Das Museum der bildenden Künste ragt hinter anderen Gebäuden empor.
Das Museum der bildenden Künste in Leipzig ermöglicht einen neuen Blick auf die DDR. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Jan Woitas

Kunst und Kampf im Bruderland "Re-Connect": Kunstausstellung über Einwanderung in der DDR

06. Juni 2023, 16:51 Uhr

In Leipzig, Dresden und Halle lebten zur Zeit der DDR viele Menschen aus den sogenannten sozialistischen Bruderländern wie Chile und Kuba. Sie reisten ein auf der Flucht vor den Verhältnissen, für ein besseres Leben oder zum Studieren an Kunsthochschulen wie der HGB Leipzig. Das Museum der bildenden Künste Leipzig zeigt in der Ausstellung "Re-Connect" nun insgesamt 80 Gemälde, Arbeiten auf Papier und Videoarbeiten von internationalen Künstler*innen, die in der DDR studiert haben.

Das Bekenntnis zur internationalen Solidarität gehörte zu den eisernen Maximen der DDR – und das hatte dann auch seit den 1970er-Jahren ganz praktische Folgen für die Kultur- und Kunstszene: "Die DDR hatte diplomatische Beziehungen in andere Länder wie Chile, Äthiopien oder Kuba", erklärt Sithara Weerantunga, Kuratorin am Leipziger Museum der bildenden Künste (MdbK). "Aus diesen Ländern kamen Studenten an die DDR-Kunstschulen. Deren Werke, deren Leben, deren künstlerische Perspektiven wollen wir im MdbK zeigen." Acht Künstlerinnen und Künstler werden im Leipziger Bildermuseum ausgestellt.

MdbK Leipzig zeigt DDR-Kunst aus Chile und Kuba

Einer der ersten, die in die DDR kamen, war César Olhagaray. "César ist Chilene, der beim Militärputsch von Pinochet im Jahr 1973 als junger Künstler inhaftiert wurde wegen seiner politischen Haltung und auch gefoltert wurde, wie er uns mitteilte", erzählt Co-Kurator Marcus Hurttig. "Er beantragte dann politisches Asyl in der DDR und kam 1974 in Ost-Berlin an. Relativ schnell konnte er an der Hochschule für bildende Kunst in Dresden sein Studium fortsetzen".

Ein braun-gelbes Bild mit Mustern, die an Tiere und südamerikanische Volkskunst erinnern.
Zu sehen in MdbK Leipzig: César Olhagaray wurde vom Muralismo, mexikanischen Wandmalereien inspiriert. Bildrechte: © VG Bild-Kunst, Bonn 2023, Foto: Michael Ehritt/InGestalt

César Olhagaray studierte in Dresden – doch er entwickelte sich dort nicht zu einem klassischen Maler. Vielmehr interessierte er sich für die mexikanische Kunst des Muralismo, wie sie vielfach in Lateinamerika gepflegt wird. Diese Kunst der großformatigen Wandbilder hat auch das Werk des 1951 geborenen Chilenen geprägt – wie auch die Einflüsse von Street Art und Graffiti.

Re-Connect am MdbK Leipzig 4 min
César Olhagaray: Amanecer, 1999, Privatbesitz Bildrechte: © VG Bild-Kunst, Bonn 2023, Foto: Michael Ehritt/InGestalt

Kunst aus Afrika trifft in der DDR auf Leipziger Schule

Aus einem ganz anderen Kulturkreis stammt dagegen Getachew Yoseff Hagoss. Er musste nicht ins ostdeutsche Exil flüchten, sondern kam als Kunst-Stipendiat aus Äthiopien nach Leipzig. An der renommierten Hochschule für Grafik und Buchkunst, hatte er Anfang der 1980er-Jahre das Glück, bei einem Großmeister der Leipziger Schule studieren zu dürfen: "Er ist einer der ersten der ausländischen Studierenden, die in eine Malereiklasse aufgenommen worden sind", so Hurttig.

Gemälde eines Mannes mit Brille stützt den Kopf nachdenklich auf seine Faust.
Nach dem Studium an der HGB Leipziug lehrte Getachew Yoseff Hagoss in Addis Abeba, der Hauptstadt von Äthiopien. Bildrechte: Getachew Yoseff Hagoss

"Er hat dann bei Heisig seinen Abschluss gemacht und ist 1987 nach Addis Abeba zurückgekehrt. Dort hat er Karriere gemacht und wurde Dekan der dortigen Kunsthochschule." Die Malerei des 1957 geborenen Künstlers wird gespeist aus der christlichen Ikonografie der äthiopischen Bildtradition. Zum anderen aber sind auch Einflüsse der Leipziger Schule zu erkennen – und so spannt sich ein weiter Bogen von Deutschland nach Afrika.

Museum erweitert sein Spektrum an Leipziger Kunst

Auch die kubanische Künstlerin Teresa Casanueva kam mit einem Stipendium in die DDR. Sie hatte Malerei an der Nationalakademie für Bildende Künste in Havanna studiert. "Dort gab es keine Malereiklasse, sondern sie war in der Textilklasse", führt Hurttig aus. "Ihre Diplomarbeit, die wir auch ausstellen, ist eine figurative Malerei auf Textil. Das ist der Startpunkt, von dem aus sie sich weiterentwickelt hat. Sie ist ist den 90er-Jahren nach Berlin gegangen und hat zunehmend Malerei-Strategien entwickelt, die uns sehr stark an die Leipziger Schule erinnern mögen."

Teresa Casanueva bekam 1985 einen Studienplatz an der Burg Giebichenstein in Halle und ist nach dem Mauerfall in Deutschland geblieben – ebenso wie ihr chilenischer Kollege César Olhagaray, der heute in Dresden lebt. Für beide war das Kunststudium in der DDR ein kreativer Freiraum, der sie geprägt hat.

Leipzig wirft Licht auf Migration in der DDR

Ganz anders ging es den Vertragsarbeitern aus anderen sozialistischen Bruderländern – und das wird im Leipziger Museum auch in einem eigenen Raum dokumentiert: "Die Kunststudent*innen waren etwas privilegierter als die Vertragsarbeiter*innen", meint Sithara Weerantunga. "Da gab es nicht diese Regelungen, wer mit wem Kinder bekommen durfte, es gab keine Regelungen zu den Ehe-Verträgen und nach der Wende war es nicht so festgelegt, dass diese Kunststudent*innen zurück in ihre Länder reisen mussten."

Schwarz-Weiß-Bild: Ein Mann fotografiert eine kleine Gruppe auf einem Platz.
Die Ausstellung in Leipzig gibt einen interessanten Einblick in die facettenreiche Einwanderungsgeschichte der DDR. Bildrechte: Mahmoud Dabdoub

Die Lebenswege der Vertragsarbeiter und der Kunststipendiaten werden auf diese Weise in der Leipziger Schau miteinander verknüpft. So gibt sie auch einen interessanten Einblick in die facettenreiche Einwanderungsgeschichte der DDR.

Weitere Informationen "Re-Connect. Kunst und Kampf im Bruderland"
Vom 18. Mai bis zum 10. September

Adresse:
Museum der bildenden Künste Leipzig
Katharinenstraße 10
04109 Leipzig

Öffnungszeiten:
Dienstag, von 10 bis 18 Uhr
Mittwoch, von 12 bis 20 Uhr
Donnerstag bis Sonntag und an Feiertagen, von 10 bis 18 Uhr

Die Ausstellung wird von einem vielfältigen Programm begleitet.

Ausstellungen in und um Leipzig

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 17. Mai 2023 | 07:40 Uhr