Forum Gestaltung Ausstellung zu Kunst am Bau in Magdeburg: Vom DDR-Wandbild bis zu Graffiti

Was als Kunst am Bau bezeichnet werden kann, ist enorm vielfältig. Vom offiziell beauftragten Großkunstwerk bis zu illegal gesprühten Graffitis. Eine Ausstellung in Magdeburg blickt zurück auf "70 Jahre Kunst am Bau in Deutschland". Die Werke werden in ihrem Zeitkontext eingeordnet, von abstrakter Symbolik bis zum sozialistischen Realismus. Eine spannende Zeitreise – bis in die Gegenwart.

Karl-Marx-Denkmal, ein riesengrpßer Kopf auf einem Sockel
Manchmal dominiert ein Kunstwerk die Architektur, der Chemnitzer Karl-Marx-"Nischel" ist allen bekannt, das dahinterstehende Gebäude nicht. Bildrechte: imago/epd

"70 Jahre Kunst am Bau in Deutschland" ist eine Wanderausstellung, die derzeit im Forum Gestaltung in Magdeburg Station macht. Mehrere Dutzend relevante Kunstwerke aus dem gesamten Bundesgebiet werden hier präsentiert. Diese sind zumeist im Auftrag des Staates entstanden und sollen in der Schau noch einmal näher ins Bewusstsein gebracht werden. In Magdeburg wurde die Ausstellung um sechs Tafeln erweitert, bei denen es vor allem um gegenwärtige, zumeist städtische Projekte geht.

Graffiti-Kunstwerk in Magdeburg

So prägt ein Graffiti der Künstlerin Claudia Walde seit diesem Jahr die Wände der Eisenbahnbrücken über dem neu gebauten Magdeburger Tunnel. Auf gelbem Hintergrund leuchten hier grüne, wolkenartige Gebilde, gekreuzt durch dynamisch gesetzte rot-orange Linien.

Eine Frau steht auf einem Gerüst und sprüht ein farbiges Kunstwerk an eine Wand
Die Grafitti-Künstlerin Claudia Walde hat die Eisenbahnüberführung am Magdeburger Hauptbahnhof gestaltet Bildrechte: dpa

Es sei ein jüngstes Beispiel für Kunst am Bau in Magdeburg, sagt Norbert Pohlmann, der die Wanderausstellung damit ortsspezifisch aktualisiert hat. Er will auch den historischen Bezug zum Forum Gestaltung ziehen, das als ehemalige Kunstschule eine enge Verbindung zum Thema habe. So erzählt Pohlmann, dass die Glasgestalter-Klasse des Hauses, mit Reginald Richter und anderen, als Künstlerkollektiv sehr viel Kunst am Bau realisiert habe - nicht nur in Magdeburg, sondern europaweit.

Ehemalige Kunstgewerbeschule

Für die Wanderausstellung, die zuvor schon in Städten wie München, Halle, Nürnberg oder Berlin zu sehen war, wurden sechs Extra-Tafeln gestaltet, die sich mit dem Thema Kunst am Bau in Magdeburg befassen. Seien es die gegenwärtigen, wie das Graffito am Tunnel, die Glasfenster des Dresdner Künstlers Max Uhlig in der Johanniskirche oder auch verschiedene Arbeiten am Kunstmuseum Kloster 'Unser Lieben Frauen' - aber auch rückbezügliche.

Eine Kirche voller Menschen, an der Wand hohe Fenster mit Farbflächen
Die Fenster in der Johanniskirche Magdeburg wurden von Max Uhlig gestaltet Bildrechte: dpa

So beschreibt der Kunstwissenschaftler Norbert Eisold eines der Werke: "Eine ganz wichtige Arbeit aus der Nachkriegszeit ist ein Glasfenster von Walter Bischoff, der erste Lehrer an der Klasse für Glasgestaltung an der ehemaligen Kunstgewerbeschule hier in Magdeburg. Und es zeigt die sieben Künste, also sozusagen eine visionäre Vereinigung der Künste. Und hier ist noch spannend, dass es in einem Industriebetrieb realisiert worden war."

Kunst am Bau in DDR und BRD

Die Wanderausstellung zeigt aber vorrangig die Kunst am Bau, die in den vergangenen 70 Jahren vom Staat in Auftrag gegeben wurde. So schmücken Wandgemälde, Skulpturen oder Glasfenster Ministerien, Botschaften oder militärische Einrichtungen. Kunstwissenschaftler Eisold verweist darauf, dass sich spannende Vergleiche zwischen BRD und DDR während der innerdeutschen Teilung zeigen würden. Über die Kunst am Bau werde eine Art politische oder künstlerische Geschichte der Bundesrepublik dargestellt.

Wie unterschiedlich sich das im geteilten Deutschland darstellt, beschreibt er anhand zweier Kunstwerke der Nachkriegszeit: Im Westen das Steinrelief am Bundeshaus in Bonn, das geradezu symbolisch einen aufsteigenden Vogel Phönix zeigt – aber, wie das Pendant im Osten, die Geschichte ausblende. "Wir steigen quasi aus der Asche wieder auf – und damit ist alles perfekt", beschreibt Eisold das westdeutsche Baukunstwerk und schwenkt zum ostdeuschen Pendant: "Dieses Lingner-Gemälde am Haus der Ministerien in Berlin. Das wird sozusagen ein visionäres oder ein utopisches Gesellschaftsmodell, das natürlich auch die Geschichte dahinter weitgehend ausblendet, zugunsten einer Utopie, die sich natürlich dann letztlich nicht erfüllt."

Mosaik an einem Gebäude, darauf Kunge Pioniere, FDJler, Arbeiter und Musiker
Dieses DDR-Mosaik trägt den sperrigen Namen "Die Bedeutung des Friedens für die kulturelle Entwicklung der Menschheit und die Notwendigkeit des kämpferischen Einsatzes für ihn" Bildrechte: imago/Joko

Abstraktion vs. Sozialistischer Realismus

Auffällig im Vergleich der rund 60 Kunstwerke ist neben der starken Symbolik eine Tendenz zur Abstraktion. Begonnen hat man damit im Westen, weil man sie als Ausdrucksmittel einer freiheitlichen Gesellschaft begriffen habe, was wiederum die gesellschaftliche Bedeutung künstlerischer Formensprache verdeutlicht.

Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, ein langes Gebäude, davon ein überdimensionales Kunstwerk, ähnlich dem Buchstaben E
Abstraktes Kunstwerk am Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung in Berlin-Charlottenburg Bildrechte: imago/imagebroker

Eisold beschreibt die sich ergebende Problematik: "Das Paradoxon daran ist, dass man mit abstrakten Bildern keine konkreten Dinge vermitteln kann. Man stiehlt sich da auch ein bisschen aus der eigenen Geschichte. Und wieder parallel dazu: im Osten haben wir dieses Dogma der Figürlichkeit, des sogenannten 'sozialistischen Realismus', der allerdings dann den Vorteil für die Betrachter hatte, also für die Leute, die sich das angucken mussten jeden Tag, dass sie sofort überprüfen könnten, ob das Bild mit ihrer Wirklichkeit übereinstimmt. Und deswegen gab es da auch eine ziemliche Ablehnung zu großen offiziellen Aufträgen bezüglich Kunst am Bau."

Foto-Aktion zum Mitmachen

Dieser Vorbehalt gegenüber Kunst am Bau scheint letztlich allerdings in jeder Gesellschaft ähnlich zu sein. Bis heute wird immer wieder vehement gestritten, was Ausstellungsmacher Pohlmann allerdings positiv wertet und in sein Rahmenprogramm eingearbeitet hat. So gibt es nicht nur Diskussionsrunden, sondern auch eine Fotoaktion. Bei der sollen Besuchende auf die Stadt Magdeburg schauen und Kunst am Bau fotografieren – die hässlichsten, die schönsten, die vergessenen und die allgemeinen Werke. Diese Bilder können eingesandt werden und sollen dann ausgestellt werden.

Redaktionelle Bearbeitung: op

Die Ausstellung "70 Jahre Kunst am Bau in Deutschland"
Wanderausstellung

10. März bis 23. April 2023

Forum Gestaltung Magdeburg
Brandenburger Str. 10, 39104 Magdeburg

Die Ausstellungen sind von Mittwoch bis Sonntag von jeweils 14 bis 18 Uhr geöffnet oder nach vorheriger Terminvereinbarung sowie während der Abendveranstaltungen.

Zusatzprogramm:
15. März 2023, 19:30 Uhr:
Glas – Licht – Raum. Baugebundene Glaskunst aus Magdeburg, Vortrag von Sabine Ullrich, Magdeburg

12. April 2023, 19:30 Uhr:
Kunst am Bau. Zwischen Schnickschnack und Provokation. Eine Diskussion

Ausstellungen in Magdeburg und Umgebung

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 09. März 2023 | 07:40 Uhr

Mehr MDR KULTUR