Werke von Emmy von Egidy Keramik-Museum Bürgel zeigt vergessene Meisterwerke des Jugendstils
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Um 1900 eroberte der Jugendstil Europa. Teil der künstlerischen Avantgarde-Bewegung war die Keramikerin und Schriftstellerin Emmy von Egidy. Sie lernte ihr Handwerk, das Töpfern, im thüringischen Bürgel. Das dortige Keramikmuseum widmet ihr nun noch bis zum 23. April eine Retrospektive – und würdigt die bislang wenig beachtete Künstlerin mit der Ausstellung als Meisterin plastischer Gestaltung.

Back to the roots, würde man heute sagen. Genau da wollte Emmy von Egidy hin, nachdem sie gerade erst in München mit ein paar anderen Künstlern eine "nette kleine Revolution im Kunsthandwerk" angezettelt hatte. Diese gar nicht so kleine Revolution nannte sich Jugendstil, doch nun, im Oktober 1898, hatte sie sich entschlossen, direkt an der Basis dazuzulernen. Im malerisch gelegenen ostthüringischen Städtchen Bürgel, das sich bei ihrer Ankunft "mit bunt geflickten Dächern" vor ihr erhob.
Töpferstadt Bürgel zeigt erste Retrospektive der Künstlerin
Nur zwei Tage später trägt sich Emmy von Egidy ins Gästebuch des Bürgeler Keramikmuseums ein. Das Museum gab es zu jener Zeit nämlich schon, zusammen mit der St.-Johannes-Kirche Mittelpunkt des Ortes, schon damals Töpfer-Hauptstadt Thüringens. Eben dieses Museum stellt jetzt, genau 125 Jahre später, die Werke Emmy von Egidys aus.
Ein wahres Doppeltalent, wie Museumsleiterin Antje Neumann-Golle ausführt: "Sie war Schriftstellerin und Keramikerin, und wir haben diese beiden Werkgruppen hier in der Ausstellung vereint. Wir zeigen all ihre Romane, aber auch all ihre auffindbaren Keramiken, die bis jetzt bekannt sind. Insofern ist das die erste Schau über Emmy von Egidy, die den Wissensstand, den wir jetzt haben, und die Kenntnis ihres Werks zeigen."
Emmy von Egidy prägte mit ihrer Keramik den Jugendstil
So muss man sich Emmy von Egidy während Zeit in Bürgel vorstellen: eine junge Frau von 26 Jahren, Tochter eines Offiziers, die in Turnhose an der Töpfer-Drehscheibe saß und erstmal eine zentrifugale Niederlage nach der anderen einstecken musste – weshalb man ihren Aufenthalt in Bürgel durchaus auch als Übung in Demut verstehen kann.
Natürlich geht die skulpturale Könnerschaft von Egidys späteren Arbeiten auch auf die dort gewonnene Erfahrung zurück: "Alle Vasen sind gegossen, aber das Besondere an den Stücken ist, wie amorph sie wirken, so, als wäre etwas Organisches blockhaft innerhalb des Wachstumsprozesses erstarrt", so Antje Neumann-Golle. "Man guckt fast wie durch eine bewegte Wasseroberfläche, und in der Kombination mit den farbenfrohen Glasuren – da merkt man, dass dieser Jugendstil so etwas wie ein Frühling war, der plötzlich in die Kunst einbrach."
Ausstellung in Bürgel widmet sich einer der ersten Töpferinnen
An ihre Zeit in Bürgel hat sich Emmy von Egidy später in ihrer autobiografischen Erzählung "Die Töpferstadt" so erinnert:
Ich war wohl die erste Frau, die sich an die Drehscheibe setzte. Meine Erlebnisse in dieser kleinen Stadt [Bürgel], unter den Handwerkern, die meine Freunde wurden, gehörten zu den schönsten Erinnerungen meines Lebens.
Besuch im Museum mit Töpferrundweg in Bürgel verbinden
Diese Geschichte lässt sich im erstklassig gestalteten Ausstellungskatalog nachlesen: die Geschichte einer Emanzipation; die Geschichte einer Keramikerin und Bildhauerin, die Fluidum und Abstraktion im Gebrauchsobjekt entdeckte.
Jetzt muss man sich entscheiden: Ob man zuerst den 4,5 Kilometer langen Töpferrundweg durch und rund um Bürgel beschreiten möchte – oder nach dem Schritt über die Museumsschwelle einfach staunen will: darüber, wie auf einer kleinen Scheibe, schnell gedreht, ganze Welten entstehen können.
Weitere Informationen
"Emmy von Egidy"
Vom 19. November 2022 bis 23. April 2023
Keramik-Museum Bürgel
Kirchplatz 2, 07616 Bürgel
Öffnungszeiten:
Mittwoch bis Sonntag von 11 bis 16 Uhr
Ab dem 1. April ist das Museum dienstags bis sonntags von 11 bis 17 Uhr geöffnet.
Redaktionelle Bearbeitung: Valentina Prljic
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 25. Februar 2023 | 17:15 Uhr