"Fake – Die ganze Wahrheit" Neue Ausstellung in Dresden fragt: Wie gefährlich sind Fake News?
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Ist Wahrheit immer gut, und sind Lügen immer schlecht? Ganz so einfach sei das nicht, zeigt die neue Ausstellung "Fake – Die ganze Wahrheit" im Deutschen Hygiene-Museum Dresden. In der interaktiven Ausstellung, die ab dem 14. Mai zu sehen ist, können sich Besucherinnen und Besucher testen, wie anfällig sie für Fake News sind. Dafür haben die Macher der Schau augenzwinkernd das "Amt für die ganze Wahrheit" gegründet. Die Besucher müssen selbst entscheiden, welche Lüge akzeptabel ist und welche nicht.
Lügen, Manipulationen, Gerüchte, Verschwörungen – unsere von Medien dominierte Welt scheint immer weiter anzuschwellen von immer mehr und immer besseren Fälschungen. Daniel Tyradellis hat die Ausstellung "Fake – Die ganze Wahrheit" kuratiert. In das Dresdner Hygiene-Museum ließ Tyradellis dabei das "Amt für die ganze Wahrheit" bauen, als eine immersive Ausstellung, die hineinziehen soll und der man sich nicht so einfach entziehen soll und kann.
Amtsleiter ist der Schauspieler Martin Wuttke. Die Besucherinnen und Besucher werden mit den Worten begrüßt: "Im Namen des Departementsvorstehers für Lügenbekämpfung darf ich Sie ganz herzlich begrüßen im 'Amt für die ganze Wahrheit'." Wobei ein Amt eigentlich das Gegenteil einer spielerischen Gedanken-Forschungsstätte wäre.
Dresdner Ausstellung hinterfragt Akzeptanz von Lügen
Tyradellis beschreibt das Amt: "Niemand mag Ämter, das ist schon klar. Aber Ämter haben die Funktion, Stabilisierung zu bewirken. Sie sollen Orientierung geben. Sie normieren. Und eine solche Normierung ist ein bisschen das, was in einer Gesellschaft für wahr gehalten wird. – Und in diesem Amt wollte ich sozusagen das Gegenteil tun, nämlich Fake und Lüge implementieren und zu schauen, was passiert dann aus dieser Reibung?"
Es stellen sich für Tyradellis Fragen wie, ob ein Amt immer Recht haben wolle. Und angesichts der Tatsache, dass die Welt sich ständig verändere und eine Gesellschaft immer wieder neu darüber entscheiden müsse, welche Lüge akzeptabel sei und welche nicht.
Welche Lüge ist kollektiv so bedeutsam, dass sie womöglich schon wieder wahr wird?
"Man kann nicht einfach die Lüge verurteilen"
In der "Fachabteilung für Lügenerziehung und angewandte Pinoccioforschung" können die Besucher ein Brettspiel spielen. Auf Entscheidungssituationen wie in einer Polizeikontrolle oder bei einem anstehenden Familienbesuch sollen sie aufrichtig antworten – oder flunkern.
Wenn man bei diesem Würfelspiel immer bei der Wahrheit bliebe, würde man in vier Zügen einmal komplett durch den Raum gegangen sein, wo dann an der Tür Exit stünde, also Tod, Ende, Ausgang, so Kurator Tyradellis. Würde man immer bei der Wahrheit bleiben, hätte man in kürzester Zeit und absoluter Reinheit sein Leben hinter sich gebracht – und das wär es dann aber auch gewesen. Würde man jedoch anfangen, Kompromisse mit der Wahrheit zu machen, würde es schwieriger, führt Tyradellis fort, "Gehe ich Umwege ein, verhedderte ich mich, aber es wird eben auch lebendig." Es würde so auch menschlich, was Tyradellis wichtig zu bedenken gibt. Will man denn wirklich immer die Wahrheit wissen?
Man darf nicht, man kann nicht einfach die Lüge verurteilen im Namen einer Wahrheit. So sind Menschen nicht.
Doch Lügen können einen immensen Einfluss auf Menschen haben, auf die Gesellschaft, auf die Geschichte. In der zentralen Lügenanlaufstelle durchleuchten die Besucher Lügenpakete, von der Schwalbe im Fußball bis zu gefälschten Impfausweisen. Sie müssen entscheiden, ob das verzeihlich oder tödlich ist, lustig oder vielleicht sogar notwendig.
Dresdner "Amt für die ganze Wahrheit" erklärt Wahrheit und Wahrhaftigkeit
Tyradellis merkt an: "Das Gegenteil der Wahrheit ist nicht die Lüge, sondern man müsste eher sagen, die Wahrhaftigkeit ist das Gegenteil der Lüge, weil: Sie können nicht aus Versehen lügen, Sie können aber aus Versehen die Wahrheit sagen." Zur Lüge gehöre immer die Absicht zu lügen, wohingegen zur Wahrhaftigkeit der Wunsch gehöre, wahrhaftig zu sein, so Tyradellis, das bedeute, das Wahrsprechen immer ein Wagnis sei, weil wenn man nur das wiederhole, was sowieso alle sagen. Dann sei es zwar wahr – im Sinne der Wahrheit – aber es brächte die Menschen nicht mit als Person ein.
Skandalöse Behauptungen indes, wie in der Ausstellung eine Animation der Verbreitung einer Trumpschen Twittermeldung zeigt, erregen größte Aufmerksamkeit. Unsere Welt wird überschüttet sowohl mit Bullshit, als auch von mit politischen Erwartungen verknüpften Falschmeldungen. Die manchmal durchaus Leben retten können – nur nennt man es dann eher "List".
Lügen wirklich zu entlarven ist anstrengend. Es bedarf einer Arbeitsteilung und Vertrauen – zum Beispiel in uns, die öffentlich-rechtlichen Medien, die den Anspruch haben, ihre Methoden offenzulegen. Und es bedarf großartiger, Fragen stellender Ausstellungen wie die im Dresdner "Amt für die ganze Wahrheit".
Informationen zur Ausstellung
"Fake – Die ganze Wahrheit"
Ausstellung in Kooperation mit dem Stapferhaus (CH) kuratiert von Daniel Tyradellis
14. Mai 2022 bis 5. März 2023
Öffnungszeiten:
Dienstag bis Sonntag, Feiertage, 10 bis 18 Uhr
Deutsches Hygiene-Museum
Lingnerplatz 1
01069 Dresden
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 12. Mai 2022 | 22:05 Uhr