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In Magdeburg betreibt Weberin Hanne Protzmann eine Werkstatt, in der sie Kunsthandwerk erschafft. Bildrechte: Sylvia Pudel

WerkstattbesuchKunsthandwerk: Wie eine Magdeburgerin das Weben am Leben erhält

von Katrin Engelhardt, MDR KULTUR

Stand: 09. Januar 2023, 04:00 Uhr

Die Weberei ist ein uraltes Handwerk, das nur noch wenige beherrschen. Dazu zählt die Magdeburgerin Hanne Protzmann. Die 53-Jährige hat ihre Leidenschaft für das Weben erst spät bei einem Ausflug in der Oberlausitz für sich entdeckt. Daraufhin kündigte sie ihren Beruf als Ingenieurin und machte eine Ausbildung zur Weberin. Heute hält sie die seltene Tradition am Leben – mit ihrer Werkstatt in Magdeburg, in der noch so gewebt wird wie vor tausenden Jahren.

Ein Wochenende kann dem Leben eine ganz neue Richtung geben. Hanne Protzmann hat bereits 25 Jahre als Ingenieurin für Energiewirtschaft gearbeitet, als sie von ihrem Mann ein besonderes Geschenk bekommt. Ein Wochenendkurs im Handweben. Hanne, die schon immer gern gestrickt und genäht hat, fährt also in die Oberlausitz. Im "Haus Spinnwebe", einer Schauwerkstatt, sitzt sie zum ersten Mal in ihrem Leben an einem Webstuhl. Diese neue Erfahrung haut sie förmlich um:

Ich dachte, wie cool ist das denn. Für mich hat sich da ein neues Universum eröffnet.

Hanne Protzmann

Die Magdeburgerin belegt neue Kurse, kauft sich bald einen eigenen kleinen Webstuhl und beschäftigt sich intensiv mit der Webtechnik. Irgendwann sagt ihr dann eine Freundin, dass man auch eine Ausbildung machen kann.

Oberlausitzer Tradition der Handweberei

Nach langem Überlegen und mit Unterstützung ihres Mannes wagt sie schließlich den Schritt ins Ungewisse: Mit 41 beginnt sie in Kukate im Wendland nebenberuflich eine Ausbildung zum Textilgestalter im Handwerk, Fachrichtung Weben. Es war anstrengend, alles unter einen Hut zu kriegen, sagt sie heute, ihre beiden schulpflichtigen Kinder, die Arbeit und die Fahrten ins Wendland.

2017 hat sie den Gesellenbrief in der Tasche, mit einem schall-isolierenden Wandbehang macht sie ihren Meister und entscheidet sich schließlich ganz für das Weben: Sie kündigt ihren sicheren und gut bezahlten Ingenieursjob und gründet ihr eigenes Unternehmen: Die Werkstatt "Hanne webt".

In ihrer Magdeburger Werkstatt gibt Hanne Protzmann Webkurse. Bildrechte: Sylvia Pudel

Handgewebte Schals, Handtücher, Tischdecken aus Magdeburg

In ihrer Werkstatt im Magdeburger Stadtteil Cracau arbeitet sie an zwei großen Webstühlen und fertigt vor allem Gebrauchstextilien: Wolldecken, Schals, Handtücher und Tischdecken. Weben ist ein langsames und aufwendiges Handwerk, sagt Hanne, am wichtigsten sind Planung und Vorbereitung. Es dauert eine Zeit, bis der Webstuhl mit den vielen Fäden eingerichtet ist und man loslegen kann. Ein gewisses technisches Verständnis braucht man schon, sagt die ehemalige Ingenieurin.

Ein bisschen Mathe kann nicht schaden, auch logisches Denken, damit man den Webstuhl versteht. Das ist ein Gerät mit vielen Schnüren und wenn mal ein Faden hängenbleibt und reißt, da muss man eine Ahnung haben.

Hanne Protzmann

Wenn sie dann am Webstuhl sitzt, braucht sie volle Konzentration und Körperkraft: Mit den Beinen steuert sie Holzpedale, die für unterschiedliche Webmuster sorgen. Mit der linken Hand bewegt sie die Lade, eine Art Kamm, der das Gewebe verdichtet. Und mit der rechten steuert sie den "Schützen". Ein hölzerner Kasten, aus dem der Querfaden kommt, der mit viel Krach hin und her geschossen wird.  

Weben als sinnliches Handwerk

"Es ist faszinierend, wie aus den vielen Einzelfäden eine textile Fläche entsteht", erklärt Hanne. "Man kann mit Farben spielen, mit Mustern, mit unterschiedlichen Materialien, Weben ist ein sehr sinnliches Handwerk". Und ein sehr altes. Heute wird immer noch so gewebt wie vor tausenden Jahren, sagt sie. Man habe diese zwei Fäden, und die müsse man zueinanderbringen.

Für die Magdeburger Weberin ist ihr Handwerk und Textilkunst sinnliches Erlebnis. Bildrechte: Sylvia Pudel

Das dauert seine Zeit: Für einen Schal schießt sie den Querfaden 600 Mal hin und her. Einen halben Meter schafft sie pro Stunde. Noch kann sie nicht vom Weben leben, sagt Hanne, doch das liege auch an Corona und den ausgefallenen Märkten. Ihre Entscheidung für das Weben aber hat sie nicht bereut. Im Gegenteil: "Früher war der Sonntag mein liebster Wochentag, weil ich da nicht zur Arbeit musste. Heute kann ich kaum den Montag erwarten, weil ich dann endlich wieder an meinem Webstuhl sitzen kann."

Mehr InformationenWerkstatt "Hanne Webt"
Büchnerstraße 9
39114 Magdeburg

Webkurse 2023:
- 14. bis 16. April
- 5. bis 7. Mai
- 8. bis 10. September
- 13. bis 15. Oktober
- 17. bis 19. November

Zur Anmeldung das Kontaktformular auf der Homepage der Werkstatt nutzen.

Redaktionelle Bearbeitung: Valentina Prljic

Kultur in Magdeburg

Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 20. Dezember 2022 | 15:45 Uhr