Dana Kavelina, It cannot be that nothings can returned, 2022Video Still
Videostill aus "It cannot be that nothings can returned" von Dana Kavelina – Ukrainische Kunst im Albertinum Dresden Bildrechte: Dana Kavelina

Ausstellung "Kaleidoskop der Geschichte(n)" Schutz vor Plünderung und Zerstörung: Ukrainische Kunst im Albertinum Dresden

06. Mai 2023, 12:03 Uhr

Ukrainische Kunst ist derzeit im Albertinum Dresden zu sehen. Es ist die erste umfassende Ausstellung dieser Art in Deutschland. Damit wird der ukrainischen Kulturgeschichte ein Podium geboten, wie es derzeit im Heimatland als Folge des Angriffskrieges nicht möglich ist. Die Kunstwerke waren und sind in Kiew, Cherson oder Mariupol sogar massiv bedroht. Gezeigt werden Skulpturen, Fotografien, Videoarbeiten und Grafiken von 50 Künstlerinnen und Künstlern aus der Ukraine.

In der neuen Sonderausstellung "Kaleidoskop der Geschichte(n) – Ukrainische Kunst 1912 – 2023" werden im Dresdner Albertinum Werke von 50 Künstlerinnen und Künstlern aus der Ukraine gezeigt. Es sind Gemälde, Skulpturen, Fotografien, Videoarbeiten und Grafiken, Arbeiten vom Anfang des 20. Jahrhunderts bis in die Gegenwart hinein. Die Objekte wurden zum Teil noch nie außerhalb der Ukraine gezeigt und sind derzeit aus Sicherheitsgründen nicht in der Ukraine zu sehen, weil sie nicht zerstört werden sollen. Die Ausstellung ist die erste dieser Art in Deutschland.

Bildliche Zusammenstellung zahlreicher verschiedener Blumen und einiger Nüsse.
Das Ölbild "Blumen und Nüsse" von Kateryna Bilokur ist 1948 entstanden. Bildrechte: Courtesy of the National Folk Decorative Art Museum

Ukrainische Kunst

Kateryna Bilokur, Blumen und Nüsse, 1948 Öl auf Leinwand. 48 cm x 56 cm 4 min
Bildrechte: Courtesy of the National Folk Decorative Art Museum

Kunst in der Ukraine unter Stalin

Mit einer Frau wird dieser Reigen an ukrainischer Kunst eröffnet: Oksana Pawlenko. Auf ihrem Bild "Es lebe der 8. März" von 1930/31 sieht man Bäuerinnen zusammenstehen, einige mit roten Fahnen in der Hand, Frauen, die auch auf dem Dorf für ihre Rechte demonstrieren.

Bäuerliche Sujets spielten in Pawlenkos Werken oftmals eine Rolle, wie überhaupt in der Schule von Mychajlo Bojtschuk – dem ukrainischen Monumentalismus – zu deren Vertreterinnen sie zählte. Unter Stalin waren die Bojtschukisten letztlich Repressionen ausgesetzt und viele wurden erschossen. Oksana Pawlenko nicht, sie überlebte und malte weiter.

Ausstellungsansicht "Kaleidoskop der Geschichte(n) – Ukrainische Kunst 1912-2023"
Die Ausstellung zeigt ukrainische Kunst aus einem Zeitraum von mehr als hundert Jahren. Bildrechte: Galerie Neue Meister, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto: Iona Dutz

Werke des Widerstands

In der Ausstellung werde man immer wieder auf ihre Werke treffen, erläutert die Kuratorin Tatiana Kochubinska, etwa auf spätere, sehr zarte, elegante Bilder, in denen sie sich den Arbeiterinnen widmet. Und dann wieder mache man einen Ausflug zurück in die 1930er, als sie an einem monumentalen Wandgemälde in Charkiw mitgearbeitet hat, das später aber zerstört wurde.

Insofern ist Oksana Pawlenko eine Art Guide durch die Ausstellung, die sich in vier Themenkomplexe gliedert. Der erste ist überschrieben mit "Praxis des Widerstandes". Da das Kuratorinnenteam nicht chronologisch vorgegangen ist, werden den Arbeiten unterschiedlicher Epochen, wie hier der ukrainischen Moderne, immer wieder zeitgenössische Positionen gegenübergestellt.

Plastiktorso einer Frau, an einer Stelle ein Fleck, der wie eine blutende Wunde aussieht.
Zahlreiche ausgestellte Werke regen zum Nachdenken an. Bildrechte: Galerie Neue Meister, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto: Iona Dutz

Spenden sammeln mit Kunst

Beim Projekt "Palianytsia" von Zhanna Kadyrova wurden Steine wie Brotlaibe in Scheiben geschnitten. Diese Künstlerin produziere diese Brote seit Beginn der Invasion, erläutert Kuratorin Maria Isserlis, sie sei mit ihrem Mann aus Kiew geflohen und lebten nun in einem Dorf in den Karpaten. Dort habe sie diese wunderschönen Steine in einem der Bergflüsse gefunden und damit angefangen, daraus ihre neuen Skulpturen zu schaffen. Diese Brot-Skulpturen verkaufe sie auch nach Gewicht – und das erworbene Geld fließe in die Unterstützung der Ukraine. Dies sei ihr Weg des Widerstands, so Isserlis.

Steine, die wie Brotleibe mit abgeschnittenen Schieben aussehen.
Die steinernen Brote von Zhanna Kadyrova erzielen Spenden für die Ukraine Bildrechte: Zhanna Kadyrova, Galleria Continua

Schutz der Kunstwerke vor dem Krieg

Der Krieg in der Ukraine ist unweigerlich ein wiederkehrendes Moment in der Ausstellung. Im aktuellen Angriffskrieg werden auch Museen angegriffen, womit sich zeigt, dass die Zerstörung nicht nur gegen die Menschen gerichtet ist, sondern auch gegen die Kultur.

Im Albertinum wird daher die ukrainische Kunst nicht nur gezeigt, sondern gleichzeitig vor der Zerstörung und Plünderung durch die russische Armee geschützt. Und auch wenn in der Ukraine geblieben Menschen sie derzeit nicht sehen können, finden die Werke hier ein Publikum.

Ankauf zur Unterstützung ukrainischer Künstler

Zudem wurden Künstlerinnen und Künstler von den Staatlichen Kunstsammlungen unterstützt. Beeindruckend ist zum Beispiel das Auftragswerk von Masha Reva, ein monumentales Gemälde mit dem Titel "Glückshügel", das mitten im Krieg 2023 in Kiew entstanden ist. Es zeigt hoffnungsvolle Traumsequenzen in überwältigenden Farben. Aus der Serie "Zeichnung auf dem Majdan" von Lesia Khomenko wiederum wurden einige der Portraits von Protestierenden vom Kupferstich-Kabinett angekauft.

Wir haben festgestellt, dass es jetzt für die Ukrainerinnen und Ukrainer sehr schwer ist, über die Zukunft nachzudenken.

Maria Isserlis, Kuratorin

Gedanken über die Zukunft

Der letzte Raum der Ausstellung fällt mit den "Gedanken über die Zukunft" am kleinsten aus. Dafür bietet er eine Entdeckung, mit dem Kunstarchiv von Fedir Tetjanytsch, das gerade aus der Ukraine geschmuggelt wurde. Zu ihm sagt Kuratorin Isserlis "Er hat wirklich sein Leben lang als Künstler in einem Dorf gelebt und Kartoffeln geerntet – und auf der anderen Seite diese komplett futuristische, technologische Idee von Biotechnosphären entwickelt. Und hier sieht man bestimmte Arten, wie er sich die Städte der Zukunft vorstellt."

Abstraktes Ölgemälde
Fedir Tetyanich, The Universe is infinite, 1970, Öl auf Leinwand, 150 x 250 m Bildrechte: Family Archive of FedirTetyanich

Geschichten wie diese könnten man nahezu über jede der hier vertretenden ukrainischen Künstlerinnen und Künstler erzählen. Am Ende setzt sich daraus eine bisher kaum bekannte, faszinierende Kunstlandschaft zusammen – wie in einem Kaleidoskop.

Die Ausstellung "Kaleidoskop der Geschichte(n). Ukrainische Kunst 1912-2023"

6. Mai bis 10. September 2023

Öffnungszeiten:
täglich 10 bis 18 Uhr, Montag geschlossen

Eintritt:
12 Euro, ermäßigt 9 Euro, unter 17 Jahre freier Eintritt

Albertinum Dresden
Tzschirnerplatz 2
01067 Dresden

Redaktionelle Bearbeitung: op

Ausstellungen und Museen in Dresden und Sachsen

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 06. Mai 2023 | 08:45 Uhr