Weiße Wand mit vier quadratischen Bildern, die Aufnahmen von Wärmebildkameras zeigen
Mit der Sonderausstellung "Günther Selichar: Schirmherrschaft" widmet sich die Kunstsammlung Gera einer wichtigen zeitgenössischen Position im Bereich der Medienkunst. Bildrechte: Günther Selichar, Bildrecht, Wien 2023/Museum der Moderne Salzburg 2022/23, Foto: Rainer Iglar

Empfehlung Form und Inhalt: Medienkünstler Günther Selichar stellt in Gera aus

06. April 2023, 09:26 Uhr

"The Medium is the Message" ist eine berühmt gewordene These des Medienwissenschaftlers Marshall McLuhan. Übersetzt bedeutet sie so viel wie, es kommt nicht nur auf den Inhalt einer Nachricht an, sondern auch auf ihre Form. Den österreichischen Künstler Günther Selichar begleitet diese Erkenntnis seit vielen Jahren. Er findet, wir hinterfragen die mediale Dauerberieselung zu wenig und tut es deswegen mit seiner Kunst. In Kooperation mit dem Museum der Moderne in Salzburg zeigt die Kunstsammlung Gera nun Arbeiten von ihm.

Wir sind umgeben von Pixeln. Auf Displays und Bildschirmen begleiten sie uns mit immer neuen Bildern und Botschaften – diese winzig kleinen Punkte, die unzählige Farben annehmen können. Für Günther Selichar sind Pixel eine dementsprechend unerschöpfliche Inspirationsquelle. In der Orangerie Gera zeigt er unter anderem seine Arbeit "The Double You Series": Fünf Fotografien, jeweils rund zweieinhalb Meter hoch und etwas über einen Meter breit, auf denen die Wörter Who, What, Where, When und Why abgebildet sind.

Selichar zeigt die Dinge, wie sie sind

Die Buchstaben sind recht unscharf, denn sie wurden von einem kleinen Monitor abfotografiert, und dann massiv vergrößert – ungefähr so, "als wenn man einen Monitor unter ein Mikroskop legen würde", erklärt Günther Selichar, "was allerdings im fotografischen Prozess nicht so einfach ist." Schließlich könne man einen Monitor ja nicht unter ein Mikroskop legen. "Das heißt, man muss sich eine Herangehensweise suchen, die das optisch, fotografisch überhaupt möglich macht."

Die Kunst der Pixel-Fotografie

Und genau das hat Selichar getan: Nach langen Recherchen hat er ein Verfahren gefunden, dass aus der Insekten- und Pflanzenforschung stammt. Dabei werden von einem Forschungsobjekt 120 Fotos gemacht und diese mit einer Software zusammengesetzt, so dass am Ende ein scharfes Bild vorliegt. Mit ein paar Anpassungen konnte Günther Selichar so auch winzigste Worte von einem Bildschirm akkurat abfotografieren.

Double You: Weiße Wand mit fünf großformatigen Anzeigetafeln auf denen die Worte WHO? WHAT? WHERE? WHEN? und WHY? zu lesen sind
"The Double You Series" ist eine der Arbeiten von Günther Selichar, die die Kunstsammlung Gera derzeit zeigt. Bildrechte: Günther Selichar, Bildrecht, Wien 2023/Museum der Moderne Salzburg 2022/23, Foto: Rainer Iglar

Tatsächlich ist jedes einzelne Pixel erkennbar, mit den Farben, aus denen es besteht: rot, grün und blau. Sicher hätte man ein solches Bild auch einfacher am Computer generieren können, aber genau das will der 63-Jährige nicht. Ihm geht es darum, die Funktionsweise von technischen Geräten zu hinterfragen.

Man kann Bilder manipulieren, man kann sie im schlimmsten Fall zur Propaganda einsetzen, sie können ganz andere Effekte hervorrufen als man normalerweise glaubt. Und es geht darum, dieses blinde Vertrauen eigentlich in Frage zu stellen.

Günther Selichar, Fotograf und Medienkünstler

Der Bildschirm als "Fenster zur Welt"

Die Ausstellung trägt dann auch, angelehnt an den Bildschirm, den Titel "Schirmherrschaft". Darin geht es zum Beispiel um die Frage, was eigentlich mit Monitoren passiert, die sich im Standby-Modus befinden, also weder richtig an- noch ausgeschaltet sind. Selichar hat Geräte in diesem Modus mit einer Wärmebildkamera abfotografiert und so Bilder in knallbunten Farben erstellt, die ein wenig an Pop-Art denken lassen.

Damit zeige man, sagt Günther Selichar, "dass ein Gerät, was nur so tut, als wenn es nicht leben würde, doch lebt und eigentlich voller Energie ist und dass die Wärme, die im Gerät enthalten ist, in diese Farbskalen übersetzt wird."

Selichar – ein weltweit anerkannter Perfektionist

Im Vorfeld dieser Arbeit ist der Selichar monatelang durch Elektronikmärkte gestreift und hat nach passenden Monitoren gesucht. Für Astrid Lindinger von der Kunstsammlung Gera zeichnet genau diese Akribie die Arbeiten des Wiener Künstlers aus.

Hinter jeder Werksserie steckt eine ungeheure Kraft. Und ich denke, dieser technische Aufwand, um diese Dinge so umzusetzen, ist immens. Braucht er etwa bestimmte Gläser für ein Projekt, recherchiert er weltweit, wo er sie herbekommt. Um dann alles so präsentieren zu können, wie er es sich auch vorstellt.

Astrid Lindinger, Kunstsammlung Gera

Günther Selichar ist mit seinen Arbeiten weltweit unterwegs – einerseits im öffentlichen Raum, er hat etwa die berühmten Mega-Werbedisplays am New Yorker Times Square bespielt, andererseits waren seine Werke bei der Biennale in Venedig und in den großen Museen für Moderne Kunst, wie der Schirn Kunsthalle Frankfurt oder der Albertina in Wien, zu sehen.

In Gera stellt er nun aus, weil er vor ein paar Jahren Professor an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst war, und seine Verbindungen nach Mitteldeutschland nicht abgerissen sind. Diese Schau setzt einen ganz besonderen Akzent in der hiesigen Museumslandschaft, der sich wohl am besten im Rahmen einer Führung erleben lässt.

Weiterführende Informationen Günther Selichar: Schirmherrschaft

Kunstsammlung Gera
Orangerieplatz 1
07548 Gera

Öffnungszeiten:
Di bis So, Feiertag 11 bis 17 Uhr
montags geschlossen

Preise:
Erwachsene 5 Euro
ermäßigt 3 Euro

(Redaktionelle Bearbeitung: Tina Murzik-Kaufmann)

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 06. April 2023 | 11:15 Uhr