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Anhand von Installationen und historischen Objekten erzählt die neue Jahresausstellung in den Franckeschen Stiftungen Halle vom Streiten. Bildrechte: Falk Wenzel

Ein ewiges ThemaFranckesche Stiftungen Halle: Jahresausstellung über Streit und Shitstorms

von Theo M. Lies, MDR KULTUR

18. März 2023, 04:00 Uhr

Seit der Mensch denken kann, streitet er auch – zum Beispiel um Land und Meinungen. Aber warum ist das so? Warum wird erbittert – gerade aktuell – auch bis zum Tod gestritten, argumentiert und gekämpft? Damit beschäftigt sich die neue Ausstellung der Franckenschen Stiftungen in Halle unter dem Titel "Streit. Menschen, Medien, Mechanismen im 18. Jahrhundert und heute", die bis zum 4. Februar 2024 zu sehen ist.

Schon der Titel der neuen Ausstellung in Halle "Streit. Menschen, Medien, Mechanismen" verweist auf historische Kontinuität. Exemplarisch haben sich die Franckeschen Stiftungen dabei zwei geschichtliche Angelpunkte gesetzt: das 18. Jahrhundert und die Gegenwart. Damit unterstellt das Team hinter der Schau schon mal, dass es da Gemeinsamkeiten geben könnte.

Es ist wohl keineswegs ein Zufall, dass das Publikum schon am Eingang von einer putzigen Holzskulptur, knapp 30 Zentimeter hoch, empfangen wird. Aus einem Kopf voller Vogelfedern wächst ein schlanker Schwanenhals, der sich über die hölzerne Stirn beugt, um sich schließlich in die eigene Nase zu beißen: Es ist der Vogel Selbsterkenntnis.

Dieser augenzwinkernde Hinweis auf mögliche eigene Unzulänglichkeiten scheint bestens platziert und versucht das Thema Streit entkrampfen zu wollen. So konditioniert geht es dann auf in den Kampf, also den Streit.

Nie wieder ratlos vor dem Wochenende

Berühmte Streits in Halle nachspielen

Dazu bietet gleich der erste zentrale Anlaufpunkt beste Möglichkeiten. Eine Art Streit-Arena bietet zwei Parteien gegenüberliegende Amphitheater-Tribünen. Dort werden den Protagonist:innen originale Dialoge in die Hand gedrückt – aus dem Sport, einem filmreifen Ehekrach oder einem TV-Talk mit Politikern wie beispielsweise Willi Brandt oder Helmut Kohl.

Ein Teil der Ausstellungin den Franckeschen Stiftungen Halle beschäftigt sich mit Streitereien in den Medien während des 20. Jahrhunderts. Bildrechte: Falk Wenzel

"Man kann brüllen, man kann reden, man kann emotional aus sich herausgehen. Wir liefern nur den Text, ohne Regieanweisung", beschreibt Kurator Holger Zaunstöck diese erste Lektion in Sachen Streitkultur. Wer sich dann nach rechts wendet, landet im 18. Jahrhundert und seinen recht drastischen Mitteln, mit sogenannten Schandmäulern umzugehen. Die landeten damals nicht selten am Pranger, mussten vielleicht einen hölzernen schweren "Schandmantel" tragen. All das unter dem beißenden Spott der johlenden Zuschauer.

Die damaligen Waffen im Austausch von Meinungen und Standpunkten waren meist Streitschriften, Flugblätter oder Karikaturen, die auf Märkten verkauft wurden. Und schon immer werden dabei rote Linien überschritten, wird unter die Gürtellinie gefeuert und das Gegenüber möglichst der Lächerlichkeit preisgegeben.

Ausstellungsstücke wie die Schandmaul-Maske verdeutlichen, wie in früheren Zeiten mit Streit und Streitenden umgegangen wurde. Die Ausstellung läuft bis zum 4. Februar 2024. Bildrechte: Falk Wenzel

Ausstellung untersucht soziale Medien

Dieser Mechanismus kommt einem doch bekannt vor. Beispielsweise in den heutigen sozialen Medien, in denen sich Shitstorms in Windeseile verbreiten. Sichtbar wird das in dem zeitgenössischen Teil der Ausstellung in einem Raum voller Bildschirme. Hier solle die Geschichte des Streitens und der damit verbundenen Posen und Inszenierungen gezeigt werden, vom Kino über das Fernsehen bis zu den sozialen Medien, formuliert Holger Zaunstöck einen Anspruch der Ausstellung.

Tatsächlich offenbaren sich Muster und es wird schnell klar, dass all diese Mechanismen keine Neuerfindungen des 20. Jahrhunderts sind, sondern die Gesellschaft treu begleiten. Bis hin zu Choreografien in den Fußballstadien, die den Schlusspunkt des Rundganges markieren. Streit als ewige Wiederholung, sowohl im privaten wie im historischen Kontext? "The same procedur as every year, James!"

Weitere Informationen"Streit. Menschen, Medien, Mechanismen im 18. Jahrhundert und heute"
Jahresausstellung der Franckeschen Stiftungen Halle
Bis zum 4. Februar 2024 zu sehen.

Adresse:
Franckeplatz 1
06110 Halle

Öffnungszeiten:
Dienstag bis Sonntag, von 10 bis 17 Uhr
Zu Weihnachten und zum Jahreswechsel geschlossen.

Zur Ausstellung ist außerdem ein Katalog erschienen:
"Streit. Menschen, Medien, Mechanismen im 18. Jahrhundert und heute"
200 Seiten, 155 Abbildungen
ISBN: 978-3-447-11977-1

Redaktionelle Bearbeitung: Thilo Sauer

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Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 17. März 2023 | 12:40 Uhr