Portrait Handwerk trifft Haute Couture: Wie in Weimar extravagante Hüte entstehen

In Weimar betreibt Claudia Köcher ein seltenes Handwerk: Sie ist Hut- und Putzmacherin. In ihrer Werkstatt in Weimar stellt sie in liebevoller Handarbeit Hüte, Kappen und Mützen á la Babylon Berlin her. Dabei verbindet die Modistin traditionelle Techniken wie die Perlen- und Paillettenstickerei oder die Kunst der Federmacherei mit moderner Haute Couture.

Frau mit pinker Bob-Frisur trägt seitlich eine schwarze Baske.
Seltenes Kunsthandwerk in Weimar: Die Modistin Claudia Köcher stellt moderne Hüte auf traditionelle Weise her. Bildrechte: Claudia Köcher

Ihre Hüte sind kleine Kunstwerke. Die schwarze Baskenkappe ist mit Strass-Steinen bestickt. Von oben betrachtet, sieht sie aus wie ein Himmel voller funkelnder Sterne. "Polaris" heißt diese Kappe, sie gehört zur "Gemini"-Kollektion von Claudia Köcher: "Das sind Hüte, die an Schmuckstücke aus den 1920er-Jahren erinnern. Sie wirken auf den ersten Blick sehr überladen und extravagant, aber wenn man sie aufsetzt, merkt man, dass sie sich sehr zurücknehmen und einfügen."

Weimarer Künstlerin erschafft Hüte in Handarbeit

Schon als Kind habe sie gern Mützen und Hüte getragen, sagt die 38-Jährige. Auch Handarbeit mochte sie. Früh lernt sie Techniken wie Sticken, Weben, Knüpfen, Nähen und Stricken. Nach dem Abitur macht Claudia Köcher einen Berufsabschluss im Bereich Grafik/Gestaltung, arbeitet dann einige Jahre als Kostüm- und Ausstattungsassistentin und lernt bei verschiedenen Hutmachern. "Dann habe ich gemerkt, dass die Kopfbedeckung die Ausdrucksform für mich als Künstlerin ist", erzählt sie.

Auf einem Perückenkopf sitzt ein Haarreif mit Plüschkügel und Dekosternen.
Kunsthandwerk aus Weimar: Die Hüte von Claudia Köcher erinnern an die 1920er-Jahre. Bildrechte: Claudia Köcher

2010 wagt sie den Sprung in die Selbständigkeit und gründet ihr Label "Die Zwillingsnadeln". Jedes ihrer Modelle wird in ihrem Atelier von Hand gefertigt. Sie zieht Filzhüte in Form, stickt Perlen und Pailletten, setzt jeden Strassstein einzeln auf und verwendet auch Federn für ihre Hüte.

Altes Handwerk trifft auf Haute Couture

Die Federn findet sie beim Spazierengehen im Park oder bekommt sie von Leuten geschenkt. "Wenn eine Gans geschlachtet wird, bleiben Federn als Abfall übrig und die verarbeite ich zum Kopfschmuck", erzählt Köcher. "Erst wasche ich die Federn mehrere Male, dann färbe ich sie und schneide sie, um Blumen aus ihnen zu formen. Federn sind das schönste, was die Natur gemacht hat."

Auf der Krempe eines schwarzen Huts sind silberne Sterne eingenäht.
Die Hüte der Weimarer Künstlerin sind kleine Kunstwerke. Bildrechte: Claudia Köcher

Während in Deutschland der Beruf des Federschmuckmachers längst ausgestorben ist, wird diese Tradition in Frankreich noch gepflegt. Claudia Köcher hat sich die alten Techniken über die Jahre selbst beigebracht, sie hat recherchiert und vieles durch Ausprobieren herausgefunden: "Ich habe ein großes Interesse an alten Handwerksberufen und Haute-Couture-Textiltechniken, die ich in das Handwerk der Modistin einfließen lassen kann."

Kaum Wertschätzung für Handwerk in Deutschland

Für ihren Beruf brauche man eine ruhige Hand, gute Augen, gestalterisches Geschick und viel Geduld, sagt Claudia Köcher. Es gebe zwar Ausbildungsplätze, doch es sei nicht leicht, danach seine Nische zu finden.

Die Wertschätzung für Handarbeit ist in Deutschland nicht so groß wie in anderen Ländern.

Claudia Köcher

Trotzdem blickt die Weimarerin optimistisch in die Zukunft. Sie habe eine tolle Stammkundschaft, auch außerhalb von Weimar. Und wenn nicht gerade Pandemie oder Inflation sei, könne sie gut von ihrem ganz besonderen Handwerk leben.

Redaktionelle Bearbeitung: Valentina Prljic

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 16. Dezember 2022 | 07:10 Uhr

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