmobilie. Lange stand der Eiermannbau leer, bis das Team der Internationalen Bauausstellung (IBA) begann, ihn zu sanieren und Ideen für eine künftige Nutzung zu entwickeln.

Nun stehen die Türen offen: Auf fünf Etagen kann man sich auf eine Reise durch den Freistaat begeben, und eine Art Vorher-Nachher Einblick erhalten, was in den vergangenen zehn Jahren hier und an anderen IBA-Orten passiert ist.

Wie ein Dorf in Thüringen seine Zukunft gestaltet

Bagger zieht Furche auf einem Feld
In den riesigen Acker bei Kannawurf werden Trennstreifen, sogenannte Keylines, gezogen: Landschaftsgestaltung und Klimaschutz in einem. Bildrechte: Thomas Müller

Ganz am Anfang der Ausstellung zieht etwa eine große Luftaufnahme vom Örtchen Kannawurf die Blicke auf sich: ein kleines Dorf ist darauf zu sehen, neben einer riesigen braunen Ackerfläche. "Dieses Bild verstehen Sie erst dann, wenn Sie ein bisschen hin- und herlaufen", erläutert IBA-Chefin Marta Doehler-Behzadi. "Es funktioniert wie die Postkarten, die es früher gab. Wo das Bild umspringt, je nachdem, aus welchem Winkel man es anschaut. Wenn Sie sich also davor bewegen, sehen Sie die Vergangenheit von Kannawurf – und Sie sehen die Zukunftsaussage."

In der Zukunftsaussage von Kannawurf ist der riesige braune Acker verschwunden, an seiner Stelle sieht man kleinteilige Wiesen und Felder. In einem IBA-Projekt werden derzeit Trennstreifen in die große Fläche eingearbeitet, auf denen Bäume und Büsche wachsen sollen, für mehr Artenvielfalt und gegen Bodenerosion.

Architektur gegen Klimawandel in Apolda

Dieses Beispiel macht deutlich: Bei der IBA Thüringen ging es nie darum, spektakuläre Neubauten zu schaffen. Vielmehr sollten gestalterische Lösungsansätze für drängende Probleme geschaffen werden, wie den Klimawandel, den demografischen Wandel oder den Leerstand vor allem im ländlichen Raum.

Eine Idee, die sich nun bei verschiedenen Projekten durchzieht und in der Ausstellung sichtbar wird: dass Gebäude nicht mehr nur einem einzigen Nutzungszweck dienen sollten. Doehler-Behzadi nennt hier etwa den Bahnhof von Rottenbach im Schwarzatal, der im Rahmen der IBA zum Café und Dorfladen erweitert wurde, oder die sogenannten Her(r)bergskirchen, in denen man nun nicht nur beten, sondern auch übernachten kann.

Baupläne als Open Source im Internet

Bei all diesen Projekten war die IBA beratend mit an Bord. Ideen und Umsetzung allerdings kamen von Bürgerinnen und Bürgern vor Ort, weswegen diese in der Ausstellung mit einer großen Porträtserie geehrt werden. So menschelt es sehr in dieser Schau, aber: architektonische Visionen sind hier natürlich auch zu finden.

Modelle von Gebäuden
In der Ausstellung finden sich viele anschaulieche Modelle von Architektur. Bildrechte: Thomas Müller

Zum Beispiel ein Modell der neuen Jenaplan-Schule in Weimar, ein IBA-Projekt, das sich gerade im Bau befindet. Das Besondere: Die Baupläne für dieses visionäre Schulgebäude sind nach dem Open-Source-Gedanken im Internet frei verfügbar. In der Hoffnung, dass andere sich einfach bedienen, und damit Kosten sparen: "Das funktioniert in etwa so wie das Betriebssystem Linux", erläutert IBA-Projektleiter Tobias Haag, "wir stellen dieses Wissen vollständig der Öffentlichkeit zur Verfügung. Und Industriepartner, andere Schulen, Bundesländer oder Städte können es nutzen. Das bedeutet nicht, dass sie diese Schule genau so noch mal bauen müssen - sie können schlicht unser Wissen nutzen."

Gewächshaus in der Fabrikhalle

Es gibt viele theoretische Einblicke zu den zahlreichen IBA-Projekten in dieser Ausstellung, zum Glück bietet sie aber auch den praktischen Zugriff aufs Erreichte. Denn der Ausstellungsraum, der Eiermannbau, ist selbst auch zum Ausstellungsobjekt geworden. In eine der großen Fabrikhallen sind etwa kleine Gewächshäuser gesetzt worden, die nun besichtigt werden können.

Im Winter kann man sich in die beheizten Häuschen zurückziehen, und so auch in den kalten Monaten hier arbeiten, wie Projektleiterin Katja Fischer erklärt: "Wir haben uns für die Gewächshäuser entschieden, weil der Eiermannbau wirklich ein renommiertes Denkmal ist. Uns war sehr wichtig, dass wir diesen Ort aus seiner Geschichte heraus erhalten und auch sichtbar lassen. Und das bdeutet, dass man diesen Industriecharakter der Hallen erhält, und sie nicht kleinteilig ausbaut."

Innenausbau in einem Haus, eine Konstruktion aus vielen Holzbalken.
Nur einzelne Trennwände sind im Eiermannbau eingezogen worden: Sie bestehen aus Holzbalken und gepresstem Stroh. Bildrechte: Thomas Müller

Am Ende der Schau kommt man oben auf der Dachterasse an, die Architekt Egon Eiermann einst für die Arbeiterinnen und Arbeiter anlegen ließ. Hier lässt es sich wunderbar nachdenken, über all die Ideen und Projekte, die in zehn Jahren IBA Thüringen entstanden sind.

Informationen zur Ausstellung IBA Abschlussausstellung "StadtLand. Von Thüringen lernen"

5. Mai bis 29. Oktober 2023
im Eiermannbau Apolda

Neben Führungen vor Ort werden in den kommenden Monaten auch Exkursionen zu den verschiedenen IBA-Projektstandorten in ganz Thüringen angeboten.

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 05. Mai 2023 | 08:10 Uhr