Auszeichnung Architekt des Erinnerns: Darum bekommt Daniel Libeskind den Dresdner Friedenspreis
Hauptinhalt
Er hat unter anderem das Jüdische Museum in Berlin gebaut und das Militärhistorische Museum in Dresden zu einem unübersehbaren Antikriegsmuseum umgestaltet. Dafür wird Daniel Libeskind am Sonntag mit dem Internationalen Friedenspreis, dem "Dresden-Preis", geehrt. In der Jury-Begründung dazu heißt es: "Wir brauchen Stätten der Erinnerung und der Mahnung. Und sie sollten sein, wie die von Daniel Libeskind entworfenen: unübersehbar."

Es ist ein beeindruckendes Panorama von Dresden: Mitten in dem riesigen Keil aus Glas, Stahl und Beton des Militärhistorischen Museums stehend blickt man aus nördlicher Richtung hinunter auf die Stadt. Der Architekt Daniel Libeskind hat diesen Keil in den ursprünglich neoklassizistischen Bau quasi hineintreiben lassen.
Es ging dem Architekten dabei aber nicht nur um eine grandiose Aussicht in luftiger Höhe. Der Bau soll die Fliegerstaffel symbolisieren im Anflug auf Dresden und mit seiner Spitze weist der Keil zum Ostra-Gehege – wo am 13. Februar 1945 die erste Bombe fiel: "Man sieht das Panorama der Stadt", so Libeskind. "Aber man ist auch in einem Raum, der die Zerstörung zeigt, die sie erlitten hat durch die Auslöschung durch alliierte Bomber 1945."
Dresdens Geschichte erspüren
Weder Glanz noch Ruhm verbindet sich demnach hier mit Militärgeschichte. Vielmehr wird die hässliche Seite menschlicher Gewalt gezeigt, wird Krieg in seinem Wesen und seinen Ursachen hinterfragt. Die Geschichte des Ortes oder sogar einer ganzen Stadt wie Dresden ist für Daniel Libeskind immer Ausgangspunkt für seine Entwürfe.
Allerdings geht es ihm dabei nicht um eine bloße Rückschau: "Wir müssen uns selbst in der Zukunft betrachten: Was wird die Welt von uns denken, von unseren Handlungen? Was wir hätten tun sollen? Wenn wir in der Geschichte zurückblicken, stellen wir uns auch diese Fragen: Warum sind Dinge passiert und warum haben sich die Menschen nicht aufgelehnt gegen das, was uns heute unvermeidlich erscheint? Aber es ist nie unvermeidlich, es ist eine Frage der Entscheidung."
Den Orten zuhören
Um ein Gefühl dafür zu bekommen, begibt sich der Architekt auch mitten hinein in den historischen Ort, an dem seine avantgardistischen, virtuos durchdachten Arbeiten entstehen sollen. So stieg er beispielsweise in die Grube von Ground Zero in New York, die damals noch eine Trümmerwüste, ein Friedhof war, und ließ sich so zu seinem Masterplan für die Wiederbebauung inspirieren.
"Ich bin kein avantgardistischer Architekt", stellt Libeskind für sich fest. "Ich verwende sehr traditionelle Methoden: Ich gehe in die Umgebung, stecke meinen Kopf in den Boden des Ortes, höre auf die Stimme, mit der er zu mir spricht. Dann zeichne ich einen Plan, der funktional sein muss. Aber gleichzeitig ist es eine Idee, die aus dem Geist des Ortes erwächst, aus dem Geist dessen, was er uns mitteilen will."
Erinnerungen von Daniel Libeskind
Wenn sich Daniel Libeskind in seiner Architektur mit Geschichte auseinandersetzt, dann gehört auch immer seine eigene dazu. Als Sohn von zwei Shoah-Überlebenden wurde er 1946 in Polen geboren. Die Familie emigrierte nach Israel und siedelte später in die USA über. Er studierte zunächst Musik, dann Architektur. International bekannt wurde er, als er 1989 mit seinem Entwurf "Between the Lines" den Wettbewerb für das Jüdische Museum in Berlin gewann: Viele deuten den heutigen Bau als einen zerbrochenen Davidstern.
Daniel Libeskind will damit an die durch die Nationalsozialisten verfolgten und ermordeten Juden erinnern: "Die Erinnerung selbst steht im Mittelpunkt meiner Arbeit. Es ist nicht der Boden, der Untergrund, der das Fundament eines Gebäudes bildet, sondern die unsichtbare Geschichte eines speziellen Ortes. Sich daran zu erinnern, was geschehen ist, sich auch Zukünftiges vor Augen zu führen, ist natürlich Teil eines jeden Gebäudes – aber doch besonders bei Bauten, die eine kulturelle Bedeutung haben wie Museen."
Botschaft des Friedens in Dresden
Für diese Erinnerungsarchitektur, wie Libeskind sie etwa mit dem 9/11-Memorial in New York, der Umgestaltung des Militärhistorischen Museums zu einem Antikriegsmuseum in Dresden oder dem Holocaust-Mahnmal in Amsterdam geschaffen hat, wird Daniel Libeskind nun mit dem "Dresden-Preis", einem Friedenspreis ausgezeichnet.
"Jedes meiner Bauten ringt darum, Frieden zu bringen, für Verstehen zu sorgen – denn ohne Verstehen werden wir in Konflikt geraten. Und um für Verstehen zu sorgen, muss man nicht nur mit dem Verstand, sondern mit dem Herz fühlen." So versteht denn auch Daniel Libeskind seine architektonischen Arbeiten genau als das, was sich mit dem "Dresden-Preis" verbindet: als Botschafter für den Frieden.
Mehr Informationen
Militärhistorisches Museum der Bundeswehr
Adresse:
Olbrichtplatz 2
01099 Dresden
Öffnungszeiten:
Montag 10 bis 21 Uhr
Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr
Mittwoch geschlossen
Ein barrierefreier Zugang zum Museum ist möglich.
Redaktionelle Bearbeitung: Thilo Sauer
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 18. Februar 2023 | 08:10 Uhr