Umstrittenes Kinderbuch Struwwelpeter-Ausstellung in Magdeburg: Kinderbuch zwischen Popkult und Verachtung
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Das Kinderbuch "Struwwelpeter" gilt vielen als abschreckendes Beispiel für Schwarze Pädagogik – Kinder könnten durch die teils brutalen Bilder und Geschichten verängstigt werden. Dennoch gilt der Struwwelpeter bis heute als Klassiker der Kinderliteratur, obwohl er bereits 1844 veröffentlicht wurde. Wie das viel kritisierte Kinderbuch zum Kult geworden ist, zeigt eine spannende Ausstellung für die ganze Familie im Kulturhistorischen Museum Magdeburg.

Wie "Der Struwwelpeter" entstanden ist, wie er zu einem Klassiker wurde und was er mit der DDR und Darth Vader zu tun hat, das kann man jetzt in der Ausstellung "Der Struwwelpeter - Zwischen Faszination und Kinderschreck" im Kulturhistorischen Museum Magdeburg nachvollziehen.
Struwwelpeter – Kinderliteratur zum Fürchten?
Geschrieben hat das Buch Heinrich Hoffmann 1844 als Weihnachtsgeschenk für seinen damals dreijährigen Sohn. Die Geschichten vom brennenden Paulinchen oder dem magersüchtigen Suppenkaspar waren jedoch nicht unbedingt ein Kinderspass, sondern eher zum Fürchten. Was dem Buch den Vorwurf der Schwarzen Pädagogik einbrachte.
Die Figuren haben sich aber auch im kollektiven Gedächtnis verankert, vielleicht auch, weil sie mit den gruseligen Bildern von abgeschnittenen Daumen oder brennenden Paulinchen so ambivalent rezipiert wurden. Die Magdeburger Ausstellung will diese Vielschichtigkeit nun aufzeigen. Die Idee der Schau sei, den Struwwelpeter als Kinderbuch zu zeigen, so Kuratorin Karin Kanter, und zugleich die Frage aufzuwerfen, ob es denn wirklich ein Kinderbuch sei.
Wir haben gedacht es ist vielleicht das einzige Buch, das jeder noch kennt, egal aus welcher Schicht er kommt und wie alt er ist.
Star Wars und Manga – Ausstellung in Magdeburg zeigt modernen Struwwelpeter
So beginnt die Ausstellung mit den historischen Ausgaben, die der Frankfurter Arzt und Psychiater Heinrich Hoffmann 1844 für seinen Sohn geschrieben hat, und die sich dann in Windeseile in alle Welt verbreiteten. Man sieht verschiedenste Übersetzungen aber auch Adaptionen in abgewandelter Form. Auch die Politik hat nicht vor dem Kinderbuch haltgemacht: Bereits ab dem 19. Jahrhundert wurde es immer wieder instrumentalisiert, es gibt sogar einen Struwwelhitler.
Die Schau belegt anhand zahlreicher Künstler, wie die neun Struwwelpeter-Geschichten immer wieder adaptiert und parodiert wurden. Es gibt Varianten von Karikaturisten wie Manfred Bofinger oder David Füleki. Mathias Kringe hat die Geschichten sogar ins Star-Wars-Milieu verfrachtet. Kuratorin Karin Kanter erläutert: "Das hat Matthias Kringe damals für das Magazin Mad gemacht. Und hier sind wirklich alle Protagonisten aus Star Wars in Struwwelpeter Figuren übersetzt worden."
Kulturhistorisches Museum Magdeburg bietet Workshops zum Kinderbuch-Klassiker an
Genau diese Adaptionen, die sich direkt an die Jugendlichen richten, sind es auch, die das Thema so aktuell und offensichtlich auch für Schulklassen interessant machen. Denn es gäbe schon etliche Anfragen zu den geplanten Workshops zur Ausstellung, so Museumspädagogin Franziska Gaumnitz-Freund, und fährt fort: "Es geht ja darum: was ist Erziehung? Was darf man als Kind? Aber auch diese antiautoritäre Erziehung ist ein Thema, dürfen die Kinder alles bestimmen?" Mit den Schülerinnen und Schülern werde unter anderem überlegt, welche Regeln es im Zusammenleben bräuche?
Ausstellung behandelt Rassismus und Genderdebatten in Kinderbüchern
1970 kam im Westen der Anti-Struwwelpeter auf, mit Kritik an der Schwarzen Pädagogik. Die 68er-Generation begehrte gegen die übergriffigen Eltern auf und stellte alles in Frage. Dieser Vorwurf der Schwarzen Pädagogik, also von Erziehungsmethoden, die mit Strafen, Gewalt und Demütigungen verbunden sind, wird bis heute laut. Das solle mit der Ausstellung auch wieder aufgerufen werden, so Museumspädagogin Gaumnitz-Freund, aber auch die Debatte zu Rassismus in Kinderbüchern.
Wir haben uns überlegt, dass wir Themen wie Rassismus und auch die Genderdebatte wieder aufnehmen, weil das in mehreren Geschichten vorkommt.
Und gerade weil die Struwwelpeter-Geschichten tatsächlich alle Generationen auf ihre ganz eigene Weise ansprechen, lohnt sich der Besuch in der Magdeburger Ausstellung auf jeden Fall. Der vielfältige Blick auf witzige Karikaturen, auf Filme, Figuren aus dem Puppentheater oder einen Spieletisch gibt nicht nur Denkanstöße und triggert Erinnerungen, sondern macht einfach auch Spaß.
Die Ausstellung
Der Struwwelpeter – Zwischen Faszination und Kinderschreck
Ausstellung im Kulturhistorischen Museum Magdeburg
Otto-von-Guericke Straße 68-73, 39104 Magdeburg
28. Oktober 2022 bis 29. Januar 2023
Öffnungszeiten:
Dienstag bis Freitag, 10 bis 17 Uhr, Samstag und Sonntag, 10 bis 18 Uhr
Eintritt:
5 Euro, ermäßigt 3 Euro
Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre haben freien Eintritt
Redaktionelle Bearbeitung: op
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 27. Oktober 2022 | 07:10 Uhr