"Krieg Macht Nation" Militärhistorisches Museum Dresden zeigt, wie das Deutsche Kaiserreich entstand
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Zum 150. Jahrestag des deutsch-französischen Krieges zeigt das Militärhistorische Museum Dresden mit "Krieg Macht Nation" eine Schau über den kriegerischen Weg, der zur Gründung des Deutschen Kaiserreiches führte. Und die Ausstellung verdeutlicht: Die Kriege gegen Dänemark, Österreich und Frankreich waren auch Kriege der Bilder. Medien spielten eine große Rolle, genauso wie Waffentechnik, Eisenbahnen und Telegrafen.

"Krieg Macht Nation" lautet der Titel der neuen Sonderausstellung im Dresdner Militärhistorischen Museum der Bundeswehr. Sie wirft einen kühlen, kulturgeschichtlich ausgerichteten Blick auf den kriegerischen Weg Deutschlands zur Reichsgründung 1870/71 und seinen Folgen. Damit bleibt das Museum seinem Ruf als Ausrichter anspruchsvoller und zeitgemäßer Ausstelllungen treu.
"Müssen denn die Sachsen sich auch totschießen lassen?", lautete die Frage, mit der der Redakteur und Inhaber der Sächsischen Zeitung, Wilhelm Obermüller, seine Leser am 16. Juli 1870 konfrontierte. Obermüller, ein alter 1848er-Revoluzzer war sich selbst treu geblieben und betrachtete den Krieg gegen Frankreich, auch wenn ihn Kaiser Napoleon III. und nicht die Preußen erklärt hatten, mehr als kritisch. Sein Artikel mit der provokanten Schlagzeile sollte ihm schlecht bekommen. National gesinnte Studenten verbrannten öffentlich Exemplare der Zeitung und bedrohten den Autor in seiner Wohnung. Vier Tage später wurde Obermüller gar wegen versuchten "Staatsverrates" und "Anstiftung zu Militärverbrechen" verhaftet.
Zuerst: Sachsen gegen den preußischen Erbfeind
Das ist eine der vielen interessanten Episoden, die die Ausstellungsmacher in ihrer Schau über die Gründung des Deutschen Kaiserreiches aufrufen. Obermüllers Demütigung wirft ein Schlaglicht darauf, dass der Krieg gegen Frankreich nicht bei allen Deutschen populär war, aber wohl doch bei den meisten. Und die Geschichte belegt den Stimmungswechsel, der sich in Sachsen innerhalb von ein paar Jahren vollzogen hatte. Im Jahre 1866 stand das Königreich noch fest an der Seite Österreichs, als es gegen den preußischen Erbfeind ging. Und wieder einmal standen die Sachsen am Ende auf der Seite der Verlierer und entgingen nur knapp der Einverleibung durch die siegreichen Gegner im Norden.
Die Sachsen gegen Frankreich – der noch größere Erbfeind
Nun aber, im Sommer 1870 sollte es zusammen mit den Preußen gegen den noch größeren Erbfeind im Westen, gegen Frankreich gehen, und da kochten die nationalen Emotionen vor allem in den bürgerlichen Kreisen überall in Deutschland hoch. Welche Rolle die Sachsen unter der militärischen Führung von Kronprinz Albert spielten, ist immer wieder ein Thema in der Ausstellung.
Imposantes Panoramabild über den Krieg von 1870/71
Vor allem die "Heldentaten" bei Gravelotte und Saint Privat in Lothringen, bei denen die sächsischen Soldaten unter Führung des späteren Königs Albert den Preußen aus der Patsche halfen, waren nach 1870/71 Legende. Dazu trug auch ein 360-Grad-Panoramabild über das Schlachtengeschehen bei, das im Jahre 1883 in Anwesenheit des Königs in Dresden eröffnet wurde. Den Ausstellungsmachern ist es gelungen, dieses Panoramabild über den Krieg von 1870/71, von denen es damals im Reich eine ganze Reihe gab, zu rekonstruieren. Sicher eines der interessantesten und imposantesten Ausstellungsstücke, weil es die Verherrlichung des Krieges gegen Frankreich dokumentiert.
Schließlich ist auch der Ausstellungsort selbst ein Zeugnis der Nachgeschichte des deutsch-französischen Krieges. Denn von den gewaltigen Reparationssummen, die die unterlegenen Franzosen zahlen mussten, entstand u.a. in Dresden Deutschlands größte Garnisonanlage, die Albertstadt, zu der auch das Gebäude gehört, das heute das Militärhistorische Museum beherbergt.
Ein skeptischer Blick auf die Idee der Nation
Der schnelle militärische Triumpf über Frankreich stieg den Deutschen nach 1871 schnell zu Kopf. Weniger dem Reichskanzler Bismarck selbst, der nach der Reichsgründung nicht müde wurde zu betonen, dass Preußen-Deutschland "saturiert" sei, als vor allem den Bürgerlichen Nationalisten, die sich im Alldeutschen Verband tummelten. Sie definierten nun auch einmal neu, wer zur Nation gehören durfte – und wer nicht: nämlich Juden, Sozialisten und Rom-treue Katholiken. Die Ausstellung schließt insofern mit einem eher skeptischen Blick auf die Idee der Nation.
Nation war schon immer ein schwieriger, komplizierter Begriff. Wir wollten zeigen, dass Nation nichts Selbstverständliches oder Naturgegebenes ist, sondern dass auch auf dem Weg zum deutschen Kaiserreich ganz unterschiedlich Hoffnungen und Vorstellungen von Nation zueinanderfinden mussten.
Und so werden die Besucher am Ende der Ausstellung aufgefordert, selbst ein kurzes Statement abzugeben, was sie heutzutage mit ihrer Nation verbinden. Wieder mal eine sehr aktuelle Fragestellung in einer Zeit, in der Rechtspopulisten den Wert der eigenen Nation über den der anderen stellen. Auf die Antworten darf man gespannt sein.
Informationen zur Ausstellung
"Krieg Macht Nation"
Militärhistorisches Museum der Bundeswehr
Zu sehen bis zum 31. Januar 2021
Olbrichtplatz 2
01099 Dresden
Öffnungszeiten: Täglich 10 bis 18 Uhr
mittwochs: geschlossen
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 16. Juli 2020 | 08:30 Uhr