PorträtIranischer Künstler in Merseburg: Neue Heimat nach politischer Verfolgung
Rasoul Pourmoradi hat eine ganz besondere Lebensgeschichte. Aufgewachsen ist er im Iran – im kurdischen Westen des Landes. Als Künstler und Filmemacher, der sich mit Themen wie Kinder- und Frauenrechten auseinandersetzt, wurde er dort verfolgt. Die Flucht war unausweichlich. 2015 kommt Rasoul nach Deutschland. Nach den Hürden des Ankommens in einem neuen Land betreibt er mittlerweile ein Tattoo-Studio in Merseburg und ist prämierter Fotograf und Filmemacher.
Ich treffe Rasoul Pourmoradi ganz in der Nähe des Merseburger Doms. Sein neues Tattoo-Studio hat er in einem wunderschönen Altbau eingerichtet. Kleine rote Säulen säumen die Fensterfront. Im Schaufenster ist eine Auswahl der Bilder des Fotografen ausgestellt. Sie zeigen Gesichter von Menschen, denen Rasoul auf der Straße in Deutschland begegnet ist. Gesichter von Menschen aus ganz unterschiedlichen Städten. Häufig sind sie faltig oder vernarbt, meist schauen traurige und müde Auge auf die Passantinnen und Passanten.
Sie fordern Aufmerksamkeit und Rasoul Pourmoradi hat sie ihnen geschenkt. "Wenn du eine Stunde oder eine halbe Stunde auf dem Marktplatz von Halle oder Leipzig sitzt, dann kannst du die echten Gefühle der Leute sehen. Ich bin mir sicher – wir haben eine Verbindung", sagt Rasoul.
Kindheit inmitten des Ersten Golfkriegs
Mit seinen Bildern schafft Rasoul diese Verbindung zu den Menschen. Leidvolle Gesichter kennt er seit seiner Kindheit. Geboren 1979 nahe der Grenze zum Irak im kurdischen Teil des Irans wächst Rasoul Pourmoradi in die Zeit des Ersten Golfkriegs hinein. Bis 1988 dauert der Krieg an. Die schlechten Erfahrungen aus seiner Kindheit, die vielen Bilder in seinem Kopf, wie er sagt, verarbeitet Rasoul in seiner Kunst. Für sein Herz sei es wichtig gewesen, die Emotionen loszuwerden. Dazu gehörte für ihn zunächst auch das Kickboxen. Für einige Jahre boxt er im iranischen Nationalteam.
Politische Filmkunst im Iran
Nach dem Ende seiner aktiven sportlichen Laufbahn und mit dem Beginn seines Studiums in Isfahan und Teheran, widmet er sich schließlich ganz der Foto- und Filmarbeit. 2014 produzierte Rasoul seinen ersten Film mit dem Titel "Flight of the Birds". Gedreht wurde dieser Film in einem Dorf im Iran, wo durch den Einsatz von chemischen Waffen über 200 Menschen starben. In zweiter Generation leiden heute noch Menschen an den Spätfolgen.
In seinem zweiten Film "Bitter Tears", der 2015 abgedreht wurde, setzt sich Rasoul mit dem Thema der Beschneidung von Mädchen und Frauen kritisch auseinander. Wie es dazu kam? In seinem Studio in Merseburg erzählt mir Rasoul, er sei eines Tages in der U-Bahn im Iran mit einer kurdischen Frau ins Gespräch gekommen. "Sie hat mir gesagt, in ihrem Dorf gebe es Beschneidung. Das war ein großer Flash in meinem Kopf und ich habe angefangen mehr Informationen über dieses Thema zu suchen. Zu der Zeit war das Thema im Iran ein Tabu", erinnert sich Rasoul.
Flucht vor Verfolgung
Nicht nur das ist ein Tabu: Mit einer Gruppe von Gleichgesinnten will Rasoul weiter auf die Verletzung von Kinder- und Menschenrechten aufmerksam machen. Schließlich wird die Regierung auf ihn aufmerksam. Rasoul wird verfolgt. Man durchsucht sein Haus, nimmt seinen Laptop mit. Ihm bleibt kein anderer Ausweg als die Flucht. Frau und Kind muss er schweren Herzens zurücklassen. Sie haben sich seitdem nicht mehr sehen können.
Über die Türkei, Griechenland und Mazedonien gelangt Rasoul schließlich nach Deutschland. "Ich bin nochmal in Deutschland geboren", beschreibt Rasoul das Ankommen in einem ihm fremden Land. Es habe auch Höhen und Tiefen gegeben, doch für ihn sei interessant, dass er in Deutschland neue künstlerische Möglichkeiten bekommen konnte.
Neue Heimat in Merseburg
In Merseburg wird der Verein "Neue Wege miteinander" auf ihn aufmerksam und ermöglicht für Rasoul 2016 eine Einzel-Ausstellung in Berlin. Seine Bilder werden seitdem auch auf kleineren, internationalen Foto-Festivals prämiert. Nun sein neuestes Projekt: Das eigene Tattoo-Studio samt Foto-Atelier in Merseburg.
Rasouls Tattoo-Kunst ist geometrisch. Teils erinnern die großflächigen Muster an Mandala. "Das ist nicht nur ein Tattoo. Du lernst, wie man eine echte Abbildung auf der Haut zeichnen kann. Aber die Haut hat Gefühl, das ist Life. Haut ist nicht wie Papier", beschreibt Rasoul seinen neuen künstlerischen Ausdruck.
Mit dem Studio hofft Rasoul, auch Geld für neue Filmprojekte verdienen zu können. Noch immer ist er in Kontakt mit Filmemachern aus dem Iran. Es ist wichtig, dass es Künstlerinnen und Künstler wie ihn gibt, die sich mit viel Herz trauen, Tabuthemen künstlerisch zu beleuchten – aller Widrigkeiten zum Trotz.