Frauen am BauhausMarianne Brandt: Mehr als nur die Designerin der Bauhaus-Teekanne
Im Bauhaus-Jubiläumsjahr 2019 wird viel über die männlichen Helden der Kunstschule gesprochen. Die Frauen am Bauhaus wurden dagegen bisher weniger wahrgenommen. Dabei haben auch sie das "Gesamtkunstwerk Bauhaus" entscheidend mitgeprägt. Zum Beispiel die Metalldesignerin Marianne Brandt, die erst spät wiederentdeckt worden ist. Ihre Teekannen oder Zuckerschalen gehören zu den berühmtesten Bauhaus-Arbeiten überhaupt. Aber wer war diese Frau? Ein Porträt.
MT 49 – eine miniaturisierte Teekanne aus Silber und Ebenholz in glänzenden, reinen Formen – hält den Rekord für den höchsten Preis, der jemals für ein Bauhaus-Objekt gezahlt wurde: 361.000 US-Dollar, im Jahr 2007. Erschaffen wurde sie von Marianne Brandt, der visionären Metallgestalterin am Bauhaus, deren kugelige und flache Tee-Extraktkännchen, Zuckerschalen, Sahnegießer und Aschenbecher zu den berühmtesten Bauhaus-Arbeiten überhaupt gehören. Allein die Leipziger Lampen-Firma Kandem verkaufte zehntausende Lampen nach Brandts Entwürfen.
Die fünf Jahre am Bauhaus in Weimar und Dessau waren die fruchtbarsten im Leben der Metallgestalterin, die 1893 als Marianne Liebe in Chemnitz geboren wurde. Als sie im Januar 1924 am Bauhaus immatrikuliert wurde, hatte sie schon eine klassische Ausbildung zur Malerin absolviert, sagt Susanne Radelhof, Autorin der neuen ARD-Dokumentation "Bauhausfrauen".
Dieser Weg erst von einer sehr klassischen figürlichen Kunst zu diesem Tee-Extraktkännchen, also dieser ganz radikalen, avantgardistischen Metallkunst, das ist schon erstaunlich.
Susanne Radelhof, Autorin der ARD-Dokumentation "Bauhausfrauen"
"Eine Frau gehört nicht in die Metallwerkstatt"
Marianne Brandt ist norwegische Staatsbürgerin, als sie am Bauhaus eintrifft, weil sie mit dem norwegischen Maler Erik Brandt verheiratet ist. Sie besucht den Vorkurs bei Josef Albers und Lázló Moholy-Nagy, in den sie sich – nach Beobachtungen von Lucia Moholy – verliebt. Er schlägt ihr vor, in seiner Metallwerkstatt zu arbeiten, einem männlich dominierten Bereich.
Frauen bleiben dort nicht lange: Marianne Brandt macht als einzige in der Metallwerkstatt einen Abschluss und leitet, nach Moholy-Nagys Ausscheiden 1928, die Metallwerkstatt kommissarisch – eine Ausnahme am männerdominierten Bauhaus. Nur noch die Bauhausmeisterin Gunta Stölzl besaß eine verantwortliche Position.
Als Brandt in die Metallwerkstatt eintritt, ist sie anfangs Schikanen ausgesetzt, wie sie selbst einmal erzählt:
Eine Frau gehört nicht in die Metallwerkstatt, war die Meinung. Man hat dieser Meinung Ausdruck zu verleihen gewusst, indem man mir vorwiegend langweilig-mühsame Arbeit auftrug.
Marianne Brandt, Bauhaus-Designerin
"Wie viele kleine Halbkugeln in sprödem Neusilber habe ich mit größter Ausdauer in der Anke geschlagen und gedacht, das müsse so sein und 'aller Anfang ist schwer'! Später haben wir uns dann prächtig arrangiert und uns gut aufeinander eingestellt", so Brandt.
Metallgestalterin und Fotografin
Fotografien der Weimarer Metallwerkstatt zeigen Brandt mit ihrer Kurzhaarfrisur als "Neue Frau", integriert und mit glücklichem Gesichtsausdruck. Die Gruppenmitglieder teilen gar Gesten der Vertrautheit: Brandt hat die Hand ihres Kollegen Wilhelm Wagenfeld auf der Schulter.
In jener Zeit macht sich die Metallgestalterin auch als Fotografin verdient. Sie erkundet die Metallwerkstatt im Geist des "Neuen Sehens": Uhren, Metallspäne oder Hohlspiegel werden irritierend arrangiert, angeschnitten oder gekantet. 1929 verlässt Brandt dennoch das Bauhaus, frustriert von ihren männlichen Kollegen, die ihre Autorität häufig herausfordern. Ihr dort erzieltes Niveau kommt nun den Ruppelt-Werken in Gotha zugute, deren Kollektion sie revolutioniert.
Mit der Machtübernahme der Nazis beginnt der Stern der Gestalterin zu sinken, ihr Werk gilt als "entartet". 1933 verlässt sie Deutschland, 1935 folgt die Scheidung von ihrem norwegischen Ehemann. Sie kehrt schließlich in die Enge ihres Chemnitzer Elternhauses zurück. Dort greift sie wieder zum Pinsel, die Resultate sind wieder – wie in ihren Anfängen – klassisch, haben nur wenig mit der Bauhaus-Künstlerin gemein und werden heute in der "Neuen Sächsischen Galerie" in Chemnitz aufbewahrt.
Es sind ganz eigene Sachen entstanden, die aber nicht so ins öffentliche Bewusstsein gerückt sind. Sie hat das auch teils für sich gemacht.
Alexander Stoll, Kurator der Neuen Sächsischen Galerie Chemnitz
So seien etwa 1945 Trümmerlandschaften entstanden, weil Brandts Haus zerstört worden sei, sagt Stoll. Insgesamt handele es sich um eher private Zeichnungen: "Garten, spielende Kinder und das Selbstporträt mit Sonnenhut."
Die italienische Firma "Alessi" reproduziert Brandts Aschenbecher und Schüsseln, ohne dass sie dafür je Lizenzgebühren erhält. Brandts Design-Bemühungen in der DDR gehen im Einheitsstil des sozialistischen Industriedesigns unter. 1983 stirbt Brandt unbeachtet nahe ihrer Geburtsstadt Chemnitz.
ProgrammtippFrauen am Bauhaus – Themenabend im Ersten
Mi, 13.02. | 20:15 Uhr (Film)
Lotte am Bauhaus
Mi, 13.02. | 22:00 Uhr (Doku)
Bauhausfrauen
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Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 04. Februar 2019 | 08:40 Uhr