Nachrichten & Themen
Mediathek & TV
Audio & Radio
MDR KULTUR im RadioMDR KULTUR im FernsehenÜber unsKontaktSuche
Generaldirektor Frédéric Bußmann verlässt überraschend die Kunstsammlungen Chemnitz und wechselt nach Karlsruhe. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

PersonalieDarum verlässt Frédéric Bußmann die Kunstsammlungen Chemnitz

17. März 2023, 17:07 Uhr

Generaldirektor Frédéric Bußmann verlässt überraschend die Kunstsammlungen Chemnitz und wechselt nach Karlsruhe. Das gab die Stadt am Freitag bekannt und sprach von einem "üblichen Vorgang im Kunstbetrieb". Bußmann selbst erklärte im Gespräch mit MDR Kultur, die Entscheidung sei ihm nicht leicht gefallen, aber "beruflich und privat ein guter Schritt". Und er zog eine erste Bilanz.

Der Generaldirektor der Kunstsammlungen Chemnitz, Frédéric Bußmann, verlässt Sachsen und wechselt zur Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe. Dazu erklärte Kulturbürgermeisterin Dagmar Ruscheinsky am Freitag in einer Mitteilung der Stadt Chemnitz, der Wechsel sei "als ein üblicher Vorgang im Kunstbetrieb einzuordnen". Sie dankte Bußmann in einem kurzen Statement für die "Impulse, die er in Chemnitz gesetzt hat, und seine hier geleistete Arbeit" und fügte hinzu: "Wir sind uns sicher, dass wir als künftige Kulturhauptstadt Europas eine geeignete Lösung für die Nachfolge an der Spitze der Kunstsammlungen finden werden." Chemnitz wird 2025 Kulturhauptstadt Europas sein.

Stadt Chemnitz: Zeitnah neue Ausschreibung für Bußmann-Nachfolge

Sprecher Matthias Nowak ergänzte im MDR-Gespräch, die Stadt werde zeitnah ein Ausschreibungsverfahren starten. Wenn man gute Leute verpflichten wolle, seien die meist an Kündigungsfristen andernorts gebunden:

Wir möchten die Stelle so schnell wie möglich neu besetzen, damit die Kunstsammlungen Chemnitz im Kulturhauptstadtjahr hervorragend präsentiert werden können.

Matthias Nowak | Sprecher der Stadt Chemnitz

Weiter sagte Nowak: "Die Kunstsammlungen bestehen ja nicht nur aus Herrn Bußmann, sondern haben ein hervorragendes Team und das, was zum Kulturhauptstadtjahr im Bidbook beschrieben ist, wird natürlich auch umgesetzt."

Bußmann: Beruflich und privat ein guter Schritt

Bußmann selbst erklärte im Gespräch mit MDR Kultur am Freitagnachmittag, die Entscheidung sei ihm nicht leicht gefallen, aber sie sei beruflich und privat ein guter Schritt. Die Herausforderung, in Karlsruhe ein traditionsreiches Landesmuseum mit einer bedeutenden Sammlung Alter Meister zu leiten und den Umbau des Hauses zu gestalten, habe ihn gereizt. Ebenso die Nähe zu Frankreich, dort sei er geboren, seine Promotion habe er über französische Kunst des 18. Jahrhunderts geschrieben. So gehe er aus Sachsen in den tiefen Westen und könne mit seinen Erfahrungen vielleicht zum Brückenbauer werden.

Im Blick auf Chemnitz als Europas Kulturhauptstadt 2025 sieht er die Vorbereitungen an den Kunstsammlungen "in guten Bahnen". Dafür arbeite am Haus ein wunderbares Team gemeinsam mit den Partnern in Stadt, Land und Bund. Befragt nach der Bilanz seiner fünf Jahre in Chemnitz sprach Bußmann von einer "sehr guten, intensiven Zeit". Er habe sich schnell orientieren müssen. Nach einigen Wochen im Amt sei es zu den Ausschreitungen gekommen, die bundesweit Schlagzeilen machten. Er habe Museen immer als gesellschaftlich relevante Orte gesehen. So sei darauf mit kulturellen Angeboten wie dem Open Space und anderen Projekten reagiert worden. Kunstvermittlung und Digitalisierung seien in den letzen Jahren deutlich vorankommen, ebenso tolle Ankäufe getätigt worden, darunter zuletzt Erich Heckels Skulptur Stehende, führte er weiter aus. Zugleich verwies er auf spannende Ausstellungen, die für 2023 noch geplant seien.

Bußmann tritt Amt in Karlsruhe im August an

An der Spitze der Staatlichen Kunsthalle in Karlsruhe tritt Bußmann die Nachfolge von Pia Müller-Tamm an, die das Museum seit 2009 geführt hatte und sich Ende April in den Ruhestand verabschiedet. Wie das Stuttgarter Wissenschaftsministerium mitteilte, übernimmt der 48-jährige das Amt zum 1. August 2023: "Wir sind überzeugt, dass es ihm gelingen wird, die besonders schwierige Zeit der baulich bedingten Schließung ideenreich zu füllen", sagte Baden-Württembergs Kunstministerin Petra Olschowski.

Seit 2018 Generaldirektor der Kunstsammlungen Chemnitz mit Haltung

Bußmann ist seit 2018 Generaldirektor der Kunstsammlungen Chemnitz, zu denen u.a. auch das Museum Gunzenhauser und das Carlfriedrich Claus Archiv gehören. Der studierte Kunsthistoriker trat damals die Nachfolge der langjährigen Chefin Ingrid Mössinger an, die dem Haus mit Ausstellungen wie "Picasso und die Frauen" oder der weltweit ersten Museumsschau mit Arbeiten von Bob Dylan zu internationalem Renommee und einem ungeahnten Besucherzuwachs verhalf. In den insgesamt vier dazugehörigen Museen verantwortet Bußmann seither das Ausstellungs-, Sammlungs- und wissenschaftliche Programm. Im Juli 2022 wurde er außerdem zum Honorarprofessor an der Hochschule für Bildende Künste Dresden berufen.

Zum Amtsantritt kündigte er an, eigene Wege gehen zu wollen und meinte selbstbewusst:" Die Fußstapfen sind sehr groß, sie beeindrucken mich trotzdem nicht." Er wollte vor allem internationale Kunstschaffende der Gegenwart nach Chemnitz holen. Zur Präsentation von DDR-Kunst meinte er, jedes Museum müsse sich auf seine Stärken konzentrieren. Nur weil es auf dem Gebiet der DDR liege, müsse es nicht nicht zwangsläufig DDR-Kunst zeigen.

Bußmann zeigte in Chemnitz auch außerhalb des Museums Haltung. Als er im März 2022 fünf Jugendliche auf der Straße in Chemnitz darauf hinwies, dass sich Naziparolen und Hitlergruß verbieten, wurde er verprügelt: "Während keine 2.000 Kilometer von hier Menschen im Ukraine-Krieg sterben, so einen Mist zu erzählen, geht gar nicht, habe ich gesagt." Mit einem auf Twitter geposteten Foto seiner zerbrochenen Brille machte er den Vorfall öffentlich. Danach erklärte er im MDR-Gespräch, er habe viel Zuspruch auch für die gesellschaftspolitische Arbeit der Kunstsammlungen bekommen. "Wenn Sie mich fragen, ob ich die Schnauze voll habe von Chemnitz? Nein. Ich bin schockiert, aber ich denke, es ist wichtig, dass wir weitermachen."

Neustart auf der Baustelle

Bußmann wurde in Frankreich geboren und wuchs in Münster auf. In Berlin und Rom studierte er Kunstgeschichte. Erste Stationen seiner Karriere waren das Deutsche Forum für Kunstgeschichte in Paris und die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen in München. Von 2011 bis 2018 war er Kurator am Museum der bildenden Künste in Leipzig (MdbK), zuständig für Malerei und Plastik vom 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart und auch Kunst der DDR. Zuletzt betreute er dort die große Retrospektive des Leipziger Malers Sighard Gille.

Nach fünf Jahren in Chemnitz übernimmt er mit der Karlsruher Kunsthalle nun ein Haus mit einer Sammlung von rund 3.500 Werken der europäischen Kunstgeschichte, knapp 100.000 Zeichnungen und Druckgrafiken. Die Kunsthalle wird momentan umgebaut.

Quelle: Stadt Chemnitz, dpa, MDR / Redaktionelle Bearbeitung: Katrin Schlenstedt

Mehr zu den Kunstsammlungen Chemnitz

Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 17. März 2023 | 10:30 Uhr