"Chic! Schmuck. Macht. Leute." Schmerz und Schönheit: Chemnitzer Ausstellung zeigt Körperschmuck aus mehr als 2.000 Jahren
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Ein 2.200 Jahre altes Tattoo, langgezogene Schädel und ein Penis-Windspiel: Die Lust, sich zu schmücken und den eigenen Körper zu verzieren, ist so alt, wie die Menschheit selbst. Schmuck unterstreicht die eigene Individualität, ist Statussymbol, mitunter Machtdemonstration. Und für die Schönheit nimmt der Mensch Schmerzen in Kauf. Davon erzählt die neue Ausstellung "Chic! Schmuck. Macht. Leute", die ab dem 1. April 2022 im Staatlichen Museum für Archäologie in Chemnitz (smac) zu sehen ist, und zeigt rund 350 Exponate aus aller Welt.
Im Fracht-Container am Eingang fehlt das vorgesehene Exponat: die 2.200 Jahre alte Mumie eines sibirischen Reiterkriegers aus dem Institut für Archäologie und Ethnographie in Nowosibirsk. Dessen Direktor, Andrej Krivoshapkin, erklärt in einer Videobotschaft: "Unglücklicherweise konnten wir aus Gründen, die sie alle kennen, das archäologische Original nicht nach Chemnitz schicken."
Um die Chemnitzer Ausstellung dennoch zu retten, stellten die Nowosibirsker lebensgroße 3D-Aufnahmen der Mumie zur Verfügung. Sie werden auf einen weißen Quader projiziert, der im ansonsten leeren Container steht. "Diese Aufnahmen sind wirklich äußerst gut", schwärmt Kuratorin Karina Iwe. "Wir präsentieren ganz bewusst die Leere und zeigen ihn (den Krieger) trotzdem."
Ausstellung zeigt Schönheit ohne Schmerzgrenzen
Die Mumie – das erkennt man auf den ersten Blick – ist erstaunlich gut erhalten, mit Haut und Haar – Permafrostboden sei Dank. Dabei weist der Körper des vielleicht 25 Jahre alten Mannes eine große Tätowierung am rechten Oberarm auf. Für die Kuratorin eine Sensation: "Dass sich eine Tätowierung erhält aus der Eisenzeit, das ist wirklich phänomenal!"
Zu sehen ist ein stilisiertes Fabelwesen, seinerzeit unter Verwendung von Holzkohle gestochen. Es beweist: um schön zu sein, nehmen Menschen seit jeher Schmerzen in Kauf.
Davon zeugen auch die langgezogenen Turmschädel aus dem Mittelalter – Ergebnis straffer Kopfbandagen vom Säuglingsalter an. Oder straffgeschnürte Korsetts, die das Atmen erschweren. Die Schmerzen, die eine Gruppe Wikinger erlitten haben muss, weil sie gefeilte Zähne schön fand, mag man sich gar nicht ausmalen. Was die Epochen eint: Der Drang, sich zu optimieren, scheint grenzenlos.
Kuriositäten im Chemnitzer Museum
So findet sich unter den 350 Exponaten aus aller Welt auch die eine oder andere Kuriosität. "Intimhaar-Färbemittel! Das ist etwas, womit ich mich noch nie beschäftigt habe", lacht Karina Iwe.
Ihre Kollegin Yvonne Schmuhl hat einen eigenen Favoriten: einen geflügelten Phallus. Er hängt an einer Bronzekette und ist mit drei Glöckchen verziert. "Wenn Wind sich in den Glocken verfängt, dann macht das Windspiel Musik", erklärt sie. So erklungen im 1. Jahrhundert nach Christus im Raum Trier. Dort hing das Windspiel wahrscheinlich im Hauseingang einer Villa. Es galt nicht nur der Zierde. Der geflügelte Penis galt bei den Römern vor allem als Glücksbringer. Es sind die kleinen Geschichten hinter den Exponaten, die die Ausstellung erzählt, die sie so kurzweilig machen.
Nahezu jeder Mensch schmückt sich. Es handelt sich dabei um ein Grundbedürfnis des Menschen.
Mehr Informationen zur Ausstellung
"Chic! Schmuck. Macht. Leute."
1. April bis 28. August 2022
smac – Staatliches Museum
für Archäologie Chemnitz
Stefan-Heym-Platz 1, 09111 Chemnitz
Öffnungszeiten:
Dienstag bis Sonntag: 10 bis 18 Uhr
Donnerstag: 10 bis 20 Uhr
Vielseitige Ausstellungsstücke
Auf 900 Quadratmetern wird Schmuck aus Perlmutt, Mammutzähnen oder Gold präsentiert. Lockenwickler und Parfümflacons. Kronen aus dem Grünen Gewölbe in Dresden. Da fällt eine ungefähr 14 Zentimeter hohe Venus-Statuette fast ein wenig aus dem Rahmen. Sie stellt ihre Nacktheit, völlig unverziert, zur Schau. Für die römische Göttin der Schönheit gilt: Nacktheit ist der schönste Schmuck.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 01. April 2022 | 08:40 Uhr