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Kam einst als Geschenk Napoleons ins Residenzschloss Dresden – die 1791 nach einem Gemälde von Antoine Coypel geschaffene Tapisserie "Die Ohnmacht der Esther" Bildrechte: Staatliche Kunstsammlungen Dresden/Oliver Killig

"Die Ohnmacht der Esther"80 Jahre verschollen: Wandteppich von Napoleon wieder in Dresden zu sehen

von Grit Krause, MDR KULTUR-Landeskorrespondentin Sachsen

13. März 2023, 09:24 Uhr

80 Jahre lang galt der Wandteppich "Die Ohnmacht der Esther" als verschollen. Napoleon Bonaparte hatte ihn einst Friedrich August I. von Sachsen geschenkt. Vor etwa zwei Jahren wurde die wertvolle Tapisserie dem Auktionshaus Christie's zur Versteigerung angeboten. Nachforschungen des Hauses führten dazu, dass das Kunstwerk nun wieder im Dresdner Residenzschloss zu sehen ist – pünktlich zum Auftakt der Feierlichkeiten zum 300-jährigen Bestehen des Grünen Gewölbes.

Den 17. Juni 2021 wird Sabine Schneider so schnell nicht vergessen. Das war der Tag, an dem der verlorengeglaubte Wandteppich ins Dresdner Residenzschloss zurückkehrte und erstmals wieder entrollt wurde. "Das war schon sehr beeindruckend, in welch unerwartet hervorragendem Zustand er erhalten war – sowohl, was die Wirkerei betraf, also auch das textile Gefüge, und natürlich auch die außerordentlich prachtvolle Farbigkeit", erinnert sich Sabine Schneider, die die Restaurierung dieser bedeutsamen Tapisserie geleitet hat.

Meisterwerk der Pariser Hofkunst wieder in Dresden

Zu sehen darauf ist eine Szene aus dem Alten Testament: Die Jüdin Esther erschien ohne Aufforderung vor ihrem Gemahl, dem Perserkönig Ahasver, worauf eigentlich die Todesstrafe stand. Sie fällt in Ohnmacht, als sie um Gnade für ihr Volk bitten will und kann es so vor einem geplanten Genozid retten.

Es ist ein populäres Motiv in der Kunstgeschichte – in diesem Fall dargestellt in prachtvollem Ambiente und königlichen Kostümen im Stile Ludwigs XIV. Das alles erstrahlt jetzt nach einer aufwendigen Reinigung und der Behebung kleiner Strukturschänden im Gewebe nahezu im alten Glanz. Sabine Schneider verweist dabei auf die für Gobelins ungewöhnliche Fülle an Farben. Mehr als 500 konnte sie ausmachen. "Die sind auch miteinander vermischt worden, auch Wolle und Seide, sodass man unterschiedliche Glanzgrade erreichen konnte."

Und es waren auch die teuersten Farbstoffe, die Cochenille oder auch der Farbstoff Dibromindigo aus der Purpurschnecke, also der noch heute teuerste Farbstoff der Welt.

Sabine Schneider, Restauratorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden

Ein Kunstwerk, das Frankreich und Sachsen verband

Der meisterhafte Bildteppich, gefertigt 1791 in einer Pariser Manufaktur, ist ein Geschenk Napoleons. Der Kaiser der Franzosen hatte es seinem Verbündeten Friedrich August I., den er selbst zum König von Sachsen ernannt hatte, vermacht, als dieser ihn 1809 besuchte. Die Geschichte dieser Koalition bildet den Rahmen zur Präsentation der 16 Quadratmeter großen Tapisserie.

Sachsen müsse in irgendeiner Form für Napoleon wichtig gewesen sein – sowohl als Aufmarschbasis, als auch im Hinblick auf Soldaten, Geld, Material, sagt Holger Schuckelt, der Kurator der Ausstellung. Aus den Museen der Staatlichen Kunstsammlungen (SKD) hat er um die 60 Objekte ausgewählt, die das Verhältnis zwischen Napoleon und dem Sachsenkönig illustrieren:

Porzellane, ebenfalls Geschenke aus Frankreich, darunter eine Büste Napoleons und Teile eines Speise- und Kaffeeservices, ein Gobelin-Portrait des Kaisers, Waffen, aber auch so etwas wie Andenken, die von der Faszination und Verehrung des französischen Kaisers zeugen, wie ein Paar Reitstiefel, die er bei der Schlacht um Dresden 1813 getragen haben soll oder auch ein Medaillon mit einer Haarlocke von ihm.

Eine Auswahl an Porzellanen der Napoleonischen Schenkung aus dem Jahr 1809, Medaillen und Porträts umrahmt die Ausstellung des Wandteppichs im Grünen Gewölbe in Dresden. Bildrechte: Porzellansammlung, Staatliche Kunstsammlungen Dresden/Herbert Jäger

Unmittelbar nach den Napoleon-Kriegen habe es eine Phase gegeben, in der es nicht ganz so Mode war, sich noch mit Napoleon-Erinnerungsstücken zu schmücken, sagt Holger Schuckelt. Das habe sich relativ bald aber wieder geändert. "Dieses Etui mit den Haarlocken ist 1862 zu uns gekommen. Also, man hat die Schrecken der Zeit Napoleons relativ schnell vergessen oder durch eine Art Bewunderung ersetzt, wo sich dann sicherlich Furcht und Faszination vermischt hat."

"Die Ohnmacht der Esther" soll wieder an ihren ursprünglichen Platz

Seit Beginn der 1860er-Jahre hing "Die Ohnmacht der Esther" zusammen mit anderen, nicht weniger bedeutsamen Wandteppichen im Großen Speisesaal im Dresdner Residenzschloss. 1943 wurde die Tapisserie dann nach Schloss Schleinitz bei Meißen gebracht. Dort verlor sich nach Kriegsende ihre Spur, bis schließlich 2020 ein Hinweis aus dem Auktionshaus Christie’s kam, wo die Tapisserie versteigert werden sollte. Nun ist sie erstmals wieder öffentlich im Grünen Gewölbe zu sehen.

Im Grünen Gewölbe stehen sonst Steinschnitt, edle Materialien, Gold und Silber im Mittelpunkt, aber zu den Kunstkammern und auch zur luxuriösen Ausstattung des Dresdner Schlosses gehörten schon immer Tapisserien. Und es ist auch ein Kunstwerk, was auch noch einmal von der technologischen Seite her andere Aspekte dieser Luxuskünste vergegenwärtigen kann.

Marius Winzeler, Direktor des Grünen Gewölbes

Seinen endgültigen Platz soll "Die Ohmacht der Esther" ab 2025 im Residenzschloss bekommen – dort wo der Wandteppich ursprünglich hing: in unmittelbarer Nähe zu den Paraderäumen, in denen einst bei seinen Dresden-Besuchen Napoleon genächtigt hat.

Weitere Informationen zur AusstellungNapoleon und "Die Ohnmacht der Esther"
Sonderausstellung im Sponsel-Raum des Neuen Grünen Gewölbes
Staatliche Kunstsammlungen Dresden (SKD)

Residenzschloss
Taschenberg 2
01067 Dresden

Öffnungszeiten:
täglich 10 bis 18 Uhr, dienstags geschlossen

Eintritt:
14 Euro, ermäßigt 10,50 Euro
Kinder unter 17 Jahren frei

(Redaktionelle Bearbeitung: Tina Murzik-Kaufmann)

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Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 11. März 2023 | 07:40 Uhr