Nachrichten & Themen
Mediathek & TV
Audio & Radio
MDR KULTUR im RadioMDR KULTUR im FernsehenÜber unsKontaktSuche

NÄCHSTE GENERATIONHartmut Kiewert malt eine Welt ohne Massentierhaltung

Wie könnte eine Welt aussehen, in der wir keine Tiere mehr essen, die Massentierhaltung abschaffen und zum Beispiel vegan leben? Der Leipziger Maler Hartmut Kiewert entwirft solch eine Zukunft in seinen Bildern: zu Ruinen verfallene Fleischbetriebe, Schweine an der Bushaltestelle in der Stadt und gemütliche Picknicks mit Kühen.

von Hanna Romanowsky, MDR KULTUR

Alles darüber im Video erfahren:

Über das Format NÄCHSTE GENERATION:

In unserem Format MDR KULTUR – NÄCHSTE GENERATION stellen wir junge Künstlerinnen und Künstler vor, die unsere Gesellschaft kritisch in den Blick nehmen, Debatten anregen und gleichzeitig Ideen für die Zukunft entwerfen wollen. Jeden zweiten Montag, stellen wir diese Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen vor – die Themen reichen von der Frage, ob es okay ist, das Elternsein zu bereuen, ob die 40-Stunden-Woche noch angemessen ist, bishin zu Klimaschutzfragen oder Patriotismuskritik.

Es ist ein irritierendes Bild. Im Vordergrund hat sich eine Gruppe zum Picknick zusammengefunden. Doch es sind nicht nur Menschen, die beisammensitzen. Neben Hund und Katze haben es sich auch Schweine, Kühe und Hühner gemütlich gemacht. Der Blick schweift in den Hintergrund: Auf der Ruine, die dort zerfällt, ist noch der Schriftzug "Tönnies" zu erkennen. Der Fleischbetrieb gehört in diesem Gemälde der Vergangenheit an.

Die utopische Szenerie hat der Leipziger Maler Hartmut Kiewert erschaffen. In seinen Bildern bricht er immer wieder mit unseren Gewohnheiten: Ein Kind schmust mit einem Schwein, jemand geht Seite an Seite mit einer Kuh spazieren und die Hühner sitzen neben der Katze auf dem Wohnzimmersessel.

Ich möchte andere Perspektiven auf diese sogenannten Nutztiere zeigen. Sie alle sind Individuen, Subjekt ihres eigenen Lebens, die auch als solche behandelt werden sollten und nicht als Ressourcen und als Waren.

Hartmut Kiewert, Maler aus Leipzig

Hartmut Kiewerts "Animal Utopia"

"Hügel" (2019) Bildrechte: Hartmut Kiewert
"No Cars Go" (2020) Bildrechte: Hartmut Kiewert
"Brunnen" (2020) Bildrechte: Hartmut Kiewert
"Parkett III" (2017) Bildrechte: Hartmut Kiewert
Bus Stop III (2019) Bildrechte: Hartmut Kiewert
"Sessel" (2017) Bildrechte: Hartmut Kiewert
"Teppich II" (2015) Bildrechte: Hartmut Kiewert
"Companion XVI" (2018) Bildrechte: Hartmut Kiewert
"Ruine X" (2018) Bildrechte: Hartmut Kiewert
"Picknick III" (2019) Bildrechte: Hartmut Kiewert

Ein anderes Mensch-Tier-Verhältnis

Kiewerts Bilder zeigen, wie eine Welt aussehen könnte, in der wir keine Tiere mehr ausbeuten. Keine Schlachthäuser mehr am Stadtrand, keine Mutter-Kind-trennenden Melkmaschinerien, kein Kükenschreddern im Legebetrieb. Was bleibt, ist ein friedliches Miteinander. Die hohen Mauern zwischen den Spezies sind auf seinen Bildern zerfallen – metaphorisch und direkt sichtbar.

Auf vielen Gemälden sind die Tiere allein sehen. Schweine, Kühe und Hühner stehen im Mittelpunkt, sind Protagonistinnen und Protagonisten der Bilder und nicht wie anderswo nur hintergründiges Beiwerk. Die Menschen sind trotzdem anwesend, mit ihren Parkettböden, gemusterten Tapeten oder den verfallenden Gebäuden der Tierindustrie.

Der Fleischbetrieb "Danish Crown" wird in Hartmut Kiewerts Bild "Ruine X" zum Lost Place – in einer Welt ohne übermäßigen Fleischkonsum ist die Fabrik überflüssig geworden. Bildrechte: Hartmut Kiewert

Kiewert nennt seine Bilderreihe "Animal Utopia". Damit, so Kiewert, wolle er positive Gegenbilder zur Tierindustrie schaffen, etwas Neues zeigen. Anders als Bilder, die die Grausamkeit der Tierindustrie verhandeln, seien die Zukunftsbilder leichter zugänglich und würden eher zur Auseinandersetzung einladen, argumentiert der Leipziger Künstler. Bei den Menschen gebe es grundsätzlich eine große Offenheit seinen Bildern gegenüber, erzählt Kiewert. Das Thema treibe die Menschen bereits um: "Viele sagen, ja, das ist nicht richtig, wie wir mit Tieren umgehen heute. Was in der Tierindustrie passiert, das kann so nicht weitergehen." Seine Bilder geben da nochmal einen Denkanstoß.

Ich glaube, da kann Kunst schon wirkmächtig sein.

Hartmut Kiewert, Maler aus Leipzig

Eine Utopie, die keine ist

Doch Vieles ist auf Kiewerts Bildern noch so, wie wir es kennen: Die breiten, asphaltierten Straßen in der Stadt, mit Nummern markierte Ferkel und Wände voller Graffiti. Gerade das macht die Malereien so zugänglich. Sie könnten eine nahe Realität sein. Wirklich utopisch sind sie deswegen aber nicht, sagt Kiewert: "Das sind dann nicht unbedingt Orte, an denen sich zum Beispiel Schweine oder Hühner wohlfühlen würden. Die wollen ja im Boden wühlen. Das geht natürlich auf Asphalt schlecht."

Es ist keine Blaupause oder keine ausgepinselte Utopie.

Hartmut Kiewert, Maler aus Leipzig

Tiere und Menschen haben es sich in Hartmut Kiewerts Gemälde "No Cars Go" gemeinsam auf einer Straßenkreuzung gemütlich gemacht. Bildrechte: Hartmut Kiewert

Veganes MalenNicht nur Hartmut Kiewerts Bildinhalte sind vegan. Er achtet außerdem darauf, dass in seinen Malutensilien, wie Pinseln, Farben, Leinwänden und Leimen keine tierischen Bestandteile enthalten sind.

Aktivistische Kunst

Mit seinen neuesten Bildern kritisiert Kiewert nicht nur die tierausbeutende Industrie, sondern auch wie öffentlicher Raum gestaltet ist. Städte seien bestimmt von Automobilisierung und Asphalt, erklärt der Künstler. "Gerade in den neueren Bildern versuche ich, das auch noch mal expliziter zusammenzudenken, also die Idee von Verkehrswende und das Mensch-Tier-Verhältnis." Nicht nur für Tiere, sondern auch für uns Menschen sei eine andere Verteilung von Platz in der Stadt mit mehr Lebensqualität verbunden.

Für mich persönlich ist es wichtig, in dem, was ich künstlerisch mache, gesellschaftsrelevante Themen zu bearbeiten.

Hartmut Kiewert, Maler aus Leipzig

Auf diesem großformatigen Gemälde, an dem Hartmut Kiewert im Moment arbeitet, steht ein Kälbchen selbstbewusst auf einer städtischen Kreuzung. Bildrechte: MDR/Hanna Romanowsky

Mit seiner Kunst wolle er etwas zum gesellschaftlichen Diskurs beitragen. So setzt der Künstler mit seinen Bildern politische Statements. Hartmut Kiewert wünscht sich, dass seine Bilder die Menschen zum Handeln bewegen und sie im besten Fall sogar aufhören, Fleisch zu essen.

Hartmut Kiewert vor einer von ihm gemalten Szene, in der Menschen und Tiere mitten in der Stadt zusammenkommen. Bildrechte: MDR/Hanna Romanowsky

Mehr Debatten aus der NÄCHSTEN GENERATION

Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 17. Oktober 2020 | 09:45 Uhr