Schloßbergmuseum Spektakulärer Kirchenraub: Ausstellung in Chemnitz präsentiert "geraubte Heilige"
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Ein spektakulärer Kirchenraub ist Ausgangspunkt für eine neue Ausstellung im Schloßbergmuseum Chemnitz. 1990 wurden spätgotische Schnitzfiguren aus einer Kirche im sächsischen Oberlungwitz gestohlen. Erst 2006 wurden die "geraubten Heiligen" mit einer Ausnahme wieder aufgespürt. In Chemnitz werden diese und weitere Kunstschätze nun ausgestellt und die teils abenteuerliche Geschichte der einzelnen Objekte, darunter wertvolle Skulpturen und Reliefs, erzählt.

Ihr Alter sieht man den spätgotischen Altarfiguren an. Um 1517 sind sie in der Werkstatt des Zwickauer Bildschnitzers Leonhard Herrgott entstanden. Doch selbst wenn sich originale Farbbemalungen ablösen, an Pracht haben die Heiligen nichts eingebüßt. Ursprünglich gehörten sie zu einem Flügelaltar in der St. Martinskirche im sächsischen Oberlungwitz und in einer solchen Konstellation werden sie jetzt auch im Schlossbergmuseum präsentiert.
Neue Ausstellung im Chemnitzer Schloßbergmuseum
Stolz zeigt Stefan Thiele, Kurator der Ausstellung, das Ensemble: Im Zentrum steht die Heilige Anna mit ihrer Tochter Maria und dem Jesuskind auf dem Arm, flankiert von der Heiligen Barbara und der Heiligen Katharina und an den angedeuteten Außenflügeln der St. Martin und der Heilige Christopherus.
Dass wir die Möglichkeit haben, einen beinahe vollständigen spätgotischen Flügelaltar bei uns wieder aufbauen zu können, so etwas haben wir nicht allzu häufig. Vor allen Dingen nicht in dieser Dimension und dieser Größe.
Thiele hat die Ausstellung im Chemnitzer Schloßbergmuseum, das die bedeutendste Sammlung gotischer Sakralkunst in Sachsen beherbergt, kuratiert. Was aber an einigen Skulpturen, wie an der Heiligen Anna auffällt: An ihnen hängt jeweils ein kleiner Zettel mit einer Registriernummer vom sächsischen Landeskriminalamt. "Die hängen jetzt hier dran und werden auch dran bleiben", womit Thiele darauf verweist, dass sie jetzt mit zur Geschichte der jeweiligen Heiligenfigur gehören.
Kunstschätze galten lange als verschollen
Was war geschehen? In der Nacht vom 17. zum 18. Oktober 1990 war in die Oberlungwitzer Kirche eingebrochen worden. Durch ein Fenster sind die Diebe, von denen bis heute jede Spur fehlt, damals eingestiegen und haben mitgenommen, was sie auf die Schnelle greifen konnten, eben acht Schnitzfiguren aus der Zeit der Spätgotik und des Barock. Viele Jahre galten die wertvollen Kunstschätze als verschollen, bis 2003 eine Skulptur im Internet zum Kauf angeboten wurde.
Ein bis heute nicht aufgeklärter Krimi
Einem Mitarbeiter der Glauchauer Museen, der die Figuren kannte, sei es zu verdanken, dass die Figuren zurückgeführt werden konnten, erzählt Stefan Thiele. Dieser entdeckte die Figuren, woraufhin das Landeskriminalamt bei einem Bamberger Antiquitätenhändler den Rest der Figuren, der noch vorhanden war, sicherstellte.
"Es fehlt eine, aber wir können froh und dankbar sein, dass der Gesamtbestand durch die Zwischenhändler nicht auseinandergenommen wurde und dann auch im Ganzen wieder zurückgeführt werden konnte", erklärt Thiele.
Seltene Kunst aus Gotik und Barock in Chemnitz zu sehen
Dieser Krimi stand letztlich auch Pate für den Titel der Sonderausstellung: "Die geraubten Heiligen". Allerdings werden noch weitere sakrale Schätze gezeigt, die ebenfalls eine bewegte – wenn auch nicht immer eine solch abenteuerliche – Vorgeschichte vorzuweisen haben. Auf jeden Fall aber haben sie hohen Seltenheitswert, wie etwa ein großes Schnitzrelief, das die Himmelfahrt und die Krönung Marias zeigt oder ein Marienaltar, der ebenfalls aus der Kirche in Oberlungwitz stammt.
Das ist tatsächlich was ganz Besonderes, weil diese Komposition dreier heiliger Jungfrauen, die im Block gearbeitet sind, innerhalb einer Gruppe [...], gibt es so in Sachsen nicht nochmal. Das war auch für uns eine Überraschung.
Entsprechend froh sind Stefan Thiele und sein Team, die Figuren bei sich zu haben und erforschen zu können – zum Beispiel mit Blick auf die Herkunft dieses Bildtyps. Und natürlich stehen sie am Ende auch vor der Aufgabe, die Restaurierung dieser Arbeit in Angriff zu nehmen.
Restaurierung gestohlener Kunstwerke geplant
Was wiederum auch für die Skulpturengruppe des Annenaltars gilt, für die demnächst ein entsprechendes Konzept erarbeitet wird. Dabei geht es laut Stefan Thiele zunächst vor allem darum, zu verhindern, dass es weitere Verluste an der Oberfläche gibt.
"Das ist momentan das Problem dieser Figuren, die sind sehr instabil, was die Bemalung und die Vergoldungen und weniger die Holzsubstanz betrifft. Die ist weitgehend in Ordnung, aber die Oberfläche ist in einem versehrten Zustand, was nicht zuletzt eine Folge dieser jahrelangen Lagerung unter nicht allzu günstigen Umständen und des immer wieder stattfindenden Transports geschuldet ist."
Die Odyssee der geraubten Heiligen hat letztlich in Chemnitz ein gutes Ende genommen. Seit 2022 bereichern die wertvollen Figuren als Dauerleihgabe die Sammlung des Schloßbergmuseums. Dort werden sie künftig, zusammen mit anderen Objekten aus der Sonderausstellung, auch ihren festen Platz bekommen.
Angaben zur Ausstellung
"Die geraubten Heiligen – Gotische Kunst mit bewegter Geschichte"
Sonderausstellung vom 26. März bis 4. Juni 2023
Schloßbergmuseum Chemnitz
Schloßberg 12, 09113 Chemnitz
Öffnungszeiten:
Di, Do bis So, Feiertag 11 bis 18 Uhr
Mi 14 bis 20 Uhr
Preise:
6 Euro, ermäßigt 4 Euro
Für Kinder und Jugendliche unter 18 sowie Schülerinnen und Studenten der TU Chemnitz ist der Eintritt frei.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 25. März 2023 | 10:10 Uhr