Architektur-Mythen des Bauhauses So edel, so pur: Der Mythos vom weißen Bauhaus

Vor 100 Jahren wurde die berühmteste Kunst-Schule der Moderne gegründet. Seitdem hat das Bauhaus unseren Blick auf Design und Architektur radikal verändert. Ohne dabei die historische Leistung dieser Avantgardebewegung schmälern zu wollen, gab es aber auch Widersprüche zwischen den zuweilen hochfliegenden Idealen und der schnöden Realität. Denn kam die Idee der schlichten weißen Häuser wirklich aus dem Nichts? Und war wirklich alles immer weiß?

Meisterhaus Bauhaus Dessau
Eines der Meisterhäuser in Dessau Bildrechte: imago/Klaus Martin Höfer

Die Meisterhäuser und der zentrale Gebäudekomplex in Dessau – sie alle haben das Bild geprägt vom weißen Bauhaus. Wie UFOs strahlten sie auf der grünen Wiese – eine Architektur von erhabener Reinheit. Doch was hatte Walter Gropius inspiriert zu dieser Sinfonie in Weiß? Wer waren die Vorbilder?

Hier kommen Avantgardisten wie Le Corbusier oder Adolf Loos ins Spiel, die sich schon früh inspirieren ließen vom mediterranen Bauen. Und vor allem hatten es ihnen die griechischen Inseldörfer auf den Kykladen angetan.

Das sind diese traditionellen Häuser, kalk-geweißt, die auch dieses Kubische haben, also wirklich fast im Bauhaus-Stil, wo man fast sagen könnte, die Architekten der Avantgarde haben das eigentlich einfach nur noch mal aufgefrischt.

Philipp Oswalt, Architekt und ehemaliger Direktor des Bauhauses Dessau

Inspirationen aus Griechenland und Japan

Die Auffrischung in Weiß – sie wurde inspiriert von griechischen Inseldörfern, aber auch von japanischen Häusern, der klassizistischen Bäderarchitektur bis hin zu den Ozeandampfern der Moderne.

Haus am Horn, Entwurf von Georg Muche als Versuchshaus, 2011 4 min
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Das Bauhaus steht für Schnörkellosigkeit und den radikalen Bruch mit früheren Architektur-Stilen. Doch ganz neu war die Idee der weißen, kubischen Häuser nicht. MDR KULTUR-Kunstredakteur Andreas Höll berichtet.

MDR KULTUR - Das Radio Mi 16.01.2019 07:10Uhr 03:55 min

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Die Architekten wurden gleichsam zum "Meister Proper der Moderne" – und sie wollten vor allem eines: Abgrenzung und Distinktion, erklärt Philipp Oswalt, Architekturprofessor in Kassel und ehemaliger Direktor des Bauhauses Dessau: "Wir sind ganz anders, das ist das, was hervorragend funktioniert."

Um die Jahrhundertwende, am Ausläufer des Historismus, seien die Architekten "verzweifelt" gewesen, so Oswalt weiter. Sie hätten gesagt: "So geht's nicht weiter, dieser ganze Stil-Mischmasch und dieser Rückgriff auf die historischen Vorbilder, und die Architekten suchten einen neuen Stil."

Hinter der Fassade: konventionelle Bauweisen

Die weißen Fassaden wurden propagiert als unmittelbarer Ausdruck einer neuen Architektur. Unverhüllt und schnörkellos sollte sie sein, rein und pur, ein radikaler Verzicht auf alles Fassadenhafte. Doch das Gegenteil war der Fall, wie Philipp Oswalt erklärt.

Wenn man guckt, was ist hinter so einer weißen Fassade, dann sind das ja noch ganz konventionelle Bauweisen, es ist Mauerwerk, es sind viele Bauelemente, die da zusammengefügt werden, ein ganz wildes Bild ergeben, also von Nacktheit ist keine Spur.

Philipp Oswalt, Architekt und ehemaliger Direktor des Bauhauses Dessau

Das pure und weiße Bauhaus ist ein starker Mythos geworden – und verstärkt wurde er auch durch das Medium der Schwarz-Weiß-Fotografie. Das betraf auch die Gebäude von anderen Avantgarde-Architekten. Oswalt nennt Le Corbusier als Beispiel:

Die frühen Bauten von Le Corbusier sind noch gar nicht so knalleweiß, aber man denkt sie sind knalleweiß auf den Fotografien – und das hat man jetzt bei jüngeren Rekonstruktionen festgestellt, die waren durchaus in gebrochenen Farben.

Philipp Oswalt

Das Bauhaus war bunter als gedacht

Die Schwarz-Weiß-Fotografie hat das Bild vom weißen Bauhaus geprägt – doch in Wirklichkeit ging es viel bunter zu, als man gemeinhin denkt, erklärt Werner Möller, Architekturhistoriker und Designtheoretiker vom Bauhaus Dessau:

Carl Fieger hat sein eigenes Haus in Dessau-Törten gebaut, und dieses Haus war von außen in einem zitronenfarbigen Gelb in Kombination mit Kobaltblau mit den Fensterrahmen gehalten.

Werner Möller, Architekturhistoriker

Möller verweist auch auf die Innenausstattungen der Meisterhäuser, etwa die rosa Wand oder die berühmte goldene Ecke im Haus Kandinsky. "Oder bei Klee vielmehr diese pastosen, warmen Farbigkeiten oder sogar eine Tür sogar abpoliert, dass sie aussieht, als wäre sie eine Kirschholztür und nicht diese anderen weißen, grauen Türen", so Möller.

Das weiße Bauhaus scheint ein Mythos zu sein wie Winckelmanns Antike. Der glaubte, dass die griechischen Skulpturen und Tempel ursprünglich weiß waren – doch in Wirklichkeit waren sie grell bemalt. Das Bauhaus trieb es zwar nicht so bunt – aber die Palette blieb eben nicht beschränkt auf das sagenumwobene, weltentrückte Weiß.

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Die Kunstakademie Breslau wurde unter der Leitung von Hans Poelzig zu einer Avantgarde-Institution. Sie nahm vieles von dem vorweg, was Walter Gropius später in Weimar und Dessau praktizierte.

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Bauhaus-Mythen

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 14. Januar 2019 | 08:40 Uhr