Politische KunstKunstmuseum Magdeburg: Künstlerin Monika Huber malt kritische Nachrichtenbilder
Das Magdeburger Kunstmuseum Kloster Unser Lieben Frauen widmet sich einmal mehr der politischen Kunst. Am Dienstag wird die Ausstellung "Archiv Einsdreissig" eröffnet. Gemeint ist damit die Länge eines Nachrichtenbeitrags wie in den Tagesthemen oder dem Heute Journal, der sich auf eine Minute und dreißig Sekunden beschränkt. Seit 2011 sammelt die Künstlerin Monika Huber diese Medienbilder, von denen sie immer wieder einige ausgewählt hat, um sie durch Übermalung oder Überzeichnung zu bearbeiten oder in Videos zu transformieren.
Eigentlich eine anheimelnde Atmosphäre: der Museumsraum in warmes Licht getaucht im Hintergrund ein Wiegenlied. Doch die Erzählung dahinter ist durchaus ambivalent. An der Wand und auf etlichen Bildschirmen, die wie ein Schrein zusammengestellt sind, sieht man rote Fahnen wehen und dazwischen weiße Sterne und Halbmonde. "Moonstar ist entstanden 2016 nach dem Putschversuch gegen Erdogan", erklärt die Künstlerin Monika Huber. "Da hat Erdogan für eine Demonstration 2,5 Millionen Fähnchen verteilt und man sah es in den Nachrichten in den Medien: Es war ein Meer von roten Fahnen mit weißen Sternen, also die Nationalflagge sozusagen. Ich dachte 'was sehe ich hier eigentlich – das ist ja Propaganda'. Für mich ging es darum, nochmal dieses Fahnenmeer in seiner Absurdität abzubilden."
Magdeburg zeigt aufrüttelnde Ausstellung von Monika Huber
Bereits seit dem Arabischen Frühling 2011 sammelt die Malerin Monika Huber Nachrichtenbilder, die sich mit Protest-Situationen beschäftigen. Diese sind für gewöhnlich nur eine Minute und dreißig Sekunden lang – also unangemessen für eine hintergründige Berichterstattung. Genau das werde hier aktuell zum Thema gemacht, sagt Annegret Laabs, Leiterin der Kunstmuseums Kloster Unser Lieben Frauen in Magdeburg: "Deshalb ist diese Ausstellung für uns im Moment auch ein Schauen auf das, was passiert in der Welt und ein bisschen passend schon zu dem 'Wie retten wir uns heute vor den ganzen Bildern die im Fernsehen über uns herfallen?'. Was tun wir mit diesem Gefühl: Schalten wir ab? Oder schauen wir überhaupt noch hin? Das ist das, was die Künstlerin Monika Huber auch interessiert."
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So hat die Künstlerin in ihrem "Archiv Einsdreissig" bereits 40.000 Bilder gesammelt. 700 davon hat sie bereits bearbeitet, nicht nur als Filme, sondern auch als Einzel- oder Standbilder, die durch mehrfaches Fotografieren und Übermalen unscharf und verwischt daherkommen. "Sie fotografiert vom Bildschirm ab, bringt sie dann auf 1,30 Meter große Papiere, druckt sie aus", erläutert Museumschefin Laabs den Prozess. "Sie nimmt diese Bilder und übermalt sie mit wässriger Farbe, hellen Farben und schwarzen Farben, und nimmt so das Bildliche wieder zurück. In einem nächsten Schritt fotografiert sie diese Gemälde noch mal ab und druckt sie aus, so dass wir uns immer hin und her bewegen zwischen der Frage, ist das ein Gemälde oder eine Fotografie."
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Magdeburger Kunstmuseum widmet sich Nachrichtenflut
So sieht man elf kaum mehr zu identifizierenden Szenen und Orte. Mal schwarz-weiß, mal farbig untersetzt erkennt man nur Schemen, kann nur ahnen, dass die mit dem Oberkörper nach unten gedrückte Person in einer gelben Weste in Frankreich zu verorten ist. Weder Titel noch Text geben darüber Auskunft.
Es gehe eben nicht mehr um die Abbildung einer vermeintlichen Wirklichkeit, sondern gerade durch die Bearbeitung versuche sie die in der täglichen Nachrichtenflut untergehenden Bilder neu sichtbar und erfahrbar zu machen. "Das sind Gesten, das ist ein Habitus, das ist eine Handlung", beschreibt die Künstlerin Monika Huber. Hier ist eine Person, die angeschnitten ist, die quasi ein Maschinengewehr im Anschlag hat. Diese Spannung in den Armen sieht man ja, da muss ich das Gewehr gar nicht erkennen."
Buch zur Ausstellung in Magdeburg erschienen
So lassen sich letztlich auch immer gleiche Handlungsweisen erkennen, sagt Huber. Das sei auch die Idee dieser durchaus konzeptuell gedachten Arbeit: Es gehe um einen Kodex, der in sämtlichen Kontinenten und Ländern – ob Afrika, Spanien, Griechenland oder Russland – immer gleich sei. "Dieses Bild zeigt eine der letzten Demonstrationen in Russland", erläutert Huber zu einer Arbeit. "Zwei Sicherheitspersonen oder Polizisten nehmen einen Demonstranten fest und ziehen seine Füße hoch, lassen ihn fallen sozusagen. Das ist eine ganz typische Bewegung gerade in Belarus und Russland: Den Menschen wird der Boden unter den Füßen weggezogen – im wörtlichen und sichtbaren Sinn."
Gedanken die sich beim Publikum nicht gleich einstellen, aber mit etwas Zeit und mit Blick in den Katalog durchaus. Dann emanzipieren sich diese künstlerisch bearbeitenden Fotografien tatsächlich aus der uns umgebenden Bilderflut und weisen über den alltäglichen Medienkosmos hinaus.
Weitere Informationen"Archiv Einsdreissig" mit Werken von Monika Huber
Vom 7. März bis zum 25. Juni 2023
Adresse:
Kunstmuseum Kloster Unser Lieben Frauen Magdeburg
Regierungsstraße 4-6
39104 Magdeburg
Öffnungszeiten:
Dienstag bis Freitag, von 10 bis 17 Uhr
Samstag und Sonntag, von 10 bis 18 Uhr
Montags geschlossen
Der Katalog zum Projekt "Archiv Einsdreissig" ist im Deutschen Kunstverlag erschienen
192 Seiten, gebunden
ISBN: 978-3-422-80081-6
Redaktionelle Bearbeitung: Thilo Sauer
Mehr Ausstellungen in Magdeburg und Sachsen-Anhalt
Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 07. März 2023 | 12:40 Uhr