WerkstattbesuchWieso eine Leipziger Künstlerin Taschen aus Fischleder herstellt
Eine Reise nach Island hat Annekatrin Döll auf die Idee gebracht, mit einem besonderen Stoff zu arbeiten – nämlich mit echtem Fischleder. Das Abfallprodukt der Fischverarbeitung ist dank einer ungewöhnlichen Faserstruktur robust und langlebig. In ihrer Werkstatt im Leipziger Stadtteil Leutzsch entwirft und fertigt die Künstlerin elegante Taschen, Portemonnaies und Etuis aus dem ungewöhnlichen Material an. Der Besuch einer Manufaktur, von denen es nur wenige gibt.
In ihrem Firmennamen hat Annekatrin Döll ihre Liebe zu Island verewigt. "Rothöll" ist eine Mischung aus Rot –isländisch für "Fischleder" – und ihrem Familiennamen. Ein ganzes Jahr hat sie als Au-Pair-Mädchen auf der Insel im Nordmeer verbracht, in einem kleinen Ort im Norden.
Die Familie, in der sie lebte, hätte ihr gestalterisches Potential entdeckt und ihr sehr viele Empfehlungen gegeben. Sie hätten ihr geraten, mal in die ortsansässige Gerberei zu schauen, wo Fischhaut zu einem haltbaren Leder gegerbt wird, erzählt Annekatrin Döll.
Für mich war das so, wie einen Schatz entdecken. Ich habe gemerkt, dass das eine Bedeutung für mich hat.
Annekatrin Döll
Nachhaltige und ökologische Produkte
Nach dem Jahr in Island ist Annekatrin Döll zurück nach Deutschland gegangen und hat ihr Kunststudium in Dresden beendet. Doch der Gedanke ans Fischleder lässt sie nicht los, und so beginnt sie zu experimentieren und vernäht erste Fischlederteile, die sie aus Island mitgebracht hat. Das dünne Fischleder ist robuster, als man denkt. Das Geheimnis, so Annekatrin Döll, liegt in der Faserstruktur.
"Die Taschen, die ich mache, sind sehr leicht im Vergleich zu Rindsledertaschen. Beim Rindsleder liegen die Fasern parallel, doch beim Fischleder liegen sie wie ein Netz übereinander. Die Fasern sind gekreuzt und das verleiht dem Material eine große Elastizität", verrät die Designerin. Das Fischleder würde sich ausdehnen und nachgeben und lange nicht reißen.
Kunst ist wichtiger als Handwerk
Für ihre Taschen und Accessoires vernäht die 36-Jährige Dorsch-, Lachs- und Barschleder, das sie aus Island und Irland bezieht. Da sie keine klassische Täschner- oder Sattlerlehre absolviert hat, musste sich Annekatrin Döll alles autodidaktisch erarbeiten. Das sei auch ein Vorteil, sagt die Künstlerin, denn so sei ihr Zugang zum Material unkonventionell und frisch. Überhaupt ist ihr die Kunst fast wichtiger als das Handwerk.
Das Fischleder kommt aus dem Meer. Aus der Tiefe. Die Fische sind ja sonstwo unterwegs gewesen und haben tausende von Kilometern zurückgelegt. Und diese Welt des kühlen Ozeans versuche ich zu transportieren.
Annekatrin Döll, Designerin
Kultur in Leipzig
Fischleder braucht Zeit zum Bearbeiten
Das Herzstück ihrer Werkstatt ist eine riesige Säulen-Nähmaschine, mit der man bis zu 6mm dickes Leder nähen kann, sogar um die Kurve. Ansonsten braucht sie nur wenige Werkzeuge, darunter Rollmesser, Hammer, Schlageisen und Cutter. Sie führt nur einfache Handgriffe aus, sagt Annekatrin Döll, aber die müssen sitzen. "Das Täschnern erfordert gute Augen, Genauigkeit und viel Zeit. Ich kann keine Tasche an nur einem Tag fertigstellen. Denn es braucht immer Trockenzeit nach dem Kleben." Deswegen würde sie immer an mehreren Stücken parallel arbeiten. Für ein aufwendiges Damenportemonnaie bräuchte sie insgesamt vier Tage. "Und eine superaufwendige Tasche wie die gelbe aus Dorschleder, die dauert über eine Woche, bis sie fertig ist", erzählt Annekatrin Döll.
Herstellungsprozess ist aufwendig
Herausfordernd sei, wenn ein neues Produkt ins Spiel kommt. Eine erste Zeichnung entsteht am Rechner, gefolgt von einer technischen Zeichnung. Dann wird ein erstes Modell mit Pappe genäht, bevor verschiedene Prototypen aus Fischleder entstehen. Manchmal brauche sie fünf oder sechs Anläufe, bis sie zufrieden ist mit dem neuen Modell. "Die Kunden können es sich manchmal nicht vorstellen, wenn man sagt, ein Schlüsselanhänger kostet 170 Euro. Aber es ist einfach wahnsinnig viel Arbeit. Und es dauert lange, bis ich sage, hier stimmt alles."
Annekatrin Döll hat sich in den letzten Jahren eine treue Stammkundschaft erarbeitet. Ihr Kunden schätzen das ungewöhnliche Material und das zeitlos schöne Design der Rothöll-Produkte. Und ihre isländische Familie? "Die sind wahnsinnig stolz", sagt sie. Und gekauft haben sie auch schon etwas.
Redaktionelle Bearbeitung: Lilly Günthner
Mehr Kunsthandwerk entdecken
Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 13. Dezember 2022 | 15:45 Uhr