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Ausstellung zeigt Geschichte(n) der EmanzipationStarke Frauen in Magdeburg: Wie Louise Aston aus dem Rahmen fiel

von Sandra Meyer, MDR KULTUR-Landeskorrespondentin Sachsen-Anhalt

15. Februar 2023, 04:00 Uhr

"Aus dem Rahmen gefallen. Starke Frauen aus dem Jerichower Land", heißt eine Ausstellung, die jetzt im Literaturhaus Magdeburg zu sehen ist. Dazu gehört Louise Aston: Mit 17 zwangsverheiratet, nimmt sie sich später die Freiheit, sich wie ein Mann zu kleiden, erotische Gedichte und ein Buch über Geschlechtergerechtigkeit zu veröffentlichen. Einen neuen Blick auf Geschichte(n) der Emanzipation in Sachsen-Anhalt eröffnet die Schau mit 13 biografischen Skizzen von Frauen aus dem 17. bis 20. Jahrhundert, darunter auch Schriftstellerin Brigitte Reimann. Kurzweilig und spannend.

Sie gibt sich wie ein Mann – die Haare unter einem Hut, gelbe Fliege und noch dazu rauchend. Wer das Porträt der 1814 geborenen Louise Aston sieht, ahnt, warum die spätere Schriftstellerin und politische Aktivistin in ihrer Zeit immer wieder provozierte.

Auch Louise Astons (1814-1871) Geschichte nimmt die Ausstellung "Aus dem Rahmen gefallen" über 13 starke Frauen aus drei Jahrhunderten in Sachsen-Anhalt in den Blick. Bildrechte: IMAGO / Heritage Images

Warum dürfen nur Männer Hosen tragen?

Louise Aston (1814-1871) ist ein Beispiel für eine Frau, die gebildet war und mehr vom Leben erwartete, wie Ausstellungsmacherin Antonia Beran erklärt: "Sie hat eine Ehe mit einem Mann geschlossen, der als Industrieller ganz groß rausgekommen ist. Sie konnte sich ein luxuriöses Leben leisten, aber sie hatte eben noch mehr vor und fragte sich: 'Warum kann ich nicht mit den Männern zusammen in Gaststätten gehen? Oder warum dürfen nur Männer Hosen tragen?'"

Geboren als jüngste Tochter des evangelischen Theologen Johann Gottfried Hoche wurde sie mit 17 Jahren zu einer sogenannten Konvenienzehe mit dem 23 Jahre älteren Samuel Aston, einem englischen Fabrikanten in Magdeburg, gezwungen. Mit ihm bekam sie drei Töchter. Später ließ er sich scheiden. Sie veröffentlichte nicht nur erotische Gedichte, trug Männerkleidung und rauchte auf der Straße. Sie wurde wegen ihres Nonkonformismus aus Berlin, wo sie später lebte, ausgewiesen. Sie trat ein für Geschlechtergerechtigkeit und das Recht auf freie Entfaltung auch für Frauen.

"Aus dem Rahmen gefallen": Sonderschau im Literaturhaus Magdeburg

Ob also hosentragende Revolutionärin, dichtende Pfarrersfrau oder eine Juristin, die einen der ersten Lesbenromane schrieb – die Ausstellung "Aus dem Rahmen gefallen" präsentiert verschiedene Frauenpersönlichkeiten vom 17. bis zum 20. Jahrhundert. Konzipiert hat sie Antonia Beran, Leiterin des Kreismuseums Jerichower Land, um deren Bewohnerinnen und Bewohnern mal zu zeigen, was für interessante Menschen hier lebten und was man aus der Geschichte für die Gegenwart lernen kann. Für Beran war es nahe liegend, "sich auf die Frauen zu konzentrieren, weil die sind vielleicht nicht so bekannt gewesen. Und so haben wir vielleicht eine kleine Entdeckung auch hervorgebracht".

"Aus dem Rahmen gefallen. Starke Frauen aus dem Jerichower Land" heißt eine Ausstellung, die jetzt im Literaturhaus Magdeburg zu sehen ist. Bildrechte: Literaturhaus Magdeburg

Geschichte(n) der Emanzipation in der Region

Kopiert auf Rollups, gibt es zu den 13 Frauen kurze biografische Notizen, ein Porträt und vor allem eine bewegende Geschichte: Denn was alle eint: Sie mussten unkonventionelle Strategien entwickeln, um ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Wie Emilie von Münchhausen: Da ihr Ehemann der Scheidung nicht zustimmte, versuchte sie durch Vortäuschung ihres eigenen Begräbnisses mit dem Geliebten durchzubrennen: "Sie wollte sich scheiden lassen, das war aber gegen die Konvention. Sie hat dann zum Mittel des Scheintods gegriffen und zur Goethezeit war das natürlich ein Skandal", wie Antonia Beran erklärt.

Marie Huhns grausiges Schicksal in Burg

So spiegeln die Frauen, die sozialen Verhältnisse wider und auch manch grausiges Schicksal. Wie das von Marie Huhn. 1705 hineingeboren in die Unterschicht, war ihre Liebesbeziehung zum Sohn eines Radmachers zum Scheitern verurteilt, wie Beran erzählt. Aus Angst, als ledige Mutter geächtet zu werden, sei sie zur Kindsmörderin geworden. Ein halbes Jahr habe sie 1732/1733 im Hexenturm zu Burg verbracht, wo sie peinlich befragt worden sei: "Das heißt, erst unter Folter hat sie es zugegeben und ist dann bestraft worden als Kindsmörderin mit dem Tod durch Säcken. Das heißt, sie wurde ertränkt!"

Eine halbes Jahr brachte Marie Huhn im Hexenturm in Burg zu, als Kindsmörderin wurde sie zum Tod verurteilt. Bildrechte: IMAGO/imagebroker

Wahrheit und Dichtung um Fontanes "Effi Briest"

Neben der Sage von "der Kindsmörderin", wie es auf der Ausstellungstafel heißt, wird auch die Geschichte "der Untreuen" erzählt: Gemeint ist Elisabeth Baronin von Ardenne aus Zerben, deren Schicksal durch Fontanes Romanfigur Effie Briest berühmt wurde. Beran weiß um die Details der unglücklichen Ehe Elisabeths, die zum Duell zwischen Ehemann und Liebhaber führte, von denen bei Fontane aber nichts zu lesen ist:

"Die Hintergründe sind durchaus vielschichtiger: So kannten sich Elisabeths Mann und ihr Liebhaber aus Düsseldorfer Künstlerkreisen. Eigentlich war er ein sehr guter Schütze. Er hat das aber gar nicht so ernst genommen mit dem Duell und dachte: 'Na ja, wir kennen uns ja, das wird jetzt nur symbolisch ausgetragen.' Er hat nicht damit gerechnet, dass er dann im Duell getötet wird."

Kurzweilige und spannende Präsentation

Auch Effies früher Tod ist erfunden. Im wirklichen Leben wurde Elisabeth fast 100 Jahre alt, verdiente sich ihren Unterhalt als Krankenschwester und Gesellschafterin und lernte noch in späten Jahren Fahrrad- und Skifahren. All solche Details machen die Ausstellung kurzweilig und spannend.

DDR-Schriftstellerin Brigitte Reimann gewürdigt

Umso schöner, dass sie nun auch in Magdeburg zu sehen ist, zumal es noch einen aktuellen Anlass gibt: Den 50. Todestag und 90. Geburtstag der DDR-Schriftstellerin Brigitte Reimann, die in der Ausstellung als "Leidenschaftliche" gewürdigt wird. Im Literaturhaus gibt es deshalb ein Extra-Regal. Darin stehen Erzählungen wie "Die Geschwister" oder der unvollendete Roman "Franziska Linkerhand", außerdem sind Veranstaltungen geplant.

Hommage an "Die Leidenschaftliche": Schriftstellerin Brigitte Reimann Bildrechte: DRA

Angaben zur AusstellungLiteraturhaus Magdeburg
Thiemstraße 7
39104 Magdeburg.

"Starke Frauen im Jerichower Land"

Die Ausstellung ist noch bis zum 6. April 2023 im Literaturhaus Magdeburg zu sehen.

Öffnungszeiten
Mo-Fr: 10 bis 16 Uhr
sowie zu den Veranstaltungen

Eintritt frei

Redaktionelle Bearbeitung: Katrin Schlenstedt

Bücher und Ausstellungen von Frauen

Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 15. Februar 2023 | 08:10 Uhr